Siebenter Brief.

Von dem jungen Herrn von Hundefeld an den Freyherrn von Leidthal in Hamburg.

[81] ..... den 12ten Aprill 1771.


Hochwohlgebohrner Freyherr!

Hochzuverehrender Herr!


Ich halte es für meine Pflicht, Ew. Hochwohlgebohren, obgleich ich nicht die Ehre habe, Dieselben persönlich zu kennen, eine Nachricht zu geben, welche freylich Ihr gefühlvolles, leidendes Herz noch mehr beunruhigen wird, vielleicht aber auch dazu dienen kann, Sie näher auf die Spur von des Herrn von Hohenau, meines ehemaligen Freundes, Aufenthalt zu führen.[81]

Ein Brief, den meine Eltern von meiner Tante, der Frau von Donnergrund, bekommen haben, hat uns Alle in neues Schrecken gesetzt. Sie schreibt darinn: »Sie habe meine Schwester, welche sie mit sich von hier weggeführt hatte, einer Freundinn anvertrauet, indeß sie selbst noch eine andre kleine Reise vornehmen wollte. Diese Freundinn trat unterwegens des Abends mit meiner Schwester in einem Wirthshause ab, wo sie des Nachts bleiben mußten. Ein Mann, der französisch redete, unterhielt sich einen Augenblick mit meiner Schwester, als sie unten im Hause standen. Sie sprachen bekannt zusammen; Gegen die Nacht aber entwischte auf einmal meine Schwester aus ihrer Cammer, und als man sie vermißte, sagte der Wirth, sie sey mit dem Fremden davon gegangen.«

So unglaublich, so sehr ausser dem Character meiner Schwester diese Begebenheit auch ist; so können wir doch leider! nicht an[82] der Wahrheit der Erzählung zweifeln. Gewiß hat sich also meine Schwester dem Herrn von Hohenau in die Hände geliefert, die unglücklichen Leute werden, wer weiß wo? in der Welt umherlaufen, und indessen sind meine Eltern von Kummer niedergedrückt – Sie liegen beyde krank zu Bette.

Versäumen Ew. Hochwohlgebohren doch nicht, ich bitte Sie inständigst, den Flüchtlingen nachzuspüren; ich werde morgen selbst nach Donnergrund und weiter reisen.

Mein Eltern überhäufen mich mit Vorwürfen, geben mir und meiner Freundschaft zu dem Herrn von Hohenau alle Schuld ihres jetzigen Unglücks, und ich bekenne es, bald reuet es mich, mein Herz mit einem so leichtsinnigen Menschen getheilt zu haben. Welch ein unkluger Schritt! Was wollen diese jungen Leute nun anfangen?[83]

Doch, ich will Ew. Hochwohlgebohren nicht mit Klagen ermüden. Noch einmal bitte ich Sie angelegentlichst, uns mit Rath und Erkundigung beyzustehn; der ich ehrerbiethigst verharre,


Ew. Hochwohlgebohren

ganz gehorsamster Diener

Friedrich von Hundefeld.[84]

Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 3, Riga 1781–1783, S. 81-85.
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