Anhang.

[197] Als ich den ersten Abschnitt dieser ersten Haupt-Abtheilung vollendet hatte; beschloß[197] ich, denselben handschriftlich einem sehr verständigen, redlichen und in der gelehrten Welt rühmlich bekannten Freunde zur Prüfung vorzulegen. Ich wußte, daß wir über das Grund-Princip der Sittlichkeit sehr verschiedener Meinung waren und kannte ihn als einen eifrigen Vertheidiger des Moral-Systems einiger neuern Philosophen. Wir hatten oft darüber mit einander gestritten und o! möchten die Menschen, so lange die Erde sich um ihre Axe dreht, sich nie über etwas anders streiten, als darüber: wer von ihnen die würksamsten und edelsten Bewegungsgründe zur Tugend angeben könnte!


Da man seine Systeme über so wichtige Gegenstände, als die Pflichten der Sittenlehre sind, wenn man in dem männlichen Alter reiflich darüber nachgedacht zu haben glaubt, nicht so leicht gegen andre verwechselt;[198] so gestehe ich, daß ich schon zum Voraus nicht erwartete, durch die Gründe dieses einsichtsvollen Mannes von der Ueberzeugung zurückgebracht zu werden, »daß die Beförderung unsrer eignen wahren Glückseligkeit der Haupt-Bewegungsgrund unsrer moralischen Handlungen seyn müsse.« Eben so wenig aber hegte ich den eiteln Gedanken, mit meinen Geistes-Waffen sein Lehrgebäude erschüttern zu wollen. Die Absicht, warum ich ihn bat, meinem Aufsatze einige Augenblicke von der Zeit zu schenken, die er der Belehrung und Wohlthätigkeit widmet, war die, durch die Einwürfe eines so scharfsinnigen Denkers, auf die schwächern Stellen meiner Schlußkette aufmerksam gemacht zu werden, um dann in einem Anhange manches noch ergänzen, erläutern, mit neuen Gründen befestigen zu können, was unbestimmt und schwankend scheinen möchte, und dadurch im Voraus dem[199] Tadel einiger Kunstrichter und andrer Leser zu begegnen.

Herr *** war so gütig, mir seine Bemerkungen über das Gelesene schriftlich mitzutheilen und mir nachher zu erlauben, dieselben, begleitet von meinen Gegengründen und Einwendungen, mit abdrucken zu lassen. Hier folgt nun Beydes; das mit Häckgen (") Bezeichnete ist meines, mir sehr werthen Gegners Text; das Uebrige sind meine Antworten und Noten. Ich übergehe einige freundschaftliche, von seiner gütigen, bescheidenen und duldsamen Denkungsart zeugende Aeußerungen, die als Einleitung dienen, und komme gleich zu seinen Einwürfen.

»Die §. 1. aufgeworfenen drey ersten Fragen glaube ich, mit gutem Gewissen bejahen zu können und zur Antwort auf die vierte würde ich das von der Vernunft aufgestellte Moralgesetz als die einzige rechte[200] Trieb feder unsrer Handlungen angeben, wenn hier sogleich alles zu entscheiden wäre.«

Ich bin weit entfernt, aus dieser Bejahung meiner ersten Fragen, das heißt aus der Einräumung des Satzes: daß die mehrsten Menschen aus eigennützigen Absichten handeln, Vortheil für mein System ziehn zu wollen; allein so viel scheint doch daraus zu folgen, daß es im Allgemeinen der Natur des Menschen am angemessensten sey, aus der Beförderung des eignen Vortheils Bewegungsgründe zu seinen Handlungen herzunehmen, und daß also solche Motive, wobey hierauf gar nicht Rücksicht genommen wird, (wenn es auch dergleichen geben kann) wenigstens auf den größten Theil der Menschen wenig Kraft äußern.

»Wenn am Ende dieses §. die Beförderung eigner Glückseligkeit ein erlaubter[201] und edler Bewegungsgrund genannt wird; so zweifle ich, ob es Sprachgebrauch sey, die Selbstliebe und alles, was von ihr herrührt, edel zu nennen, da meinem Bedünken nach nur das, durch sein Bemühen für das Wohl Anderer für schön und vorzüglich Gehaltene, edel genannt wird.«

Ich nehme hier das Wort edel im Gegensatze von unedel, und nenne alle diejenigen Empfindungen und Gesinnungen edel, die nicht aus unreinen Quellen herrühren, und keine niedrige, verwerfliche Absichten zu unmittelbaren Zwecken haben. So nenne ich zum Beyspiel den Stolz edel, in so fern er auf dem gerechten Gefühle unsrer wahren Menschenwürde beruht, den Hochmuth hingegen unedel, weil dieser in der Einbildung eines Uebergewichts über Andre, wegen solcher Eigenschaften besteht, die keinen wahren[202] Werth haben. Da nun die Selbstliebe wohl nicht aus einer unreinen Quelle entspringen kann, weil sie von der Natur selbst allen vernünftigen Wesen zu ihrer Erhaltung eingepflanzt ist und unmittelbar zu dem Zwecke leitet, für die Fortdauer und Annehmlichkeit unsers Daseyns zu sorgen, welches keineswegs strafbar ist; so glaube ich, man könne die Selbstliebe wohl edel nennen, obgleich es freilich viel edlere und vorzüglichere Gefühle giebt.

»Die nach §. 2. über den Menschen ausser seinen Verhältnissen in der bürgerlichen oder menschlichen Gesellschaft angestellte Betrachtung kann wohl zur Aufsuchung der Gründe aller Sittlichkeit kein sicheres und bequemes Mittel seyn, da wir uns nie ausser diesen Verhältnissen befinden, sondern von Menschen gebohren werden, um für Menschen zu leben. Der Naturmensch steht nirgends einzeln und isolirt[203] da, sondern wir empfangen aus der Verbindung mit Andern, worinn wir sogleich treten, Rechte, Vortheile und Verbindlichkeit gegen Andre, und werden, wenn wir uns denselben gemäß verhalten, als gut, und wenn wir sie vernachlässigen, als böse angesehn. Dies macht die Frage überflüssig: wie kann der Naturmensch Tugend kennen, lieben und ausüben? Denn Tugend enthält unsre Brauchbarkeit für Andre, wozu wir seit unserm Entstehen, oder seit der ersten Entwicklung unsrer Vernunft überall Gelegenheit finden.«

Ich erkenne sehr wohl, daß dem Menschen gleich bey seiner Geburt Rechte, Vortheile und Verbindlichkeiten zu Theil werden, und daß man den im gesellschaftlichen Zustande lebenden Menschen gar nicht anders, daß man ihn nicht isolirt betrachten könne. Ich erkenne dies nicht nur, sondern habe es auch §. 17. desselben Abschnitts[204] ausführlich entwickelt. Allein wenn einige neuere Philosophen behaupten: man müsse bey Gründung des Moralgesetzes gar nicht an die Folgen, oder an die Wirkungen denken, welche unsre sittliche Handlungen auf die Verhältnisse, in denen wir stehen, haben können, sondern dies Moralgesetz würde auch dann unwandelbar bestehn müssen, wenn diese Verhältnisse anders, oder wenn sie gar nicht da wären; so habe ich gesagt: wer untersuchen will, wie der Mensch ohne Rücksicht auf die Folgen seiner Handlungen, das heißt: auf das, was er dadurch in seinen Verhältnissen würkt, handeln wird, der muß den Fall annehmen, daß diese Verhältnisse gar nicht existirten; er muß sich einen ersten Adam, allein auf der Welt denken. Was von diesem Menschen ohne Verhältnisse wahr ist, muß auch von dem gelten, der auf diese Verhältnisse keine Rücksicht nimmt. Und da fragt sich's denn:[205] Wird ein solcher Adam von Natur Begriffe von Tugend, von Pflichten gegen Andre haben? Müßte man hierauf verneinend antworten; (und das sollte ich doch meynen) so folgt daraus, daß unsre Pflichten von unsern Verhältnissen abhängig sind, durch sie bestimmt und modificirt werden, daß da, wo der Zweck, auf diese Verhältnisse, auf Verbesserung derselben, also auf den Nutzen zu würken, wegfällt, auch keine Pflichten Statt finden, und daß es folglich kein unwandelbares, von der Rücksicht auf Zweck und Nützlichkeit zu trennendes Moralgesetz giebt.

»Die, §. 3. dem Menschen beygelegten Instincte werden, da sie determinirte Triebe sind, fast von allen Philosophen uns abgesprochen. Dagegen ist der Character unsers Geschlechts Vernunft, deren Gerichtsbarkeit sich über die Bearbeitung unsrer Empfindungen und über unsre Neigungen[206] ausbreitet, und deren Gewalt für uns allein in der menschlichen Gesellschaft vornemlich durch den Gebrauch der Sprache sich äußern kann. Ohne beyde Hülfsmittel würde der Naturmensch, bey aller Vernunft, die er, so wie jeder Mensch, hat, aber nicht anzuwenden weiß, nur dem unvernünftigen Thiere gleichen.«

Ich könnte diesen Stein des Anstoßes, das Wort Instinct, unbeschadet des Zusammenhangs, wohl weggelassen und überhaupt nur Gefühle und Triebe gesetzt haben; allein so ganz bestimmt möchte ich doch dem Menschen die Instincte nicht absprechen. Wir wissen eigentlich noch so wenig von der Natur unserer geistigen Kräfte und ihrer Verbindung und Analogie mit unsern Trieben und mit den materiellen und sinnlichen Operationen in uns, daß noch täglich von den Philosophen nur Theorien darüber aufgestellt werden, die den alten widersprechen.[207] Warum sollten wir, was die Instincte betrifft, etwas weniger als die unvernünftigen Thiere haben? Kann es nicht mit dem, was wir Instinct nennen, eben so beschaffen seyn, wie mit gewissen Sinnen, welche bey den Thieren nur darum stärker und feiner zu seyn scheinen, als bey uns, weil wir diese Sinne von Jugend auf weniger schärfen, indem uns die Vernunft dieselben in manchen Fällen entbehrlich macht? Warum sollten ferner diese Instincte, die bey den Thieren determinirte Triebe sind, bey unserm Geschlechte nicht unter der Vormundschaft der Vernunft stehn und von ihr Berichtigung empfangen? Entbehrlich könnten sie ja auch die Vernunft nicht machen, weil sie bey unzählichen Fällen nicht hinreichen würden, uns zu Wegweisern zu dienen.

»Wenn §. 4. der Mensch vermöge seiner Thierheit zu lebenden und todten Gegenständen hingezogen wird; so geht doch[208] sein Trieb besonders zur Gesellschaft, zur Gemeinschaft mit andern Menschen.«

Ich denke, es liegen in unsrer thierischen Natur gleich starke Triebe von der einen und andern Art, die sich nach Maßgabe des Bedürfnisses äußern und befriedigt seyn wollen. Wenn wir Hunger haben, überwiegt der Trieb zu eßbaren Dingen wohl den der Geselligkeit, und so in allen Fällen.

»Zieht aber die Vernunft aus unsern Trieben und Neigungen Vorschriften; so ist der Sinn doch wohl nicht der, daß sie das vorschreiben muß, was die Neigungen wollen; sondern sie muß als eine besondre Kraft angesehn werden, die ihre gesetzgebende Gewalt für sich besitzt, und dieselbe am wenigsten von den Neigungen, denen sie gebiethen soll, entlehnen kann.«

Freilich soll die Vernunft keineswegs die Sclavinn der Neigungen seyn, sondern ihre Führerinn. Nimmermehr aber werde[209] ich mir einbilden, daß der liebreiche Schöpfer zwey ewig nur zum Widerspruche und Streite mit einander angeordnete Mächte in unsre Natur gelegt habe – Neigungen und Vernunft – Nein! unsre Neigungen und Leidenschaften sind gewiß ursprünglich eben so bestimmt, zu unsrer Glückseligkeit mitzuwürken, wie die Vernunft. Nur ihr Misbrauch zerstöhrt diese Glückseligkeit; und um diesen Misbrauch zu hindern, sie zu guten Zwecken zu leiten, nicht aber um sie zu vernichten, ist ihnen die Vernunft zugesellt. Ich glaube dies zur Ehre des Allmächtigen, dessen Werke durchaus die Spuren der Harmonie, nicht aber des Widerspruchs, offenbaren, und meiner Meinung nach würde ein bloß vernünftelnder Mensch, ohne Neigungen und Leidenschaften, ein eben so unvollkommnes Werk der Schöpfung seyn und eben so wenig menschlich handeln, wie der, aus bloßen Neigungen und Trieben[210] zusammengesetzte, ohne Vernunft. Darum denke ich dann auch, es können keine Kräfte in uns abgesondert für sich bestehn und einzeln würken; sondern alle Triebfedern müssen in einander greifen und alle Vorschriften, die nur Einer dieser Triebfedern zum Gesetze dienen sollen, ohne alle Rücksicht auf die einwürkenden übrigen Kräfte, taugen nicht für den irdischen Menschen und sind leere Speculationen.

