Vierter Theil.

[2] Es ist so süß, Menschen lieben zu können, und von Menschen geliebt zu werden; sich aller Creatur zu erbarmen; der Tugend zu huldigen, und dem Laster muthig in den Weg zu treten. Es ist so süß, den Leidenden zu trösten, und dem Unglücklichen eine brüderliche Thräne zu weinen. Es ist so süß, sich des Bedrängten anzunehmen, das verfolgte Verdienst zu beschützen, und das gedrückte Talent aus dem Staube hervorzuziehn. Es ist so süß, dem verkannten Redlichen Gerechtigkeit zu verschaffen, für den Verlaßnen zu arbeiten, den Schwachen zu ertragen, von dem Weisen zu lernen, über den Thoren zu[3] lächeln, ohne ihn zu hassen, und dem angebetheten Schurken auf dem Throne, dem sclavischen Tyrannen, und dem niedrigen Fürstenknechte den Spiegel vorzuhalten. Es ist so süß, in der Stille Gutes zu würken, auch von Vielen verkannt, mit ruhigem, liebevollen Herzen und dem Bewußtseyn ein guter, obgleich schwacher Mensch gewesen zu seyn, heiter der letzten Stunde, die jede Thräne abwischt von unsern Augen, entgegen zu sehn, vom grossen Haufen vergessen, ein Denkmal in den Herzen gefühlvoller, sympathetischer Freunde zurückzulassen.[4]

Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 4, Riga 1781–1783, S. 2-5.
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