Drey und dreyßigster und letzter Brief.

An den Herrn von Hohenau in Frankfurt am Mayn.

[319] Urfstädt den 4ten Junius 1772.


Dies, mein liebster Sohn! ist also mein letzter Brief, und dann drücke ich Dich bald an mein Herz. Glaube mir, ich freue mich innigst auf diesen Augenblick. Du hast nun allerley Bilder gesammlet, und wir wollen gemeinschaftlich überlegen, wie wir diese Gallerie in Ordnung bringen, und welchen Plan Du für Dein künftiges Leben einschlagen willst.

So viel kann ich Dir im Voraus sagen, daß ich gleich nach Deiner Zurückkunft Anstalt zu machen denke, Deine Charlotte auf ewig[319] mit Dir zu verbinden. Und wenn Du ein Jahr lang die ersten Freuden des häuslichen Lebens geschmeckt hast; wie wäre es, wenn wir dann eine kleine Reise über Wien nach Italien machten, und ich selbst Dich begleitete? Doch davon läßt sich noch reden.

Deine gute Braut erwarte ich in wenig Tagen nebst ihrer Mutter; Sie wollen Dich hier bewillkommen, und von ihrer Freude kann niemand eine bessere Vorstellung haben, als Du selbst.

Der junge Hundefeld hat seine Dienste als Cammerassessor und Hofjunker in Cassell angetreten. Dort denke ich auch den jungen Wallitz anzubringen.

Für unsern Freund Meyer habe ich einen Vorschlag, den er, wie ich hoffe, annehmen wird. Der Secretair Reifenbruck hat eine große Pachtung im Hannöverschen übernommen. Also habe ich jetzt niemand, der meine[320] Geschäfte führt. Will nun unser redliche Meyer diese Mühe übernehmen, seinen Platz in Dresden dem jungen Müller überlassen, und den Rest seiner Tage der Unsrige seyn; so wollen wir Alle selige Zeiten, vereint mit einander durchleben.

Hier hast Du Addressen nach Gotha. Du wirst an meinem lieben ... einen Mann kennen lernen, der wegen seiner seltenen Bescheidenheit und seines liebevollen sanften Characters, eben so sehr als wegen seiner Schriften und Verdienste um die Literatur, Verehrung verdient.

In Weimar mögte ich Dir das Glück beneiden einen jungen Fürsten von Angesicht zu Angesicht zu sehen, der durch so viel Privattugenden den Glanz seines Standes erhebt, der ein eben so treuer Freund als guter Landesvater ist, der jedes Talent schätzt, Gefühl für alles Gute und für die Leiden der Menschheit hat, und fest und entschlossen bey Ausführung edler Vorsätze ist.[321]

Und nun, lieber Junge! lebe wohl! Der Gedanke Dich bald hier an meiner Seite zu haben, macht um zehn Jahr jünger,


Deinen

treuen Vater

Leidthal.

Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 4, Riga 1781–1783, S. 319-322.
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