»Nach §. 5. erstrecken sich die Entschließungen der Vernunft nur auf die Erfahrungen; aber die Vernunft hängt doch deswegen, weil sie nur auf Fälle, die im menschlichen Leben vorkommen, angewandt wird, nicht von der Erfahrung ab; sie darf sich nicht nach dem richten, was gewöhnlich geschieht, sondern muß das, was sie für recht erkennt, uns zu thun gebiethen.«[211]

Nicht nach dem, was gewöhnlich geschieht, soll sie, ohne zu untersuchen, wie und warum es so geschieht, meiner Meinung nach, sich richten, wohl aber nach dem, was möglicher und wahrscheinlicher Weise, bey gehörig angewandten Mitteln, geschehen wird und also zu erwarten steht; und das lehrt die Erfahrung. Die Vernunft halte ich für das Vermögen, den Zusammenhang der Dinge wahrzunehmen, also, auch den Zusammenhang zwischen Ursache und Würkung, zwischen Bestreben, Mittel und Zweck. Hierüber wird sie durch die Erfahrung belehrt, aus welcher die Urtheilskraft Resultate zieht. Soll uns also die praktische Vernunft Vorschriften über die Leitung unsrer Handlungen geben; so muß sie diese, vermöge der Urtheilskraft, aus der Erfahrung abziehn. Sie muß nämlich auf den Zusammenhang des Antriebs zum Handeln mit dem zu erreichenden Zwecke und den dazu anzuwendenden Mitteln Rücksicht[212] nehmen. Wenn also die Erfahrung sie belehrte, daß jener Antrieb gar nicht zu dem beabsichteten Zwecke leitete, oder daß der Zweck nicht zu erreichen wäre, oder daß die Mittel nicht den Erfolg haben könnten, diesen Zweck zu befördern; so würde sie die Handlung nicht begünstigen. Hier ist nur noch von der Ausführbarkeit der Handlung, nicht von der Rechtmäßigkeit derselben die Rede. Diese hängt dann von der Eigenschaft, von der Beschaffenheit des Zwecks ab, wovon nachher gehandelt werden wird.

»Soll aber ihre erste Sorge auf die Erhaltung und Vervollkommung unsers Daseyns gerichtet seyn; so glaube ich bisher, dies den Trieben des Menschen eingeräumt zu sehn, nicht aber der Vernunft, die wohl über die Rechtmäßigkeit der, zu unsrer Erhaltung angewendeten Mittel entscheidet, von Wünschen und Neigungen aber an sich weit entfernt ist.«[213]

Dem stimme ich gern bey, daß die Vernunft von Wünschen und Neigungen weit entfernt ist. Sie, für sich allein, würde uns also auch nie zum Handeln, sondern nur zum Raisonniren bestimmen. Zum Handeln aber führt uns unser Thätigkeitstrieb, reizen uns unsre Neigungen, und das Geschäfte der Vernunft ist, diese zu ordnen und zu sichern Zwecken zu leiten. Nur sichre Zwecke kann die Vernunft als gute Zwecke anerkennen, und es kömmt also darauf an, ob die Erhaltung und Vervollkommung unsers Daseyns, zu welcher uns unsre Neigungen hinlenken, ein guter und sichrer Zweck, und nachher ob es wahr sey, was ich behauptet habe, daß die Mittel, diesen Zweck zu befördern, zugleich die Motive zu allen moralischen Handlungen in sich fassen? Hierauf werde ich in der Folge noch zurückkommen müssen.

»Bald darauf werden Vorsätze mit Pflichten verbunden, da doch die ersten auch[214] böse seyn können, welches bey den leztern nicht Statt findet.«

Böse Vorsätze sind die Resultate einer irrigen, gute Vorsätze die einer richtigen Vernunft. Wer seine Pflicht erfüllt, handelt nach guten Vorsätzen, das heißt: er befolgt die Vorschriften einer richtigen Vernunft, oder einer solchen Vernunft, die den richtigen Zusammenhang der Dinge wahrnimmt. Solche Vorsätze habe ich dann bey jener Stelle in Gedanken gehabt.

»Ueberhaupt wünschte ich hier eine Erklärung von dem Worte Pflicht zu finden, weil dadurch alles Misverständniß hätte gehoben werden müssen. Eben dies wäre auch bey dem Worte Vernunft nöthig. Zwar wird von ihr hie und da gesagt, daß sie den Zweck und Nutzen der Handlungen beurtheilt, von der Erfahrung und von den Verhältnissen abhängt u.d. gl. m. allein eine einzige Erklärung, was man[215] unter ihr versteht, würde doch dienlicher seyn, um sich fest daran zu halten, wenn man untersuchen soll, ob die darüber vorgebrachte Meinung gerechtfertigt werden könne, oder nicht. So lange dies nicht geschehn ist, verstehe ich unter Vernunft: das Vermögen, uns allgemeine Gesetze vorzuschreiben, denn darein setze ich ihren praktischen Gebrauch.«


Diese Definition darf ich nicht gelten lassen, wie man hören wird, denn ich leugne die Gültigkeit allgemeiner, von allen Rücksichten auf Verhältnisse, Zwecke und Folgen unabhängiger Gesetze.


»Eben so halte ich Pflicht für die Nothwendigkeit, aus Achtung für's Gesetz zu handeln. Mit diesen beyden Begriffen stoße ich nun überall gegen diese Abhandlung. Sind sie unrecht; so wünsche ich bessere, aber nun finde ich an deren Stelle[216] gar keine gesetzt, welches die Untersuchung nothwendig ins Weite spielt.«

Freylich hätte ich wohl diese Begriffe deutlicher und bestimmter entwickeln, oder vielmehr in Definitionen zusammenfassen sollen; denn offenbar beruht darinn die Verschiedenheit unsrer Meinungen. Ich will dies also hier nachholen, bitte aber hierbey und in andern Fällen, zu bedenken, daß wenn ich mir erlaube, zu sagen: das ist also! dies nicht wie eine mir angemaßte Entscheidung anzusehn sey, sondern daß ich mich nur, der Kürze wegen, enthalte, jedesmal die Worte: meiner Meinung nach, hinzuzufügen.

Die Vernunft ist das Vermögen, den Zusammenhang der Dinge wahrzunehmen, also auch den Zusammenhang zwischen Ursache und Würkung, zwischen Bestreben, Mittel und Zweck. Die praktische Vernunft nun, welche uns Vorschriften zur Direction[217] unsrer Handlungen giebt, zieht diese Vorschriften aus der Wahrnehmung des Zusammenhangs zwischen unserm Bestreben, unsrer Neigung, unserm Triebe zu handeln und dem Zwecke, den wir dadurch erreichen können, mit Rücksicht auf die Mittel, welche dahin führen. Die richtige, wohl geordnete, reife Vernunft aber schreibt nur gute und würksame Mittel zur Erreichung guter, bestimmter, sichrer Zwecke vor. Die praktische Vernunft, in so fern wir sie als Leiterinn unsrer moralischen Handlungen betrachten, ist daher: das Vermögen, unsre Neigungen (Triebe, Wünsche, Bestrebungen) zu bestimmten, richtigen Zwecken zu lenken.


Um nun hier keine Zweydeutigkeit übrig zu lassen und meine Begriffe gehörig zu entwickeln, muß ich die Reihe der Erklärungen von einem andern Ende anfangen.

[218] Recht handelt der, welcher seine Pflichten erfüllt.

Pflicht ist die Nothwendigkeit, einer reifen Vernunft zu folgen.

Diese Vernunft lehrt uns, die Triebe zum Handeln und überhaupt unsre Neigungen auf bestimmte, sichre Zwecke zu leiten.

Es fragt sich also: welche Zwecke von dieser Art seyen? Bestimmt und sicher ist, dünkt mich, ein Zweck, wenn er auf keine Weise zweydeutig ist, wenn er in sich selbst keinen Widerspruch enthält, sondern möglich zu erreichen und nicht etwa von der Art ist, daß man ihn für keinen lezten Zweck ansehn kann, sondern bey ihm noch einen entfernten, höhern Zweck, wohin er führt, nothwendig annehmen muß. Nun können aber von allen denkbaren menschlichen Zwecken keinem so sehr alle diese Eigenschaften zugeschrieben werden, wie dem: die Harmonie der ganzen[219] Welt mit befördern zu helfen, welches von uns nicht kräftiger geschehn kann, als durch die Ausübung der Moral. Folglich ist die Beförderung der Moralität ein bestimmter, sichrer Zweck, zu welchem eine reife Vernunft den menschlichen Thätigkeitstrieb hinleiten muß; und wer recht handeln und seine Pflicht erfüllen will, muß die Nothwendigkeit einsehn, dem Moralgesetze zu folgen. Freylich ist jedem lebendigen Wesen der Trieb eingepflanzt, vor allen Dingen, an Beförderung seiner eignen Glückseligkeit zu arbeiten. Obgleich nun dieser Trieb so allgemein und dringend ist; so würden wir, mit Vernunft begabte Wesen, ihn doch zu unterdrücken suchen müssen, wenn er sich nicht von der Vernunft auf jenen Hauptzweck, (auf die Beförderung des allgemeinen Wohls, durch die Beobachtung der sittlichen Vorschriften) hinleiten ließe. Dies kann aber nicht nur geschehn;[220] sondern es ist vielmehr leicht zu beweisen, daß unsre wahre, dauerhafte, sichre Glückseligkeit auf gar keine andre Art befördert werden könne. Es ist daher vollkommen einerley, ob ich die Beförderung des allgemeinen Wohls, oder die meiner eignen Glückseligkeit mir zum Grundgesetze mache, weil bey beyden die Moral die nothwendige Bedingung, das einzige sichre Mittel zum Zwecke, ist. Natürlicher aber scheint es, von der Beförderung meiner eignen Glückseligkeit auszugehn, weil das Interesse dazu jedem Menschen am nächsten liegt, folglich der Antrieb größer ist, diesen Zweck zu erreichen, wobey dann die Erfüllung der Pflichten gegen Andre zur nothwendigen Bedingung wird. Da nun auf diese Weise das Moralprincip aus einem Grunde hergeleitet wird, den jedermann nicht nur anerkennen muß, sondern wozu ihn sogar die stärkste aller seiner natürlichen Neigungen ohne Unterlaß hintreibt;[221] so ist es schwer einzusehn, warum wir nach andern Bewegungsgründen forschen sollten, als nach diesen, die die kräftigsten sind und zugleich in der sinnlichen und geistigen Natur des Menschen beruhen. Auch ist nicht einzusehn, wie man den Trieb, seine eigne Glückseligkeit zu befördern, einen unreinen Bewegungsgrund zur Tugend nennen könne. Unlauter in seiner Entstehung kann er nicht seyn, weil er vom Schöpfer selbst allen lebendigen Creaturen eingepflanzt ist; unlauter können die Mittel nicht seyn, durch welche er erreicht wird, da die einzigen würksamsten Mittel gerade die sittlichsten sind; unlauter endlich ist dieser Trieb in seinen Würkungen nicht, weil er uns dahin leitet, zur Harmonie des Ganzen thätig mitzuwürken.

»Bey §. 6. wäre diese Erklärung, was Vernunft sey, besonders nothwendig, da ihr zu folgen für das, von der Natur uns[222] eingepflanzte Gesetz gehalten wird. Würde nun dies Folgen der Vernunft in dem von mir angeführten Sinne gebraucht; so wüßte ich nicht, wer gegen Satz und die darauf beruhende Abhandlung mit Grunde etwas einwenden könnte.«

Hierüber habe ich mich so eben erklärt.

»Allein bald darauf wird von Veränderung der Motive bey neuen Erfahrungen und Verhältnissen geredet, und alsdann kann ich mit meiner Definition nicht auskommen, denn die fordert die beständige Ausübung eben desselben Gesetzes, die Anerkennung seiner Würde und die Anwendung ihrer Vorschrift auf jeden vorkommenden Fall. Sie weiß von keinem neuen, bey neuen Erfahrungen und Verhältnissen entstandenen Gesetze, sondern glaubt, daß man dem alten noch nicht Genüge geleistet habe.«

Da dieser Gegenstand in den Anmerkungen zu dem §. 8. ausführlicher entwickelt[223] werden wird; so verspare ich, was ich darüber hier sagen könnte, bis dahin.

»Im §. 7. wird der Unterschied der Vernunft von den Trieben darein gesetzt, daß die erstere nicht ohne Zweck handele. Dies kömmt mir nicht so vor, weil ich mir keinen Trieb ohne irgend einen Zweck gedenken kann. Tiefer muß daher dieser Unterschied liegen und da weiß ich von keinem andern, als dem, daß der Trieb eine Sache will, ohne nach dem Rechte oder Unrechte derselben zu fragen, daß die Vernunft aber beständig auf die Untersuchung und Ausübung des Rechts dringt.«

Als ich jene Stelle hinschrieb, war ich zweifelhaft, welches Beywort ich dem Worte Zweck hinzufügen sollte, um meine Gedanken genau auszudrücken – bestimmter – letzter – entfernter – sichrer Zweck? – Vielleicht würde das einzige Wort End zweck alles erschöpfen. Bey den[224] Trieben nämlich liegt freylich mehrentheils ein naher Zweck zum Grunde; aber dieser Zweck kann nicht als der letzte angesehn werden; es bleibt noch immer ein warum dabey zu fragen übrig; seine Erreichung kann Folgen haben, die auf einen, nicht wünschenswerthen, fernern Zweck leiten. Das Werk der Vernunft hingegen ist es, vermöge der Urtheilskraft, Ueberlegungen anzustellen, zu welchem letzten Zwecke die Befriedigung eines Triebes, durch Erreichung der Mittel-Zwecke, (wenn ich mich dieses Ausdrucks bedienen darf,) hinführen werde, und ob dieser dadurch würklich erreicht werden könne, ob er folglich durch die Vernunft gerechtfertigt, das heißt mit andern Worten, gut und recht sey? Der Trieb z.B. dies oder jenes zu genießen, hat freylich den Genuß zum Zwecke; allein nun fragt sich's: warum will ich dies genießen? Da untersucht dann die Vernunft: ob dies geschehe,[225] um mein Leben zu fristen, oder um mir ein augenblickliches Vergnügen zu verschaffen? ob ich diesen Zweck auch würklich dadurch erlangen werde? ob dieser Zweck einen höhern, letztern Endzweck (die Beförderung der Harmonie des Ganzen, des allgemeinen Wohls, ohne welche mein Glück nur scheinbar ist) nicht etwa zerstöhre? und darnach bestimmt sie die Rechtmäßigkeit, oder Verwerflichkeit des Genusses.

