An die Leser.

Die Zufriedenheit mit welcher der billigdenkende, ich darf wohl sagen der größte Theil des Publicums den ersten Theil dieses Buchs, ohngeachtet seiner vielfältigen Fehler, aufgenommen hat, ermunterte mich, sogleich Hand an die Fortsetzung zu legen, welche ich Ihnen hier zu überreichen die Ehre habe.

Unterdessen darf ich nicht verschweigen, daß einige kleine Menschenkinderchen hämisch[3] genug, die Originale zu denen darinn geschilderten Charactern unter ihren Bekannten, ja sogar in ihren eigenen werthen Personen zu finden, und unklug genug gewesen sind, dies laut zu sagen.

Ich mag nicht untersuchen, ob blos Tücke, um dem vermeintlichen Verfasser Feinde zu erwecken, ob das Bewußtseyn eine solche Rache von Seiten dieses Verfassers verdient zu haben, oder endlich ob nur die innere Selbsterkenntniß sie hierbey leitete – Genug! ich, der ich dies schreibe, bin dadurch wenig beunruhigt worden, und der Beyfall redlicher, kluger und angesehener Menschen, die ohne Leidenschaft dies Werkgen beurtheilt haben, hat mich so kühn gemacht der Vollendung desselben entgegen zu arbeiten, und auf[4] jenes Geschrey wenig zu achten. Der sicherste Beweis, daß bey diesen unbefugten Auslegungen böser Willen herrscht, ist, daß wenn Personen in einem solchen Buche von einer vortheilhaften Seite geschildert werden, kein Mensch sich auf Originale besinnen kann, die denen Bildern gleichsähen –

Das ist wahrlich traurig, und man mögte jetzt scheu werden, Thorheiten und Laster zu malen, wenn man sieht, daß man kaum eine Carricatur hinklecksen kann, ohne daß sich sogleich ein Narr oder eine Närrinn finden, die es für ihr Portrait erkennen – Doch wer wird sich um alles bekümmern? Wer kann aus der Luft Charactere zu einem Roman nehmen? –[5] Aber das darf ich frey sagen: Wer in dem Verfasser dieses Buchs (ohne Absehn auf dessen schriftstellerischen Werth oder Unwerth) den redlichen, für die Tugend vielleicht nur zu eifrigen Mann verkennt, den Mann, der höchstens über den Bösewicht laut lacht, aber nur lacht, auch dann nur lacht, wenn er bis in die Seele tief gedrückt, beleidigt und gekränkt worden ist, nur lacht, und in demselben Augenblicke seinen letzten Bissen mit dem Schurken, der ihn verfolgt, theilen würde – Wer diesen Mann in mir verkennt – ey nun! der ist es, den ich habe schildern wollen.

Uebrigens hat es mir manchen lustigen, und manchen verdrüßlichen Augenblick gemacht, wenn Freunde mir schrieben,[6] diese oder jener habe die Eigenliebe gehabt, sich in meinem Buche getroffen zu finden – Menschen, an die ich wahrlich das ganze Jahr hin durch nicht Einmal denke, und von denen sich so herzlich wenig sagen läßt, daß das Publicum und mein Verleger sich sehr beklagen würden, wenn ich diese unbedeutenden Geschöpfe ihnen darstellte. Diese Leute thun sich selbst den größten Schaden. Wem würde es, ohne ihre Erinnerung, einfallen, daß einige Züge in manchen Bildern aus ihren Physionomien zu erläutern wären? Es giebt so viel ähnliche Originale! Das aber würde mir weh thun, wenn auch gute Menschen glauben könnten, ich hätte Züge von ihnen entlehnt, um ihre Schwachheiten zur Schau auszustellen. Dazu bin ich gewiß nicht fähig, und wo ein Uebelgesinnter dergleichen[7] Anspielungen findet, da hat er sie aus seiner, nicht aus meiner Phantasie geschöpft, welche wohl je zuweilen dem Boshaften einen Spiegel vorhalten, aber nie den Redlichen kränken mögte.

Inzwischen fühle ich doch, daß die Besorgniß neue Mißverständnisse zu verursachen meine Lebhaftigkeit, bey Verfertigung dieses zweyten Theils, etwas herabgestimmt hat, weswegen ich fürchte, daß derselbe, obgleich an Begebenheiten reicher, doch weniger interessant für Menschenkenner seyn wird – Aber haben Sie nur Geduld! Ich denke, es wird in diesem Jahre noch so manche Thorheit zu meinen Ohren kommen, daß ich es ohnmöglich werde unterlassen können, im dritten Theile ein bisgen darüber zu lachen.[8] Und wenn ich gar nichts finden kann, das meine närrische Laune in Bewegung setzte; so werde ich über mich selbst lachen, über mich, der ich so unbeschreiblich viel Narrheiten an mir wahrnehme, deren einige ich auch schon hie und da im ersten Theile geschildert habe, daß es Ihnen Allen eine herzliche Lust machen soll.

Noch etwas, meine Damen und Herrn! Es haben Einige von Ihnen so laut über dies Büchelgen gelästert, daß ich Ursache habe zu vermuthen, Sie haben die kleine Teufeley im Sinne gehabt, entweder meine Freunde gegen mich aufzubringen, oder gar einige Grossen der Erde aufmerksam auf den freyen, sorglosen Mann zu machen, der zuweilen gewagt hat zu sagen, daß nicht alle vornehme[9] Menschen gute Menschen sind. Und da muß ich Ihnen denn gestehen, daß Sie Ihre Zwecke verfehlen werden, denn erstlich kennen Sie mich sicherlich nicht, und ich bin ein so unbedeutendes Geschöpf, daß ich mich weder vor den Verfolgungen, noch Wohlthaten der Erdengötter zu fürchten habe. Ich wünsche mir jedes Redlichen Achtung, aber keines Menschen Gnade, und lache herzlich des Thoren, dem es einfallen könnte, mir auf Gottes Erdboden seinen Schutz zu schenken oder zu entziehen. Auch verlange ich nicht in irgend einer Vorkammer als ein artiger, noch in irgend einem Cabinette als ein brauchbarer Mann genannt zu werden, noch daß man sagen mögte: »es ist Schade um den Menschen! Aus dem hätte etwas werden können.« – Sparen Sie Ihre[10] Mühe, und sorgen Sie lieber für Sich und die werthen Ihrigen. Aus mir wird nun einmal nie ein solches Geschöpf, das Ihnen gefallen könnte. Auch giebt es noch Grosse in dieser guten Welt, die gern Wahrheit hören. Meine Freunde aber, auf deren Liebe und Achtung ich stolz bin, kennen mein Herz, und wissen, was Gutes und Böses an mir ist –

Also Frieden! – Erlauben Sie mir immer ein wenig mit unter zu lachen! Was hindert Sie mitzulachen? – Es verstellt Sie wahrhaftig, meine schönen Damen und Herrn! wenn Sie so hämische Mienen schneiden – Und nun noch einmal, im ganzen Ernst! Ich zeichne Menschen, wie sie auf der Welt sind; der Bösewicht mag sich getroffen finden[11] oder nicht, und der redliche Mann thut sich und mir Unrecht, wenn er irgend etwas von der Art auf sich zieht.

Genug für heute! Ich empfehle mich Ihrer ferneren Gnade, und bitte demüthigst dies Büchelchen fleißig zu kaufen, sonst finde ich keinen Verleger zu den folgenden zwanzig Theilen.

Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 2, Riga 1781–1783, S. 1-12.
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