Vierter Brief.

An den Herrn von Hundefeld in Berlin.

[38] ... den 20sten Julius 1771.


Lieber Sohn!


Der Empfang Deines Briefes vom 29sten voriges Monats, hat Deinem Vater und mir nach langer Zeit den ersten vergnügten Augenblick gemacht. Gott sey Lob und Dank, daß wir endlich die arme Lotte wiedergefunden haben. Das arme Kind! Es ist ja unerhört, wie die bösen Menschen mit ihr umgegangen sind. Eile, so viel Du kannst, sogleich mit Deiner Schwester hierherzureisen. Wir schicken Dir einliegendes Geld dazu, und senden dies wo möglich heute mit der reitenden Post ab, damit es geschwinder gehe. Halte Dich ja keinen Tag[38] länger in dem bösen Berlin auf. Ach! wenn Euch nur unterwegens nichts begegnet! Mein Gemüth ist voll Unruhe; Ich bitte Gott Tag und Nacht, daß er uns unsre Kinder bald wiederschenke. Wenn Ihr nur erst hier wärt! Es ist eine weite Reise.

Was wir seit einem Jahre erlebt haben, das hat uns schwer gedrückt, und unsrer Gesundheit einen harten Stoß gegeben. In den zwanzig Jahren unserer Ehe hatte uns keine so harte Prüfung betroffen. Der Himmel wird aber alles zum Guten lenken. Wir sehen Euch mit Ungeduld entgegen. Ich denke, Ihr könnt gegen den 30sten hier seyn. Verkältet Euch nur nicht auf der Reise, die Nächte sind kühl; sondern sorgt für Eure Gesundheit.

Dies bitten wir Euch, und vorzüglich ich


Deine

treue Mutter

Elisabeth von Hundefeld.[39]

Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 4, Riga 1781–1783, S. 38-40.
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