»Eben so wird der Vorzug der Vernunft darinn gesetzt, daß sie auf die Folgen achtet, weil kein vernünftiges Wesen nichts unternehmen kann, das nicht zu etwas nützt. Dies kann man nun freylich den Trieben nicht beilegen; allein wenn man Vernunft und Urtheilskraft unterscheidet; so kömmt das Achten auf die Folgen nicht der erstern, sondern der letztern zu. Die Vernunft hat den Vorzug, daß sie uns nicht nur urtheilen lehrt, sondern[226] durch Vorhalten ihres Gesetzes unsere Bildung zu guten Menschen befördert.«

Ich habe es erklärt, warum ich glaube, daß die Vernunft uns nicht eher Gesetze für unsre Handlungen vorschreibe, als bis sie, vermöge der Urtheilskraft, untersucht hat, zu welchen Final-Zwecken diese Handlungen führen werden.

»Nun wird §. 8. den Begriffen von Tugend und Pflicht es abgesprochen, daß sie ewige unwandelbare Wahrheiten sind.«

Nein, nimmermehr! Die Begriffe von Tugend und Pflicht, in abstracto sind gewiß ewig und unwandelbar; das heißt: es ist eine ewige und unwandelbare Wahrheit, daß vernünftige Wesen nach bestimmten Gesetzen handeln müssen, und für uns Menschen heissen diese Gesetze Tugend-Gebothe. Allein die Gesetze selbst können nicht unwandelbar seyn, weil die vernünftigen Wesen nicht[227] Alle in einerley Verhältnissen stehen, und daher nicht jede Vorschrift auf jede Lage passen kann. Hier muß ich also einen Vereinigungspunct suchen, eine Form, in welche alle Vorschriften passen müssen, und diese finde ich in dem Nutzen, den die Befolgung einer Vorschrift in den Verhältnissen stiftet, in welchen ich lebe.

»So urtheilte doch Haller in der Strophe nicht:


Freund! die Tugend ist kein leerer Name;

Aus dem Herzen keimt des Edlen Saame

Und ein Gott ist, der der Berge Spitzen

Röthet mit Blitzen.«


Obgleich ich in andern Fällen wohl eine kleine Einwendung dagegen zu machen wagen würde, daß man einen Dichter als Gewährsmann[228] für philosophische Sätze anführte; so kann doch dies bey dem philosophischen Dichter Haller keineswegs der Fall seyn. Allein was enthält denn nun diese Strophe, das gegen meine Grundsätze zeugen könnte? Ein leerer Name ist gewiß Dem die Tugend nicht, der sie für das höchste Resultat der Vernunft, für das einzige sichre Mittel zu Beförderung seiner wahren Glückseligkeit hält. In dem Herzen liegt der Keim des Wohlwollens, das uns zu der Erfüllung geselliger Pflichten, zum Guten treibt; und wenn dieser Trieb von der Vernunft geordnet und gelenkt wird; so ist alles, wie es seyn soll. Ja! dieser Keim zum Guten liegt eben so gewiß im Herzen, als diesem Herzen die Ahnung von dem Daseyn Gottes, der der Berge Spitzen röthet, eingeprägt ist. Beyde Gefühle aber, die moralischen und die religiösen, bedürfen der Leitung[229] der Vernunft, um uns auf den rechten Weg der Glückseligkeit zu führen.

»Auch mein Gewissen sträubt sich dagegen, weil der Unterschied der That mir gar zu sehr einleuchtet, wenn ich weiß, daß ich darum sie gethan habe, weil es recht ist, und wenn ich nur meinen Vortheil dabey suchte.«

Freylich, wenn dabey auf den letzten Zweck, auf die Harmonie und Wohlfahrt des Ganzen, keine Rücksicht genommen wird.

»Nichts ist mir mehr zuwider und entehrt mich in den Augen Andrer mehr, als wenn Andre mich bloß als Werkzeug zur Erreichung ihrer Absichten gebrauchen, sich aber nicht darum bekümmern, was ich dabey empfinde oder leide. Eben so sehr schäme ich mich auch, wenn ich irgend Jemand bloß als Mittel und nicht zugleich als Zweck behandelt habe.«[230]

Richtig! ich meine auch nichts gesagt zu haben, das einen solchen Egoismus begünstigen könnte. Wenn wir bey Beförderung fremder Glückseligkeit auf unsre eigene Rücksicht nehmen; so geschieht das, indem diese einen Theil der allgemeinen Glückseligkeit ausmacht, die der Final-Zweck seyn muß. Denn wenn es sich denken ließe, daß Jeder sich selbst unglücklich machte, indem er die Wohlfahrt des Ganzen zu befördern suchte; so würden sie ja Alle, die das Ganze ausmachen, unglücklich seyn, und folglich das Gegentheil von dem bewürken, was Jeder zu erreichen trachtete. Wir sind sämmtlich Theile des Ganzen; die Summe des individuellen Wohlseyns aller dieser Theile macht die Glückseligkeit des Ganzen aus. Soll nun jedes Individuum gar nicht für sein Wohl, sondern nur für Andre sorgen; so heißt das mit andern Worten, daß wir gar keine Pflichten gegen uns selbst zu beobachten[231] haben. Also hätte der Schöpfer jedes Wesen nur dazu geschaffen, um für andre Wesen zu sorgen? Mit dem lebhaftesten Gefühle unsrer Identität und Personalität begabt, dürften wir uns doch nur als Werkzeug für Andre ansehn? Das scheint doch wohl um so mehr gegen die Ordnung der Natur zu streiten, da derselbe Zweck, die Bewürkung der Vollkommenheit des Ganzen, eben so vollständig erreicht werden kann, wenn der, jeder lebendigen Creatur eingepflanzte Trieb zur Selbsterhaltung, auf die gehörige Art zur gemeinschaftlichen Harmonie angewendet wird.

»Eine und dieselbe Handlung soll unter andern Umständen gut, gleichgültig, oder strafbar seyn? Nimmermehr! so lange es dabey auf eine und dieselbe Regel unsers Verhaltens ankömmt. Diese muß immer entweder gut oder böse seyn, und ist nie gleichgültig. Hat man aber den Handlungen[232] andre Motive untergeschoben; so muß sich auch die Natur der erstern verändern.«

Nichts kömmt mir einleuchtender vor, als daß der Werth und die Rechtmäßigkeit einer Handlung durch die Umstände, unter denen sie vollführt wird, durch die Verhältnisse des Handelnden, durch die davon zu erwartenden Folgen, durch die darauf verwendete Anstrengung und durch unzähliche andre Umstände bestimmt werden und wer das nicht eingestehn will, der muß zugleich leugnen, daß es Stuffen in der Tugend gebe. Er muß behaupten, daß es gleichgültig sey, ob ich eine Pflicht ausübe, wodurch Tausende glücklich und froh werden, oder eine solche, wovon die Folgen ganz unbedeutend sind; ob die Handlung Kampf und Ueberwindung kostet, oder ohne große Mühe ausgeführt wird; ob ich, indem ich etwas Gutes thue, etwas Nützlichers,[233] das ich unterdessen würken könnte, versäume (denn der Nutzen, den ich durch die Handlung stifte, soll ihr ja keinen Werth geben.) Einige Beyspiele werden, denke ich, zeigen, wohin das führen müßte. Wahrheit zu lehren, Wahrheit zu sagen, ist ein positives moralisches Gesetz. Ist es aber auch Pflicht, Wahrheiten unvorsichtig zu verbreiten, wovon ich weiß, daß sie grade unter gewissen Umständen, in diesem Zeitalter, in diesem Lande, mehr Verwirrung als Nutzen stiften würden? Schwerlich! Und warum nicht? weil ich bey allen meinen Handlungen auf die sicher zu erwartenden Folgen Betracht nehmen soll. Unwahrheit sagen ist immer unrecht. Allein ist dies Unrecht gleich groß, ob ich damit die zeitliche Glückseligkeit eines Menschen zerstöhre, oder einen Mann vom Tode errette, oder aus Bescheidenheit und um dem Danke auszuweichen, eine edle That, die ich vollbracht[234] habe, ableugne, oder ein unbedeutendes Märchen von meiner Erfindung erzähle? Ich soll anvertraute Geheimnisse verschweigen; muß diese Verschwiegenheit sich auch auf mitgetheilte gefährliche Plane erstrecken? Es ist Pflicht, Wohlthätigkeit auszuüben; ist es nun einerley, ob ich durch meine Wohlthaten das unterdrückte, wahre Verdienst ermuntre, oder den Müßiggang und die Verschwendung begünstige? Hier erwarte ich, daß man antworten wird: »Ja! das heißt auch nicht wohlthätig seyn.« Was bestimmt denn also den Begriff der Wohlthätigkeit? Was anders, als die würklich nützlichen Folgen, welche sich davon erwarten lassen? Es ist Pflicht, meinem Mitmenschen, den ich in Gefahr sehe, das Leben zu retten, wenn ich die Mittel dazu in Händen habe; darf ich also auch einen, seiner Verbrechen wegen, zum Tode Verurtheilten, aus dem Gefängnisse erlösen? Ist die Handlung[235] von gleich großem Werthe, ob ich ein nützliches Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft aus dem Wasser ziehe, oder einen Taugenichts? Ist die Pflicht, mein Leben zur Rettung Andrer in Gefahr zu setzen, eben so groß, ob ich ein einzelner Mann bin, oder ob ich durch meinen Tod, dem ich entgegengehe, einer zahlreichen Familie, deren Versorger ich bin, ihre Stütze raube? Hat der von Natur Unerschrockne, der Starke, der an Gefahr Gewöhnte, eben so viel Verdienst von einer tapfern Vertheidigung seines Vaterlandes, als der, welcher bey solcher Gelegenheit seine natürliche Furchtsamkeit überwindet und eine ausserordentliche Anstrengung zeigt? Nüchternheit ist eine Tugend; wenn mir nun aber mein Arzt etwa, um eine wohlthätige Revolution in meinem Körper zu bewürken, verordnete, mich einmal zu berauschen; wäre dann die Befolgung dieser Vorschrift auch unerlaubt?[236] Mord ist ein großes Verbrechen; ist Mord aus Nothwehr, unvorsetzlicher Mord, Mord in einem Kriege, zu welchem mich mein Landes-Fürst hinschickt, Mord in Aufwallung des Zorns, Mord den der Scharfrichter verüben muß, Mord aus überlegter Rache – Sind alle diese von gleicher Art?

Was bestimmt denn nun aber in allen diesen gegebenen Fällen den Unterschied im moralischen Werthe und Unwerthe der Handlungen? Freylich bey manchen offenbar die Absicht des Handelnden? Allein in wie viel unzählichen Fällen bleibt nicht diese dem, der nicht in das Herz sehn kann, verborgen? Bey wie viel andern Fällen treten noch andre Rücksichten, als diese ein! Wo finde ich also einen allgemeinern Maßstab für die Moralität einer Handlung, als in dem Einflusse derselben auf das Wohl der menschlichen Gesellschaft? Und woher entsteht der von jedermann anerkannte Unterschied unter[237] höhern und weniger wichtigen Pflichten? Der, welcher alle Pflichten aus unwandelbaren Gesetzen herleitet, hat in Collisionsfällen keinen sichern Grund, der einen vor der andern den Vorzug zu geben. Wer hingegen bey seinen Handlungen den auf das Ganze bezweckten Nutzen vor Augen hat, wird nur da über die Wahl zweifelhaft bleiben, wo die menschliche Kurzsichtigkeit der Vernunft Grenzen setzt. Noch einmal also! Man muß entweder für jeden einzelnen Fall ein allgemeines Gesetz annehmen und das ist ja ein Widerspruch, oder man bedarf eines Haupt-Grundsatzes, nach welchem sich alle Handlungen prüfen lassen und da finde ich keinen bessern, richtigern und allgemeinern, als den: Habe immer den lezten Zweck vor Augen, den du durch deine Handlungen erreichen kannst und willst; prüfe wohl, in wie fern dieser Zweck mit dem allgemeinen Wohl in Harmonie zu bringen[238] sey und bediene dich nur solcher Mittel, durch welche andre, eben so gute Zwecke nicht gestöhrt werden!

»Was sollen das aber für erhabene Begriffe von gewissen Pflichten seyn, die das eine verständige Wesen hat, das andre aber nicht?«

Ich denke, das ist leicht zu beantworten. Es giebt Völker auf der Erde, bey denen gewisse Vorschriften, Gesetze, Gebräuche, Einrichtungen u.d. gl., welche zum Theil in dem Clima, in der Regierungsform, in den verschiedenen Religions-Begriffen und in andern Umständen ihren Grund haben, für heilig und unverletzlich gehalten werden. Diese Einrichtungen gehören dann bey solchen Völkern zu derjenigen geselligen Ordnung, welche zu befördern und zu erhalten moralische Pflicht wird, indeß ein anderes Volk von diesen Pflichten gar nichts weiß. Wo zum Beyspiel die Vielweiberey eingeführt ist,[239] und das weibliche Geschlecht in einer Art von Sclaverey lebt, da sind alle sittliche Vorschriften, welche in Europa das Ehebündniß und überhaupt das Verhalten gegen das andre Geschlecht zum Gegenstande haben, nicht anwendbar. Wo man nichts von Fürsten weiß, da fallen alle Pflichten gegen diesen abgesonderten Stand weg.


»Es ist ja nach dem Vorhergehenden keine Tugend und keine Pflicht.«


Da sich in meiner ganzen Abhandlung, wenn man meinen Worten nicht eine unrichtige Deutung giebt, auch nicht ein Schatten von einer solchen Behauptung findet; so enthalte ich mich, hierauf zu antworten. Denn das heißt doch wohl nicht das Daseyn eines Dinges leugnen, wenn man den Grund dieses Daseyns nicht gerade da zu entdecken glaubt, wo ein Andrer denselben sucht.[240]

»Für die, welche sie als ewige unwandelbare Wahrheit annehmen, beruht ihre Erhabenheit bloß auf den reinen und von allem Eigennutz entfernten Grundsätzen.«

Daß das Bestreben seine wahre Glückseligkeit zu befördern, die mit dem allgemeinen Wohl verkettet ist, nicht mit dem verwerflichen Eigennutze in dieselbe Classe zu setzen sey, das glaube ich deutlich genug entwickelt zu haben.

»Was dem Einen Pflicht scheint, soll der Andre für ein Verbrechen halten. Wäre doch hier die Pflicht erklärt; so würde alles deutlich seyn. Nur das weiß ich, daß die Achtung für das allgemeine Gesetz kein Verbrechen ist.«

Mit Beziehung auf das hierüber schon vorhin Gesagte, führe ich hier nur die Verschiedenheit der bürgerlichen Verfassungen zum Beyspiele an. Was in einem republikanischen Staate für hohe Tugend gelten muß,[241] kann vielleicht unter einer monarchischen Regierung für sehr frevelhaft angesehn werden und eine, durch Schiffbruch auf eine wüste Insel verschlagene Gesellschaft würde doch wohl nach andern Grundsätzen handeln müssen, als die Gemeinen der Bürger in einer Residenz. Man glaube nicht, diesen Satz dadurch widerlegen zu können, daß man behauptet: es gäbe denn doch gewisse allgemeine Gesetze, die auf alle diese verschiedenen Fälle anwendbar seyn müßten. Das ist es eben, was ich leugne. Sollen diese für allgemein ausgegebnen Gesetze sich nach den speciellen bürgerlichen Einrichtungen richten und wenn sie, wie es oft geschehn kann, diesen widersprechen, ihnen weichen; so sind sie nicht allgemein, oder es ist wenigstens sehr zwecklos, ein Moral-Gesetz anzunehmen, wovon man immer Ausnahmen machen muß, und der, welcher sich gern um die Tugend wegschleichen will, wird Vorwand[242] genug zu solchen Ausnahmen finden. Soll aber der Mensch, welcher sittlich gut handeln will, verbunden seyn, sich allein an die reinen moralischen Vorschriften zu halten; so muß man jedem Einzelnen das Recht geben, die Befehle der Obrigkeit nicht nur zu prüfen, (denn das müßte ihm wohl freylich erlaubt seyn) sondern sie auch zu übertreten, wenn sie nicht mit seinen allgemeinen Gesetzen übereinstimmen. Zu welchen Misbräuchen und Verwirrungen alsdann dies hinleiten würde, das erfordert wohl keine weitere Ausführung. Mich dünkt also, man bedürfte eines Haupt-Grundsatzes, der auf alle Fälle anwendbar, theoretisch und practisch untadelhaft, zugleich der Natur des Menschen angemessen und endlich von keiner Seite dem Misbrauche unterworfen wäre, und diesen finde ich in der Vorschrift: alles nach bester Einsicht beyzutragen, was zu dem Zwecke führt, die Harmonie des[243] Ganzen, die allgemeine Glückseligkeit, zu befördern, die in der Summe der möglichst zu bewürkenden Wohlfahrt aller Einzelnen besteht, und dazu die sichersten Mittel zu wählen.

»Das von der Mäßigkeit entlehnte Exempel beweiset nichts, weil die Verschiedenheit des Maßes bey an sich erlaubten und zu unserm Unterhalte nothwendigen Dingen, nicht auf das Unerlaubte und Verbothene paßt.«

Ich halte doch das Beyspiel für passend. Wenn es keine gleichgültige Handlungen giebt; so muß auch der sinnliche Genuß gewissen Gesetzen unterworfen seyn. Diese nennt man Gesetze der Mäßigkeit. Woher sollen nun diese Gesetze genommen werden? Darf ich nicht mehr geniessen, als grade zu Erhaltung meiner Existenz nothwendig ist, oder ist auch einiges Vergnügen im Genusse zu suchen erlaubt, in so fern das[244] Maaß nicht überschritten wird? Kann dies Maaß bey allen Menschen und unter allen Umständen, in Zeiten der Theurung und Noth, so wie in den Tagen des Ueberflusses, dasselbe seyn? Alle diese und viel andre Fragen können nur mit Rücksicht auf die Würkungen und auf die zu erwartenden Folgen des Genusses beantwortet werden und darnach allein bestimmt sich der Begriff des Erlaubten und Verbothenen in demselben. Ließe sich der Fall denken, daß man durch Uebermaaß des Genusses gesunder an Leibe, stärker an Geiste, wohlwollender, geneigter und fähiger seinen Nebenmenschen und dem gemeinen Wesen zu dienen, reicher, heiterer, kurz! glücklicher würde, Statt daß das Gegentheil wahr ist; so würde Uebermaaß des Genusses Pflicht werden, wie er jetzt Verbrechen ist. Dieselbe Bewandniß hat es mit allen sittlichen Vorschriften. Sie sind nur dann und nur[245] darum Gesetze, wenn und weil sie die allgemeine Glückseligkeit befördern.

»Der Canon, so viel zu nehmen und zu genießen, als Appetit und Vermögen verstatten, hat doch viel Aehnlichkeit mit dem: Ede, bibe, lude! Post mortem nulla voluptas. Dieser aber ist doch himmelweit von der Vorschrift entfernt: naturae, seu rationi conuenienter viuere.«

Sollte man aus diesem Einwurfe nicht schließen, ich hätte jenen abscheulichen Canon empfohlen, da ich doch nur behaupte, der, welcher gar nichts von den schädlichen Wirkungen der Unmäßigkeit wüßte, würde auch keine Veranlassung haben, sich Gesetze der Mäßigkeit vorzuschreiben? und das scheint mir so wahr, daß ich gern zugeben kann, ein Solcher würde nach dem Spruche Ede bibe etc. handeln. Rohe, wilde, nicht in wohl geordneten Gesellschaften lebende Menschen sieht man auch diesen Grundsatz oft[246] genug practisch ausüben. Und was macht diesen Spruch so verwerflich? Was anders, als seine letzte Hälfte, weil darinn ein Genuß empfohlen wird, bey welchem man nicht auf die entferntern Folgen Rücksicht nimmt?

»Darauf wird die Heiligkeit des Eigenthums geleugnet.«

Wo? wer hat das gethan? Ich gewiß nicht; ich habe nur behauptet, daß Menschen, die keinen Begriff von Eigenthum hätten, (unter denen z.B. eine Gemeinschaft der Güter Statt fände) auch von gar keinen Gesetzen und Pflichten, welche die Heiligkeit des Eigenthums zum Gegenstande hätten, etwas wissen würden. Dies lehrt uns ja die Erfahrung. Wir haben in den europäischen Ländern das Eigenthumsrecht auf Gegenstände ausgedehnt, die von weniger cultivirten Völkern wie res nullius, oder wie gemeine Güter betrachtet werden. Bey unsern vervielfältigten Verhältnissen ist eine[247] solche Einrichtung, zu Erhaltung der Ordnung (des einzigen Zwecks und Gegenstandes aller Gesetze und Pflichten) nothwendig. Der Wilde fühlt diese Nothwendigkeit nicht; und dennoch kann er eben so strenge Begriffe von moralischen Gesetzen (nämlich von solchen, die er dafür erkennt) haben, wie wir. Daher kömmt es denn, daß wir auf den Inseln der Südsee Menschen, die übrigens wahrlich Sinn für die feinsten geselligen Pflichten zeigten, dennoch ohne Scheu allerley entwenden sahen, wovon sie vielleicht gar nicht ahneten, daß es für Europäer Werth haben, oder einen Gegenstand des Eigenthums ausmachen könnte. Man denke ferner an die Verträge der Völker über das Recht der Schiffahrt! – Beruht etwa das Eigenthumsrecht über den Ocean auch auf unwandelbaren Gesetzen?

»Es wird ferner die Verbindlichkeit einer jeden Pflicht aufgehoben, dem gemäß,[248] daß Tugend und Pflicht keine ewige, unwandelbare Wahrheiten seyen. Von den Folgen, die aus dieser Lehre fliessen, darf ich wohl schweigen.«


Ich meine, doch nun wohl deutlich genug gezeigt zu haben, daß ich diesen verwerflichen Satz weder behaupten wollen, noch behaupten können, noch behauptet habe.


»Nun wird §. 9. gerühmt, daß die angebohrnen und reinen Begriffe der Tugend widerlegt sind. Widerlegt? Ich dächte: befestigt; denn zum Leugnen derselben nichts vorzubringen, das heißt, sie bestättigen und gestehn, daß gegen sie nichts einzuwenden sey. Ich will also davon abstehn, und nur bemerken, daß die allgemeinen Vernunftgesetze nicht angebohren im eigentlichen Sinne des Worts zu nennen sind, nachdem Locke bewiesen hat, daß uns keine Begriffe angebohren werden.«[249]

Zu Widerlegung der Behauptung: daß die unwandelbaren moralischen Gesetze dem Menschen von der Natur eingepflanzt und aus ihr allein abzuleiten seyen und daß Verhältnisse, Umstände und die zu erwartende Würkung auf den Zweck, eigne und fremde Glückseligkeit zu befördern, gar nicht bey Bestimmung der sittlichen Pflichten in Betracht kommen dürfen, glaube ich doch Gründe angeführt zu haben. Die Beurtheilung des Gewichts dieser Gründe, muß ich einsichtsvollen, unbefangenen Lesern überlassen. Ob man die von der Natur uns eingepflanzten Begriffe angebohrne nennen will, oder nicht; das ist zu meinem jetzigen Zwecke gleichgültig.

»In dem §. 10. wird die Behauptung, daß höhern Wesen Tugend zukomme, für kindisch erklärt, weil wir ihre Verhältnisse nicht kennen. Aber ist es auch kindisch, wenn man die Tugend nicht auf Verhältnisse,[250] sondern auf Verbindlichkeit zum allgemeinen Gesetze gründet und sie in ein Bestreben, demselben nachzukommen, setzt? Da dies Bestreben bey dem Begriffe der Heiligkeit wegfällt; so wird freylich das Wort Tugend der Gottheit nicht beygefügt.«

Ich muß oft wiederholen, was ich schon gesagt habe, um nicht in den Verdacht zu kommen, als weiche ich der Beantwortung manches Einwurfs geflissentlich aus; dies ist auch hier der Fall. Alles in der Natur ist zweckmäßig zur Ordnung und Harmonie geschaffen. Dies setzt bestimmte Gesetze voraus; die ganze geschaffene Natur ist also bestimmten Gesetzen unterworfen. Wir sehen, wie leblos scheinende Gegenstände nach mechanischen Regeln in Bewegung gesetzt werden; durch welche Kraft? das ist uns verborgen. Die thierische lebendige Natur wird durch körperliche Reize, Triebe, Instinkte[251] in Bewegung gesetzt. Wie? das verstehen wir nur zum Theil. Unter diesen lebendigen Wesen aber ist das edelste, erhabenste, welches wir kennen, der Mensch, mit der Vernunft begabt, welche ihm die Gesetze vorschreibt, nach denen er handeln, das heißt: seine ihn zur Thätigkeit lenkenden Triebe richten soll, um zur allgemeinen Ordnung und Harmonie mitzuwürken. Höher hinauf kennen wir die Wesen nicht, welche das Ganze der unermeßlichen Schöpfung mit ausmachen, kennen ihren Würkungskreis nicht, wissen nicht, ob wir das, wovon sie regiert werden, nach menschlicher Weise, Vernunft nennen sollen, und können daher auch nichts von den Gesetzen sagen, nach denen sie handeln müssen. Uns ist die Vernunft als Leiterinn unsrer Triebe gegeben. Der stärkste unter allen Trieben und den jedes lebendige Wesen dringend empfindet, ist der, seine Existenz zu erhalten und sich angenehm[252] zu machen. Stände dieser allgemeine Trieb mit dem Hauptplane, mit der Beförderung der Harmonie des Ganzen, im Widerspruche; so wäre das ein Schöpfungswerk ohne Ordnung. Es lehrt uns aber unsre Vernunft die Mittel, durch welche unser Trieb, wahrhaftig glücklich zu seyn, sich nicht nur mit der Befriedigung desselben Triebes in Andern sehr wohl vereinigen läßt, sondern zeigt uns auch, daß das Eine ohne das Andre, und daß die Harmonie des Ganzen ohne Beydes gar nicht bestehn kann. Die Regeln unsers Verhaltens nun zur Direction dieses natürlichen und reinen Triebes, nennen wir moralische Vorschriften, deren besondre Bestimmung von den verschiedenen Verhältnissen, in welchen wir leben, abhängig ist. Behaupten zu wollen, daß alle diese einzelnen Vorschriften für einzelne Fälle, zugleich auf alle Verhältnisse passen, daß sie auch da ewige Wahrheiten seyn sollen, wo[253] diese Verhältnisse gar nicht existiren, ja! daß sie auch solchen Wesen zu Gesetzen dienen müssen, deren Würkungskreis wir gar nicht kennen – das ist es, was mir als kindisch und von eingeschränkten Begriffen zeugend vorgekommen ist und was ich also genannt habe.

»Nach §. 11. soll es ausgemacht seyn, daß moralisch gut handeln seine Glückseligkeit befördern heisse. Diese Deduction ist mir noch nicht vorgekommen.«

Wie? lese ich recht? der Satz: daß man durch Ausübung der Moral seine Wohlfahrt befördre, und daß folglich moralische Vollkommenheit den höchsten Grad von Glückseligkeit gewähre – dieser Satz ist meinem Herrn Gegner noch nicht vorgekommen? Wahrlich! wenn der Satz falsch ist; so dürfen wir es dem Menschen, dessen ganzes Wesen nach Glückseligkeit strebt, wohl nicht übelnehmen, wenn die Tugend,[254] die ihn elend macht, wenig Reiz für ihn hat, und die reine Vernunft, welche ihm dazu die Gesetze vorschreibt, ist kein beneidenswerthes Geschenk.

»Vielleicht aber sollen die angeführten drey oder vier Triebfedern unsrer moralisch guten Handlungen dies erst erweisen.«

Ich habe, um zu zeigen, wie man seine Handlungen auf den Zweck tugendhaft und glücklich zu seyn, hinleiten könne, zuerst bemerklich machen wollen, welche Bewegungsgründe überhaupt uns zum Handeln, zur Würksamkeit, antreiben. Hierinn finde ich in der That nichts, was so ganz wie leeres Geschwätz zu behandeln wäre.

»Diese Triebfedern sind: 1) Das Gefühl, das uns unwillkührlich zu gewissen Handlungen hinführt. Allem gewisse Handlungen sind noch nicht moralisch gute.«

Und wer behauptet denn das? Es ist hier nur theils überhaupt von dem Thätigkeitstriebe[255] die Rede, ohne welchen wir gar nicht handeln würden, theils von Gefühlen des Wohlwollens und der Theilnahme, die auch moralisch gute Handlungen erzeugen können; allein gleich nachher ist ja deutlich gesagt, daß diese Triebe und Gefühle, wenn sie Werth haben sollen, erst von der Vernunft geleitet und berichtigt werden müssen.

»2) Die Vernunft, die dies Gefühl auf bestimmte Zwecke leitet und seinen Verhältnissen (was denn?) anpaßt. Sind die Zwecke nicht an sich gut und recht; so hilft es nicht, daß sie bestimmt genannt werden; und läge in den Verhältnissen irgend ein Unrecht; so dürfte man sich denselben nicht anpassen.« (sich anpassen? das habe ich ja nicht gesagt, sondern seinen Trieb zur Thätigkeit auf die Verhältnisse passend anwenden.) »Eine Vernunft, die nichts anders als dieses beydes versteht, führt[256] noch nicht zu moralisch guten Handlungen.«

Wie die reife Vernunft hierbey verfahren müsse, habe ich oben gezeigt.

»3) Die Uebereinkunft oder Convenienz. Da es offenbar ist, daß Menschen oft zu Lastern sich vereinbaren; so ist die Verabredung, die sie unter einander treffen, nicht für sich eine Triebfeder moralisch guter Handlungen.«

Wer sieht nicht, daß meine Absicht ist, hier bemerklich zu machen, daß es auch Bewegungsgründe zu Handlungen gebe, die bloß auf der Uebereinkunft der Menschen beruhen, und die dann nur deswegen zu moralischen Gesetzen werden, weil dadurch die bürgerliche Ordnung befördert wird. Ein Mann, der diese Gesetze deswegen überträte, weil seine reine, auf keine Verhältnisse achtende Vernunft, ihm dieselben nicht vorschriebe, würde ein schlechter Bürger[257] seyn, und zu einem moralisch guten Menschen gehört, so viel ich es einsehe, auch, daß er ein guter Bürger sey.

»4) Der Wille der Gottheit wird es nur dann, wenn das Vernunftgeboth für den Willen Gottes erklärt und kein willkührliches, unerforschliches Gesetz dafür ausgegeben wird.«

Es ist hier von der Verschiedenheit solcher sittlichen Vorschriften die Rede, die bloß auf Religions- Meinungen, auf Glauben an Offenbarungen beruhen, der nicht bey allen Völkern derselbe ist. Meine Ueberzeugung davon ist nicht die Ueberzeugung eines Andern. Ein Jude, zum Beyspiel, den ich für einen moralisch guten Menschen halten soll, muß sein Cäremonial-Gesetz beobachten, dessen Vorschriften mich nichts angehn.

»Das Geständniß, daß die drey ersten Triebfedern (denn auf die letztere wird hier[258] nicht viel gerechnet) uns einzeln oft misleiten und nur vereint richtig führen, zeigt doch gewiß ihre Untauglichkeit an; denn bey Gründen sieht man nicht auf die Menge, sondern auf ihre Richtigkeit, und was einzeln zur Moralität unbrauchbar ist (unbrauchbar?) kann es nicht durch die Vereinigung mit einem andern eben so fehlerhaften (fehlerhaften?) werden.«

Nach dieser Logik ist jedes einzelne Bein zum Stehen unnütz, weil man zweyer Beine bedarf, um fest zu stehn.

»Wo bleibt aber dann der Ruhm, daß man Gründe der Sittlichkeit aufstellen wolle, die viel einfacher und bündiger sind, als unsre Achtung für das moralische Gesetz? Alle andre Gründe taugen ja nichts. Dies wird hier selbst zugegeben?«

Wenn man behauptet, daß die natürlichen Gefühle, die uns zu guten Handlungen bewegen, durch die Vernunft ihre Berichtigung[259] erhalten, durch die bürgerlichen Einrichtungen modificirt, und durch die Religion sanctionirt werden, heißt das behaupten, daß Gefühle des Wohlwollens, daß Vernunft, Convenienzen und Religion nichts werth seyen?

»Was mag das für eine Vernunft seyn, die uns egoistisch und unmoralisch handeln lehrt? Die praktische, die uns Achtung gegen das Gesetz gebiethet und uns also vor dem Egoism, der Frucht unsrer auf Glückseligkeit losarbeitenden Triebe, allein schützt, kann sich doch solche Schande und Laster nicht nachsagen lassen. Welche Vernunft befiehlt uns zu calculiren? Gewiß auch nicht die praktische, die, ohne irgend einen Calcul vorzunehmen, das Gesetz in aller seiner Reinigkeit aufstellt.«

Die Vernunft, welche gar nicht calculirt, gar nicht berechnet, und bey Bestimmung ihrer Gesetze den Antrieb zum Handeln[260] gegen den zu erreichenden Zweck mit Hinsicht auf die anzuwendenden Mittel und auf die Umstände, nicht abwiegt – ist keine Vernunft. Sie würde aber in unzähligen Fällen unentschlossen bleiben, wenn nicht der weise Schöpfer zugleich in die Natur des Menschen den Trieb zur Thätigkeit und das Gefühl des Wohlwollens gelegt hätte, wodurch manche Handlung zum Besten des Ganzen zur Ausführung kömmt, die zwar der Vernunft nicht widersprechen darf, wenn sie moralisch gut seyn soll, aber doch nicht bestimmt von ihr vorgeschrieben wird.

»Wird hingegen alles Vernünfteln mit Recht als ungeschickt angesehn, eine gute Gesinnung in uns hervorzubringen; so ist doch billig zu fragen, ob es nicht auf gleiche Art Vernünfteley sey, wenn man dem Moralgesetze seine Festigkeit und Gewißheit darum absprechen will, weil Menschen verschieden denken und das Gesetz nicht auf[261] jedes Verhältniß anpassen. Das Gesetz redet vom Sollen und wer es wegklügeln will, spricht von dem, was geschieht. Ich halte es doch lieber mit dem Gehorsam, als mit dem Raisonniren.«

Eine Vernunft, die nicht raisonnirt, ist ein Unding. Die Vorschriften, die sie giebt, können nur Resultate ihres Raisonnements seyn. Sie weiß von keinen Gesetzen, als von solchen, die auf richtiges Raisonnement beruhen und verlangt keinen Gehorsam, als gegen Gesetze von dieser Art.

»Wozu der §. 12. hier dienen soll, sehe ich nicht ein. Das Christenthum beweiset nicht, daß man, um moralisch gut zu handeln, seine eigne Glückseligkeit suchen müsse,« (wohl aber umgekehrt, daß man, um glücklich zu werden, moralisch gut handeln müsse und das ist per inversionem logicam einerley, da eines die Bedingung des andern[262] ausmacht,) »sondern empfiehlt das allgemeine Gesetz als uns nahe, in unserm Herzen und in unserm Munde. Wollte Christus von der Religion zur Moral übergehn; so mußte er Liebe zu Gott zum höchsten Gebote machen, und ihm war dies hinlänglich, wenn er diese Liebe in die Verehrung Gottes mit unserm Geiste, oder in Nachahmung des höchsten Wesens und in Befolgung seiner Gebote sezte. Für ihn ist Menschenliebe eben so verbindlich, als Gottesliebe, und der Maaßstab für unser moralisch gutes Verhalten gegen Andre ist die Selbstliebe, nicht daß die Sorge für uns empfohlen werden könnte und sollte, sondern daß wir immer fragen sollen, ob wir so viel für Andre, als für uns selbst thun.«

Empfohlen braucht wohl ein Gefühl nicht zu werden, das der Schöpfer aller Creatur als das erste und dringendste in die[263] Natur gelegt hat; es aber zum Maaßstabe unsrer moralischen Pflichten gegen Andre machen, das heißt doch wohl nicht, es aus der Zahl der Bewegungsgründe zu sittlichen Handlungen wegweisen.

»Wird §. 13. die Selbstliebe als natürlich und dringend vorgestellt; (einfach kann ein so zusammengesetzter Trieb nicht heissen) so kann und muß sie doch einem höhern Gesetze unterworfen seyn, ohne es sich anzumaßen, daß sie die Regeln unsers Verhaltens uns vorschreiben dürfe. Dies und nicht das Gegentheil findet eine gesunde, reine Vernunft angemessen. Wenn hernach von der Glückseligkeit behauptet wird, daß sie erst durch die genaueste Beobachtung aller moralischen Pflichten erlangt wird; so wird dadurch die Selbstliebe von der Hervorbringung der Glückseligkeit ausgeschlossen, es wäre denn, daß Selbstliebe einerley mit der genauesten Beobachtung aller[264] seiner Pflichten seyn könnte. Macht aber Selbstliebe an sich schon glücklich; was braucht es dann der Vernunft, um erst an ihrer Hand nach guten Bewegungsgründen zu handeln, und die Ordnung und Harmonie des Ganzen zu befördern? Ich kann hier nichts als Dunkelheiten, wo nicht Widersprüche, entdecken.«

Ich gestehe, daß ich vielmehr in diesen Einwürfen Dunkelheit finde. Einfach ist nun wohl gewiß der Trieb der Selbstliebe, der uns bewegt, für die Fortdauer und Annehmlichkeit unsers Daseyns zu sorgen. Er ist vielleicht der einfachste von allen Trieben, da er sich schon in dem Kinde offenbart, das zum erstenmal die Brust der Mutter sucht und sich gegen den Zwang der Windeln sträubt. Einem höhern Gesetze ist die Selbstliebe unterworfen, nämlich dem Gesetze der Vernunft, die uns lehrt, in wie fern sich die Selbstliebe mit dem Eifer für das Wohl des[265] Ganzen in Harmonie bringen läßt. Selbstliebe treibt uns an, unsre eigne Glückseligkeit zu befördern; dies kann am sichersten und dauerhaftesten durch Ausübung der moralischen Pflichten geschehn. Die Vernunft giebt, nach den Umständen, die Vorschriften dazu – So hängt alles sehr ordentlich zusammen.

»Im §. 14. wird der Schade, den die Selbstliebe anrichtet, eingeräumt, und, als Mittel zur Verhütung desselben, Schonung, Nachgiebigkeit und Aufopferung angegeben. Die Befolgung selbstsüchtiger Neigungen wird also bloß durch Anwendung des allgemeinen Gesetzes der Schonung etc. abgewandt – die beste Ehrenrettung, welche das Moralgesetz erhalten kann!«

Ich fürchte, einige Worte zur Erläuterung werden einen Theil dieses Triumphs wegnehmen. Wohlgeordnete Selbstliebe[266] richtet nie Schaden an. Sie sucht wahre, dauerhafte Glückseligkeit, die nie ohne Erfüllung der Pflichten gegen Andre, ohne Schonung und Aufopferung, erlangt werden kann. Dies ist deutlich und bestimmt im angeführten §. 14. gesagt.

»Nach §. 15. soll die Sorgfalt oder Sorge für unser Leben u.s.f. in Collisionsfälen allen andern vorgehn.«

Daß dies geschehn solle, ist gar nicht gesagt. Es steht nur da, daß, wenn wir immer bloß die calculirende Vernunft zu Rathe zögen, wir in den mehresten Fällen das uns näher liegende eigne Interesse dem zu bewürkenden entferntern Wohl des Ganzen vorziehn würden.

»Nein! dafür ehre ich Juvenals Worte:


Summum crede nefas, animam praeferre pudori

Et propter vitam viuendi perdere causas.«
[267]

Abermals eine Stelle aus einem Dichter – Doch, es sey! Diese Stelle enthält eine große Wahrheit. Sie sagt: es sey schändlich, über die Sorgfalt für das Leben, den Zweck des Lebens aus den Augen zu setzen. (Und dieser ist kein andrer als der: zum Wohl des Ganzen mitzuwürken) Sehr wahr! das Leben selbst ist nichts werth, wenn es thatenlos und unnütz verträumt wird.

»Der Mann schätzte die Bildung des Herzens zur Tugend und den Beruf zur Pflicht, so wie es sich gebührte« – Gewiß!

»Für Scherz sehe ich die Sorge für die Wohlfarth der Mondbürger an und für die Harmonie der Sphären. Die gesunde Vernunft läßt uns nicht so überschwenglich denken, und bindet uns für's Erste an die Erde, wo wir Pflichten genug ausüben können.«[268]

Deswegen ist es denn auch sehr vernünftig, die Nothwendigkeit der Bewegungsgründe zur Pflicht-Erfüllung aus den irdischen Verhältnissen selbst und aus der Natur des sinnlichen Menschen herzuleiten. Nicht viel weiser als die Sorgfalt für die Harmonie der Sphären, scheint mir indessen die Anstrengung einiger neuern Philosophen, die der ganzen Welt eine andre Richtung zu geben hoffen, indeß sie oft ihr eignes Hauswesen nicht zu regieren verstehen; die alle engere Bande, welche uns an unser eignes Wohl, an Familie und Vaterland fesseln, für klein und verächtlich erklären, immer nur für das Ganze würken wollen, und nicht bedenken, daß das Universum nur darum Interesse für uns hat, weil wir durch diese engeren Bande daran gefesselt sind. Auch lehrt uns die Erfahrung (besonders bey Revolutionen) daß diejenigen sehr schlechte Cosmopoliten zu seyn pflegen, die[269] weder Weib, noch Kind, noch Obdach haben, und daß die sich wenig um die Ordnung bekümmern, die bey der Unordnung nichts verliehren können.

»Eben so wenig kann ich den vier folgenden Schlüssen beypflichten:«

»Erster Schluß: wenn nach dem nähern oder entferntern Einflusse ein Gegenstand uns mehr oder weniger interessirt; so wird in gleichen Verhältnissen unsre Vernunft dadurch mehr oder weniger zu moralischen Handlungen bestimmt. Allein das Interesse an irgend einer Sache wird durch unsre Empfindungen und die dadurch hervorgebrachten Triebe bewirkt, ist aber nicht ein Werk der practischen Vernunft, die nur das Recht gebeut und die moralische Handlung darnach bestimmt. Es kann daher die größere und geschwindere Thätigkeit unserer Vernunft sich nicht nach dem stärkern oder schwächern Eindrucke[270] richten, den die äußern Dinge auf unsre Sinne machen, sondern sie läßt sich bloß durch Einsicht in das, was wahr und recht ist, bewegen.«


Ihr, die Ihr das menschliche Herz kennt, saget, ob sich natürliche Empfindungen wegphilosophiren lassen und ob die Vernunft ein Mehreres vermag, als diese Empfindungen zu guten, nützlichen Zwecken zu lenken!


»Zweiter Schluß: Je einleuchtender die Folgen, der Zweck und die Nützlichkeit einer Handlung, desto dringender die Bewegungsgründe der Vernunft, sie zu unternehmen. Dies alles vermehrt bloß den Trieb oder die Neigung, etwas zu thun, oder zu unterlassen. Die Vernunft richtet sich hingegen nur nach Rechtmäßigkeit und Unrechtmäßigkeit in allen ihren Forderungen oder Verbothen.«[271]

Ich habe es erklärt, welche Begriffe ich mit den Wörtern: Vernunft, Pflicht, recht, nützlich und Zweck verbinde und dadurch diesen Einwurf beantwortet.

»Dritter Schluß: Eine Handlung ist desto verdienstlicher, je nützlicher sie in ihren Folgen für das Ganze ist. Zum Theil wahr; aber doch nicht ganz« (also wird es hier doch endlich eingeräumt, daß die Hinsicht auf die Folgen nicht gänzlich zu vernachlässigen sey) »weil wir beym Verdienstlichen nicht bloß auf das Gemeinnüzige, sondern auch auf die Reinigkeit der Triebfeder, auf die Entfernung des eignen Vortheils bey unsrer Bestimmung zu der That achten.«

Ich erkenne keine Triebfeder für vernünftig, ächt und rein, als die: Gutes zu thun, um so viel möglich der menschlichen Gesellschaft, deren Mitglied ich bin, nützlich zu werden.

[272] »Vierter Schluß: Eine Handlung, wobey gar keine Folge, gar kein Nutzen vorauszusehn ist, hat gar keinen moralischen Werth. Gern kann man zugeben, daß kein vernünftiges Wesen ohne Ursache und Absicht handelt. Aber der moralische Werth der That beruht doch allein auf der Lauterkeit und Vortreflichkeit des dabey gebrauchten Princips.«

Sollte es nicht ein Widerspruch seyn, zu behaupten, daß ein vernünftiges Wesen nie ohne Absicht handle, doch aber durch ein Princip bestimmt werden müsse, wobey es auf keine Absicht, sondern bloß auf das Princip selbst Rücksicht nehmen dürfe? In der Absicht muß, denke ich, das Princip liegen.

»Nach §. 16. sind es bloß unsre Gefühle, die uns unwillkührlich zum Wohlwollen gegen andre Wesen treiben und die edlen, großen und nützlichen Handlungen hervorbringen,[273] an deren Bewürkung die Vernunft keinen Antheil hat. Hierinn finde ich beinahe einen wüthenden Haß« (????) »gegen die Vernunft, die uns doch nicht Leides, sondern lauter Gutes thut. Dafür aber kenne ich auch keine egoistische, unmoralisch handelnde und calculirende Vernunft, sondern bloß die practische, die höchste Gotteskraft in uns, das edelste und erhabenste Vermögen, das uns immerdar das Gesetz in seiner Heiligkeit und Vollkommenheit vorhält. Gern schätze ich die menschlichen Gefühle und die Triebe des Wohlwollens, die uns aber doch als Gefühle und Triebe nur blindlings leiten und daher nothwendig irreführen müssen, wenn sie uns dem practischen Gesetze entziehn wollen. Ich werde den Trieb nie rühmen, wenn er uns zu solchen Handlungen treibt, wovon wir unsrer Vernunft keine Rechenschaft geben können. Diese Handlungen[274] müssen entweder gesetzwidrig oder nicht aus Pflicht entsprungen seyn, ohne das würden wir gern das Vernunftgesetz damit vergleichen.«

»Den so hochgepriesenen Gefühlen geschieht meiner Meinung nach Recht, wenn hernach den, durch sie verrichteten Handlungen (moralisch kann ich sie nicht nennen) die Beförderung der eignen Glückseligkeit zum versteckten Motive gegeben wird. Das heißt, diese Gefühle und Triebe sind an sich blind, und lassen sich daher desto leichter durch Klügeley und falsche Vorspieglung täuschen. Sie möchten so gerne gemeinnützig scheinen, aber im Grunde sind sie das, was die Würkung der Selbstliebe seyn muß, eigennützig und selbstsüchtig.«

»Wenn nun ferner Aufopferung des eigenen Nutzens und Vergnügens bloß für Enthusiasmus erklärt wird, der nie (????)[275] von einer nüchternen, reinen Vernunft hergeleitet werden kann« (Wo steht das geschrieben? es ist ja nur von einzelnen Fällen die Rede.) »und dessen Thaten in die Reihe moralischer Handlungen nicht gesetzt werden dürfen; so glaube ich hier eine Satyre auf die zu lesen, welche das einzige Moralprincip nebst den großen und herrlichen Thaten und Lehren der Griechen und Römer, so wie auch das Leben und den Unterricht des Heilandes« (????) »angreifen wollen, und dabey ganz übersehen, daß Tugend nicht ohne Aufopferung des eigenen Nutzens und Vergnügens gedacht werden kann.«

»Ich übergehe das, was von religiösen Bewegungsgründen gesagt ist, weil davon schon vorher und hernach in der Folge mehreres vorkömmt.«

Es sey mir erlaubt, zu bemerken, daß ich in diesen Einwürfen wohl ein wenig[276] mehr lebhafte Declamation, als ruhige Aufstellung von Gründen finde. Was von diesen darinn liegt, wird sich, denke ich, kurz beantworten lassen. Es ist die Eigenschaft der Vernunft, zu raisonniren und zu rathen, nicht zu handeln. Zur Würksamkeit werden wir durch Triebe und Neigungen geführt. Daß diese von der Vernunft regiert und auf den rechten Weg geleitet werden müssen, das ist ja meinen eignen Grundsätzen und Aeusserungen gemäß, und kann mir daher nicht entgegengestellt werden. Zugleich habe ich nicht nur gezeigt, daß Aufopferungen Pflicht sind, sondern auch, daß wir, ohne sie, uns keine dauerhafte Glückseligkeit zusichern können. Daß aber manche sehr edle, große Handlungen (nirgends habe ich dies von allen behauptet) und Aufopferungen bloß unsern guten Trieben und Neigungen beyzumessen und nicht aus dem Gesetze, das die Vernunft vorschreibt, herzuleiten sind, das[277] läßt sich wohl behaupten, ohne dadurch einen wüthenden Haß gegen die Vernunft zu verrathen. Ich sehe ein flüchtiges Pferd, im Begriffe mit seinem Reuter in einen Abgrund zu stürzen. Ich selbst stehe an diesem Abgrunde, und es ist höchst wahrscheinlich, daß, wenn ich es versuchen will, das flüchtige Roß mitten im Laufe aufzuhalten, es mich zugleich mit hinabziehn wird. Allein der Trieb einer theilnehmenden Menschenliebe setzt mich in den Enthusiasmus, das unmöglich Scheinende zu wagen und die drohende Gefahr zu vergessen. Ich greife zu, und glücklicherweise gelingt es mir, das Pferd beym Zügel aufzuhalten. Nun habe ich eine edle That vollbracht; ich habe einem Menschen das Leben gerettet; aber meine Vernunft würde mich zu einer so kühnen, verwegenen Handlung nie bestimmen. Ob die reine, practische Vernunft der neuern Philosophen ein unbedingtes Gesetz anerkenne,[278] das uns gebiethet, ein Leben, von dessen Verwendung wir Gott und der Welt Rechenschaft schuldig sind, auf ein so ungleiches, unsichres Spiel zu setzen, das muß ich unentschieden lassen. Indessen sind sehr viel große Thaten der griechischen und römischen Helden von dieser Art gewesen. Allein wie könnte wohl die Lehre des Heylandes hierher gehören? Für die heiligsten practischen, von der reinsten Vernunft anerkannten Wahrheiten, zu leben und zu sterben; das ist nicht das Werk eines Enthusiasmus, den Neigungen und Triebe erzeugen.

»Im §. 17. wird die überlegende Vernunft beschuldigt, daß sie uns bewegt, das entferntere Wohl des Ganzen dem nähern Privat-Vortheile aufzuopfern, besonders wenn man die That unbemerkt und ungestraft vollbringen könnte. Die Spitzbübinn, die Vernunft! die falsche Lehrerinn, Räthinn, Gesetzgeberinn! Wer mag mit[279] der listigen Feindinn unsrer Tugend etwas zu schaffen haben? Kann sie nichts anders, als zu Gunst unsrer Neigungen und zur Befriedigung unsrer Selbstliebe vernünfteln; so mag der raffinirende Bösewicht sich unter ihre Fahne begeben. Er ist glücklich, eine Anführerinn nach Wunsch zu erhalten.«

Wer sich die Mühe geben will, den §. 17. noch einmal aufmerksam zu lesen, wird nicht verlangen, daß ich hier noch etwas zur Erläuterung beyfüge.

»So ungerecht die Anklage der Vernunft war, so unzulänglich scheint mir die Ablehnung derselben. Zuerst soll ein einziger Theil keinen Vortheil haben können, wenn das Ganze darunter leidet. Wäre hier vom Sollen und Dürfen die Rede; so verstünde ich dies; aber widersprechend finde ich es nicht, daß Einer von dem Raube der durch ihn zu Grunde gerichteten lebe.«[280]

Von einzelnen Vortheilen ist nicht die Rede. Bisher haben alle Moralisten geglaubt, daß man ohne Tugend nicht dauerhaft glücklich seyn könne. Daß man durch Verbrechen sich vorübergehenden Genuß zu verschaffen vermöge, daran zweifelt niemand.

»Zweytens soll die Dankbarkeit ihn zur Wahrnehmung des gemeinen Vortheils bewegen. Allein wenn er nichts von Pflicht überhaupt weiß, und aus Achtung gegen dieselbe zu handeln sich nicht entschließen kann; so läßt sich die Erkenntlichkeit gegen empfangene Wohlthaten, eben so gut wie Tugend und Pflicht, wegvernünfteln.«

Was mir Tugend und Pflicht ist, das läßt sich nicht wegvernünfteln, denn es beruht nicht auf einem willkührlich angenommenen Gesetze, das nicht Jeder anerkennt, nicht auf Vorstellungen und Empfindungen, die nicht bey allen Menschen dieselben sind und die man verleugnen kann, sondern auf[281] unleugbarer Darstellung der erweislichen, auf die Glückseligkeit der Individuen zurückwürkenden Folgen, jeder guten und schlechten Handlung.

»Nach §. 18. werden wir Trotz unserer Vernunft unmoralisch handeln, wenn wir für Dankbarkeit, Furcht vor bürgerlichen Strafen und für religiöse Gefühle keinen Sinn haben. Was heißt hier: Trotz der Vernunft? Will es sagen, ihre Macht reiche nicht zu, wenn die angeführten Triebe und Gefühle es nicht ausrichten; so erbarme sich der Himmel unsrer Tugend! Denn von den Empfindungen und Neigungen ist es hinlänglich erwiesen, daß sie zum öftern unmoralische Handlungen hervorbringen. Der Mensch darf also nie hoffen, sich zu bessern, richtige Grundsätze bey sich aufzunehmen und nie gut zu werden, sich bestreben.«[282]

Welch' eine Art zu schliessen! Der verständliche Sinn meiner Worte ist der: Wenn die, von dem liebreichen Schöpfer zu wohlthätigen Zwecken in unsre Natur gelegten Triebe von der Vernunft gehörig geleitet werden; so bewürken sie die edelsten moralischen Handlungen; allein und ohne diese Hülfe hingegen, führen sie leicht auf Irrwege, und es gelingt ihnen oft auch, selbst die Vernunft zu verblenden, wenn Furcht vor bürgerlicher Strafe und religiöse Gefühle nicht noch hinzukommen. Dies beweiset die Nothwendigkeit, keinen von den Bewegungsgründen, die zum Guten führen können, zu vernachlässigen, nicht mit philosophischem Stolze allein auf unsre Vernunft zu pochen, die nicht selten selbst eines sinnlichen Antriebes bedarf, um zur Würksamkeit gebracht zu wer den, noch mit Sicherheit auf die Zulänglichkeit unsrer Temperaments-Tugenden zu rechnen. Zugleich beweiset es[283] die Unvollkommenheit unsrer Ausbildung in dieser Welt – ein Satz, worüber bis jetzt alle Theologen und Moralisten einig gewesen sind.

»Eine Kleinigkeit dagegen ist es zwar, wenn Nothwehr, eine erlaubte Sache, mit den strafbaren Verbrechen der Nothlüge und des Diebstahls aus drückendem Hunger in Eine Classe gesetzt wird; aber ich mag sie doch nicht unbemerkt lassen.«

Nothwehr, (Nothmord) Nothlüge und Nothdiebstahl, sind Abweichungen von moralischen Gesetzen, zu welchen uns die Sorgfalt für uns selbst und für Personen, die uns werth sind, verleiten kann. In wie fern die eine oder die andre dieser Abweichungen sträflicher oder verzeihlicher seyn kann, das hängt von den Umständen ab und läßt sich nicht sogleich durch einen allgemeinen Machtspruch abthun.[284]

»Im §. 19. wird der Vorzug der von der Nützlichkeit hergenommenen Motive vor dem reinen Moralprincip durch folgende Sätze angegeben:«

»1) Menschen, die das reine Moralprincip annehmen, können eben so unvollkommen und unmoralisch handeln, als die, welche der Glückseligkeitslehre folgen. Die Erstern handeln also oft inconsequent und bleiben ihren Grundsätzen nicht immer treu, wie das leider! häufig der Fall im gemeinen Leben ist. Die aber, welche bloß der Nützlichkeit Gehör geben, handeln consequent, wenn sie unsittliche Handlungen begehen; (???) weil für sie Tugend und Pflicht bloße Namen, (???) wenigstens nicht auf die Achtung für's Gesetz gegründet sind.«

Ey! unsittliche Handlungen können nie wahrhaftig nützliche Handlungen seyn und wer Tugend und Pflicht für die einzigen[285] Mittel ansieht, um seine und andrer Menschen Glückseligkeit zu befördern, dem sind Tugend und Pflicht gewiß keine leere Ramen, sondern auf ein sehr bestimmtes Gesetz gegründet.

»2) Die Aechtheit der reinen moralischen Begriffe wird uns von demjenigen gradezu abgestritten werden, dessen sich weder Gewissenhaftigkeit, noch Achtung für die bürgerlichen Gesetze, noch religiöse Empfindungen bemeistern. Dies ist sehr recht geurtheilt, weil das reine Moralprincip mit dem Gewissen des Menschen steht und fällt. Auch wird der Verächter aller bürgerlichen Ordnung, ehe es mit ihm dahin kam, alle Achtung für das Vernunftgesetz aufgegeben haben. Und in Ansehung der religiösen Empfindungen denke ich mit Lichtwehr:

Der scheuet keine Götter, der keines Menschen schont.«[286]

»3) Man hat kein Mittel, einen solchen Skeptiker zu überzeugen. Nun! wenn das Moralprincip so lange Gültigkeit hat, als Menschen noch Gewissen und Religion besitzen; so hat es mit demselben wahrlich keine Noth.«

»Ob ein solcher Zweifler weniger Einwendungen gegen die Glückseligkeitsmotive machen werde, rührt mich nicht. Auch freue ich mich nicht über seinen Triumpf, wenn er sie alle wie Seifenblasen wegscheucht, denn wer die ersten Gründe der Sittlichkeit leugnet, muß das Recht haben, uns alles abzustreiten.«

»Zuletzt wird das System, das Achtung für die Pflicht empfiehlt« (Als wenn mein System, oder vielmehr das System so vieler klügerer und besserer Menschen, als ich bin, in allen Jahrhunderten, keine Achtung für Pflichten empföhle!) »ein speculatives Grundgebäude genannt, und von[287] demselben die alte Klage wiederholt, daß es von der Verschiedenheit der Vorstellungen eines Jeden abhängt und daher veränderlich ist. Von dem Letztern ist vorhin gesagt. Aber speculativ, wo nicht gar ein leeres Luftgebäude, kann ich das Gesetz nicht nennen hören, welches aus dem guten Herzen« (man möchte hier eine bestimmtere Erklärung des Wortes Herz vermissen; Neigungen und Triebe dürfen doch wohl hier nicht verstanden werden, da alles aus der reinen Vernunft geschöpft werden soll.) »des Menschen hergenommen ist und so lange sein Bestehn hat, als Vernunft, Gewissen und Freyheit uns einen Vorzug vor dem Thiere gewähren.«

Ich wollte mich hier wohl kurz fassen, wenn ich könnte, denn ich eile zum Schlusse und mir scheinen diese Einwürfe nicht schwer zu beantworten. Wenn ich ein festes, allgemeines Grundgesetz der Moral aufzustellen[288] mich rühmen will; so denke ich, dies Gesetz muß von der Art seyn, daß es nicht nur auf meiner besondern Ueberzeugung und meinen innern Empfindungen beruhe, die nicht immer die richtigsten sind, sondern daß ich auch im Stande sey, mein System jedem Zweifler durch solche Gründe zu beweisen, die er nur dann ableugnen kann, wenn er geradezu aller Vernunft Hohn biethet, mit welchem Menschen wohl überhaupt nichts anzufangen ist. Kann ich mein System noch außerdem an das Interesse eines Jeden knüpfen, und Bewegungsgründe aus seiner Natur selbst entlehnen; so ist es gewiß überzeugend, kräftig und gut. Nun kömmt es darauf an, ob das hochgepriesene Moral-System der neuern Philosophen von der Art sey. Ich will nichts von dem Wunder sagen, das es erst vollbringen müßte, von dem Wunder, die Menschen zu überzeugen, daß dasjenige in der Welt einen Jeden am wenigsten angienge,[289] was ihn selbst beträfe; es ist nur die Frage, wie man die Unumstößlichkeit dieses Systems beweisen soll? Die Herrn sagen: dies ist unwandelbar recht, dies unrecht; man fragt: warum? woher wißt Ihr das? Darauf haben sie nur zweyerley Antwort; entweder: es muß darum so seyn, weil wir moralische Wesen sind; oder: mein Gewissen, meine innere Ueberzeugung lehrt mich diese Wahrheiten. Im ersten Falle ist der Cirkel sehr sichtbar; man beweiset nämlich die Nothwendigkeit dessen, wodurch wir moralische Wesen werden, daraus, daß wir moralische Wesen sind. Im andern Falle fällt die Gültigkeit des Beweises weg, sobald der Gegner erklärt, daß seine Ueberzeugung, (die ihm eben so viel geltend scheint) nicht die Ueberzeugung des Systemaufstellers sey. Dies nun tritt bey meinem Systeme nicht ein. Niemand soll da etwas anders glauben und annehmen, als die unleugbare,[290] leicht zu beweisende Wahrheit, daß nur die strengste Beobachtung der moralischen, geselligen Pflichten, modificirt nach den verschiednen menschlichen Verhältnissen, Ordnung und Harmonie in der Welt zu erhalten vermag, von welchen doch die sichre, dauerhafte Glückseligkeit jedes Individuums abhängt. Und so muß es dann Jedem klar werden, daß er allein in der Moral das finden kann, was, von der Wiege an, der Weise wie der Thor, der Enthaltsame wie der Wollüstling, der Demüthige wie der Hochmüthige, der Faule wie der Thätige, gesucht und, wenn er es nicht gefunden, nur seinen bisherigen Mangel an Einsicht in sein wahres Interesse anzuklagen hat. Es wird da nichts willkührlich angenommen. Hier ist die Vernunft keine despotische Gesetzgeberinn, die, ohne Gründe anzugeben, immer vom Sollen und Müssen redet, sondern eine wohlthätige Freundinn[291] die mich zu meiner eignen Glückseligkeit leitet.

»Was §. 20. von dem theoretischen Nutzen des Moralprincips gesagt wird, gewährt ihm, meiner Empfindung nach, einen herrlichen Vorzug; denn was ist schöner und brauchbarer, als ein sichrer Probierstein für alle unsre Handlungen und Bestrebungen? Wird es öfters dazu gebraucht; so wird sich auch sein praktischer Nutzen, trotz alles Leichtsinns, aller Schwachheit, Unlauterkeit und Verkehrtheit der Menschen, immer mehr offenbaren.«

Ich glaubte aber bewiesen zu haben, daß dieser Probierstein der unsicherste von allen, daß er gar kein Probierstein ist. Man lese den §. 20. selbst!

»Nach §. 21. soll es leicht zu beweisen seyn, daß die ausschließliche Befolgung allgemeiner Gesetze im praktischen Leben[292] unendlichen Schaden stiften würde. Schaden soll das stiften, daß man gut zu seyn sich bestrebte?« (Ja! wenn man keinen richtigen Begriff von dem, was würklich gut ist, hat.) »Unendlichen Schaden, daß man rechtschaffen und gemeinnützig lebt,« (Welch' ein Widerspruch! Gemeinnützig soll man leben und doch nicht an den zu stiftenden Nutzen denken?) »und nur aus Achtung für seine Pflicht zu handeln sich bemüht?« (ohne bestimmt angeben zu können, warum man etwas für Pflicht hält.) »Wer hat das je gedacht? Aus wessen Sterblichen Munde ist das je ausgegangen? Und das soll noch dazu leicht zu beweisen seyn? Man höre!« (Hier ist künstlich alles so gestellt, daß es scheinen muß, als hätte ich noch gar nichts bewiesen und als sollte das, was ich nur noch beyläufig anführe, den vollständigen Beweis enthalten, da doch die ganze Abhandlung diesen Zweck erfüllt.)[293]

»1) Was würde aus der würklichen Welt werden, wenn wir bey unsern Handlungen nie den Umständen nachgeben, jene nicht diesen anpassen wollten? Es ist wahr, die Pflicht hat eine Festigkeit, Unbiegsamkeit und Beharrlichkeit, daß die Achtung fürs Gesetz ihr für keinen Preis zu verkaufen ist. Aber diese ihre größte Ehre sollte ihr doch nicht zur Schande zugerechnet werden.« (Diese hochgepriesene Eigenschaften sollen wohl weg, wenn der Grund des Gesetzes worauf die Pflicht beruht, nicht bestimmt angegeben werden kann.) »Sie will ja dabey die Ordnung der Dinge nicht umkehren, die äußern Umstände nicht verändern, sondern nur in der Lage, worinn sie sich befindet, sich unverlezt erhalten,« (ohne auf diese Lage Rücksicht zu nehmen.) »Wenn sie nun fest an den Grundsätzen hält,« (sie mögen zu der Ordnung der Dinge passen, oder nicht,) »die[294] sie für sich hat, und Keinem mit stürmender Gewalt aufdringt; so wird, wie ich denke, die Welt dadurch nicht unter gehn.«

Das verstehe ich nicht. Man soll die Ordnung der Dinge, die Umstände und seine Lage nicht umschaffen wollen und dennoch bey seinen Handlungen auf alle diese Dinge keine Rücksicht nehmen? Das heißt: immer auf der Ebne gehn, da, wo nichts als Berge sind, und dennoch diese Berge weder wegräumen, noch Andre dazu zwingen wollen.

»2) Es soll Tugend und Laster, Weisheit und Thorheit, nicht zu aller Zeit und unter allen Völkern für das, was sie sind, erkannt und oft mit einander verwechselt seyn. Es war von dem unendlichen Schaden die Rede, den das reine Moralprincip anrichtet. Folglich müßte der Schade darein zu setzen seyn, wenn die falschen Vorstellungen, welche die Menschen von[295] Tugend und Laster, von Weisheit und Thorheit, bisher oft gehegt haben, nun durch Aufstellung fester und unleugbarer« (???) »moralischer Grundsätze völlig für Zeit und Ewigkeit vernichtet und zerstöhrt werden.« (O du glückliches achtzehntes Jahrhundert, in welchem dies Wunder verrichtet werden soll!) »Heißt das ein Schade, ein unendlicher Schade; so mag man Gott bitten, daß er ihn bald anrichte, auf der ganzen Erde ausbreite und ihn nie vergehn lasse.«

Nein! man mag Gott bitten, daß er uns bey nüchterner Vernunft erhalte und vor unduldsamem Systemgeiste und dem Egoismus bewahre, der aller Men schen Vorstellungsarten nach dem Maßstabe seiner Eingebungen abmessen will! Er lasse uns immer die Ueberzeugung behalten, daß nichts gut ist, als das Nützliche, und nichts nützlich, als das Gute, und daß bey Beyden[296] auf Zeit und Umstände Rücksicht genommen werden muß! Dann wird sich's auch schon zeigen, daß gewisse Dinge unter allen Umständen gut bleiben, und daß alle Welt sie dafür erkennen muß, weil sie unter allen Umständen nützlich sind.

»3) Der Klugheit wäre es gemäß, und, um eine größere Summe des Guten zu bewürken, des tugendhaften Mannes würdig, gewisse Vorurtheile zu schonen, gewisse kleine Uebel zu dulden, denen man mit aller Kraft widerstehn müßte, wenn man nur nach allgemeinen Grundsätzen handeln dürfte. Die Beobachtung der Pflicht macht also unverträglich.« (Nein! die Beobachtung dessen, was würklich Pflicht ist, macht gewiß nicht unverträglich.) »Und ich muß gestehn, daß man, wenn es sich also mit der Pflicht verhielte, von einem unendlichen Schaden, den das Handeln nach allgemeinen Grundsätzen anrichtet,[297] reden könnte. Allein es ist ja das Gesetz der Liebe, der Schonung und Duldung,« (???) »wofür die Pflicht Achtung bezeugt. Wie kann sie uns denn unverträglich machen? Es sind nicht kleine Uebel, die sie zu ertragen befiehlt, sondern auch große. Sie verlangt von uns, alle unsre Kräfte anzustrengen, unsre Güter und alles, was uns angenehm seyn kann, ja das Leben selbst aufzuopfern, wenn wir den mit uns Verbundenen in Krankheiten beystehn, sie aus einer Gefahr herausreißen und ihnen in der Noth Hülfe leisten können. Welche größere Summe des Guten soll bewürkt werden, die nicht die Pflicht« (als wenn ich keine Pflichten anerkennte!) »bewürkte? Oder wer will es sich anmaßen, Gutes zu stiften, wenn er die Pflicht nicht zu Rathe gezogen, oder aus Pflicht gehandelt hätte? Sonderbar wäre es, demjenigen das Gute abzuleugnen, der[298] es allein thun kann, und es dem beyzumessen, der nicht einen einzigen Funken von guten Gesinnungen« (????) »jemals gezeigt hat. Ich meine den Klugen, der die Pflicht nicht anerkennt« (???) »und blos aus Eigennutz« (??) »und Gewinnsucht« (??) »handelt. Kann der nicht eine einzige gute That verrichten; so wird er es sich noch weniger herausnehmen, eine größere Summe des Guten, als der Pflichtliebende, zu stiften. Wer ist der tugendhafte Mann ohne Pflicht?«

Da diese Apostrophe vermuthlich gegen einen Bösewicht gerichtet ist, der aller Pflicht Hohn spricht, und dem Eigennutze und der Gewinnsucht das Wort redet; so braucht derjenige nicht darauf zu antworten, der die strengste Pflicht-Erfüllung als das einzige Mittel, um glücklich zu seyn und Andre glücklich zu machen, empfiehlt, die Nothwendigkeit der Pflichterfüllung aber aus[299] Grundsätzen herleitet, die selbst jener Bösewicht nicht umwerfen kann.

»Die Tugend, die das allgemeine Gesetz nicht anerkennt, ist doch wohl nur eine elende Grimasse« (Geist der Liebe, der Schonung und Duldung! bitte für uns und alle die, welche, so lange die Welt steht, Moral gelehrt und das Glückseligkeitssystem zum Grunde gelegt haben, bevor der Morgenstern der neuern Philosophie aufgieng!) »Und doch soll sie geschickter als die, das Moralgesetz verehrende Pflicht seyn, nicht nur kleine Uebel zu tragen,« (kleine und große Uebel trägt gewiß derjenige geduldiger, welcher überzeugt ist, daß sie zur Harmonie des Ganzen gehören, als der, welcher keinen andern Grund kennt, als die Machtsprüche: Du sollst; Du mußt.) »sondern auch gewisse Vorurtheile zu schonen, denen man mit aller Kraft widerstehn müßte, wenn man nur nach allgemein gültigen[300] Gesetzen handeln müßte. Das werden wohl allgemein schädliche Vorurtheile seyn, Meinungen die das Sittenverderbniß überall verbreiten, z.B. Wollust ist kein Verbrechen« (???) »und dergleichen schöne Lehren mehr. Soll man denn sich darüber nicht, wenn es gefordert wird, mit Freymüthigkeit erklären?«

Kaum kann ich mich entschließen, nur einmal hierauf zu antworten. Man giebt sich hier die unnütze Mühe, einen Mann zu widerlegen, der keine Pflicht, kein Gesetz anerkennt und dem folglich alle Laster erlaubt scheinen, wenn sie ihm einen angenehmen Genuß, oder Befriedigung seines Eigennutzes verschaffen. Was geht uns dieser an? Ich traue es der Einsicht und dem Herzen meines Herrn Gegners zu, daß er nicht die Absicht haben kann, einen solchen Taugenichts mit dem warmen Tugendfreunde zu verwechseln, der seine Pflichten und seine[301] Gesetze zwar nicht aus derselben Quelle, wie einige neuere Philosophen herleitet, dem aber deswegen Tugend und Wahrheit nicht weniger heilig sind. Was soll also diese Stelle hier? Doch nicht etwa den Gesichtspunkt verrücken? Das würde nicht das günstigste Vorurtheil für ein System erwecken, wenn man, Statt es mit Gründen zu unterstützen, zu solchen Mitteln seine Zuflucht nehmen müßte.

»Der tugendhafte Mann, der kein Gesetz anerkennt,« (contradictio in adiecto) »wird vielleicht auch da, wo es Noth thut, seine Meinung zurückhalten, oder gar den, mit solchen Vorurtheilen Behafteten beypflichten, und ihnen seinen Beyfall zu erkennen geben.« (Nein! das wird nur ein Schurke thun, nicht aber der, welcher Tugend für das einzige Mittel zur Glückseligkeit hält.) »Allein was der Pflichtvergessene« (der so eben, doch vermuthlich nur aus[302] Spott, ein tugendhafter Mann genannt wurde) »thut, kann doch nicht Regel für den seyn, der Achtung für das Gesetz hat.« (und gehört also gar nicht hieher.) »Ihm liegt alles daran, daß er sich bessere, und daß er seine Gesinnungen mit dem Gesetze übereinstimmig mache. So freymüthig er sich auch über allgemeine Verpflichtung zu dem, was recht ist, erklärt; so kennt er doch keine Gewalt, womit er Andern widersteht.« (Hier wird nun auf einmal ein Gegenstand behandelt, von dem gar nicht die Rede war, nämlich die Freymüthigkeit und die Duldung fremder Meinungen.) »Lehren, überzeugen ist seine Sache, aber nicht ungebeten, nicht unberufen. Er weiß Schädliches und Unschädliches zu unterscheiden, kennt die Schwachheiten der Menschen und weiß sie zu ertragen; und wo es Pflicht für ihn ist, der Verkehrtheit Einhalt zu thun, sinnt er darauf, wie er[303] bessern könne, nicht wie er strafen und durch Gewalt Andre zurechtweisen möge. Wie kann denn der Bescheidene,« (??) »der Demüthige,« (??) »der Nachgebende, derjenige, der das ist, was die Pflicht aus ihm machen kann, in irgend einem Stücke schädlich seyn? Wer das ist, was er seyn soll, und das ist der Verehrer des moralischen Gesetzes,« (sind die, welche die Heiligkeit der Tugend aus andern Grundsätzen herleiten, etwa keine Verehrer des moralischen Gesetzes?) »ist der Brauchbarste unter allen Menschenkindern.«


Nur wenig Worte hierüber! Es ist in dem §. 21., wie Jeder einsehn kann, die Frage beantwortet, wie der redliche Mann, mitten in den Verkehrtheiten der menschlichen Einrichtungen und Gesinnungen, dennoch seine Handlungen so einrichten könne, daß das Gute, so viel möglich, befördert und[304] die Harmonie und Wohlfahrt des Ganzen erhalten werde. Dabey ist der Zweifel angebracht, ob der, welcher gar keine Rücksicht auf Verhältnisse und Umstände nehmen darf, diesen Zweck werde erreichen können. Statt diesen bescheidenen Zweifel zu heben, wird hier geradezu entschieden, daß nur der, welcher das neuere Moralprincip annimmt, ein tugendhafter und brauchbarer Mann seyn könne, diejenigen aber, welche von andern Grundsätzen ausgehen, Beförderer aller Laster und Bosheiten seyen – Darauf nun läßt sich nichts erwiedern. Was die Freymüthigkeit betrifft; so wird ein verständiger und redlicher Mann die Grade derselben, nach dem Nutzen abmessen, den er sich davon versprechen darf, und da zu schweigen wissen, wo sicher vorauszusehn ist, daß er nicht gehört, nicht verstanden werden, nichts ausrichten, vielleicht das Uebel ärger machen und die Leute von sich stoßen würde,[305] auf die er vielleicht noch manches andre Gute würken könnte.

»4) Wie würde es um den Krieg, wie um die Politik – zwey unvermeidliche menschliche Uebel – aussehn? Nun das, muß ich sagen, ist ein unverzeihlicher Unfug, den das Moralgesetz anzurichten sich erdreistet, wenn es die unvermeidlichen menschlichen Uebel vermeidlich zu machen sich erkühnt. Es ist ein unendlicher Schaden, wenn die drey-Groten-Männer nicht mehr bey Tausenden erschossen oder niedergesäbelt, und der ruhige Landmann nicht mehr gemishandelt und der Frucht seiner Arbeit beraubt werden; wenn die schönsten Städter und Dörfer nicht mehr in Dampf und Feuer aufgehn, nicht mehr Requisitionen und Plünderungen aller Art Statt finden sollen. Es ist ein unendlicher Schaden, wenn man keine Intriganten, keine Projektmacher, keine Cabalenschmiede,[306] keine Plusmacher, keine Aussauger des Bluts der Unterthanen mehr antrifft; und das alles durch das leidige Moralgesetz.«

Diese Deklamation würde an ihrem rechten Platze stehn, wenn das neuere Moralsystem alle diese Uebel zu heben im Stande wäre und ich dagegen behauptet hätte, daß dieser Unfug fortdauern müsse und es ein unendlicher Schaden sey, ihn abzuschaffen. Da dies nun beydes nicht der Fall ist; so scheint hier wohl manches unnöthig gesagt zu seyn.

»Ich gebe mich gefangen und rufe mit aus: jenes sogenannte reine Moralprincip ist durchaus für diese Erde nicht gemacht. Wenn wir den Zweck des Krieges und der Politik und den Grad des Nutzens vor Augen haben, den sie den Urhebern bey Beförderung ihrer Glückseligkeit« (???) »gewährt, welche zu suchen und zu finden[307] sie von dem Schöpfer auf die Welt gesetzt sind« (Ich hafte den Lesern dafür, daß mein Herr Gegner hier nicht vorsätzlich meine Gedanken und Ausdrücke hat verdrehn wollen) »und zu welchem die Mitwürkung der Soldaten und Hofleute zur Harmonie des Ganzen nothwendig mit erfordert wird; so handeln die Urheber unnützer Kriege und die Politiker gewiß nach den reinsten moralischen Grundsätzen, für welche die menschliche Natur empfänglich ist. Sie sorgen für ihr Glück an der Hand der sie leitenden Vernunft.«

Ich muß darüber lächeln, daß man grade mich zum Vertheidiger des Krieg-Unfugs und der Hofränke machen will, da ich seit funfzehn Jahren unaufhörlich eifrig gegen diese Verderbniß geredet und geschrieben habe. Was im §. 21. hierüber gesagt wird, ist kürzlich das: Krieg und Politik gehören nun einmal zu den Dingen, die man[308] nicht aus der Welt schaffen kann. Es ist also nöthig, daß man auch Vorschriften habe, nach welchen der moralisch gute Mann (der, er mag seine Sittenlehre aus meinen, oder andern Grundsätzen herleiten, wohl einsehn wird, daß Krieg und Ränke große Uebel sind) sich dabey betragen soll; in wie fern er, zum Beyspiel, auch gegen seine Grundsätze, verbunden ist, auf Befehl seines Regenten, die Waffen in einem Kriege zu führen, den er für ungerecht hält? Auf welche Weise er dann, in einem solchen Kriege, die Pflichten der Menschenliebe mit seinem Gehorsame vereinigen kann u.s.f. Mein Moralist wird hier nicht verlegen seyn; er wird eher sein Leben hingeben, als daß er, so wie einst Tilly und Melac, Befehlen folgen sollte, nach welchen er als Mordbrenner und Räuber, viel tausend Familien elend machen müßte; unter andern Umständen aber wird er es für Pflicht halten, Aufträge zu[309] übernehmen, die gänzlich mit seinen Grundsätzen streiten, wenn er einsieht, daß seine Weigerung das Uebel ärger machen, hingegen wenn das Geschäft in seine Hände kömmt, seine Menschenliebe dabey das größere Unglück hindern kann, das ein Andrer an seiner Stelle herbeyführen würde. Denn er nimmt stets auf die Lage der Sachen, auf den möglichst zu stiftenden Nutzen, Rücksicht. Ich möchte doch sehn, wie in solchen und ähnlichen Fällen, der Mann sich betragen würde, der nur nach allgemeinen Gesetzen handeln will – Doch, zum Glück hat noch kein Sterblicher je in dieser Welt darnach gehandelt, sondern nur darüber geschrieben, und es würde nicht schwer zu beweisen seyn, daß die neuern Herrn Philosophen selbst zwanzigmal im Tage von Umständen zu moralischen Handlungen bestimmt werden, wie denn dies Bekenntniß auch dem Erfinder ihrer Lehre[310] (man sehe eine von mir im §. 22. angeführte Stelle) entwischt ist.

»5) Alles Andre« (nämlich jede Handlung, die ohne Betracht auf die Umstände, ohne Hinsicht auf bestimmte Zwecke und Folgen, unternommen wird) »ist Ueberspannung.« (oder Unverstand) »Vorher hieß es Enthusiasmus, der nie von einer nüchternen Vernunft hergeleitet werden kann. Von wie vielen Menschen wird man noch hören, daß sie durch die Anerkennung des allgemeinen Gesetzes, durch rechtschaffene Erfüllung ihrer Pflicht (???) durch Demuth, Mäßigkeit, Keuschheit, verrückt geworden sind!« Nein! dadurch wird niemand verrückt, sondern vielmehr klüger und besser werden. Allein ich bin auch weit entfernt, zu glauben, daß durch das Moral-System der neuern Philosophen in der Vernunft der Menschen irgend eine Revolution bewürkt werden wird. Das hat nichts auf[311] sich! und dies System wird wohl um so weniger unsre jetzige Olympiade überleben, da geistlicher und weltlicher Despotismus und jede Gesetzgebung, die keinen andern Grund angiebt, als den: Du mußt, weil Du sollst, täglich verhaßter zu werden anfangen.

»Es ist ein würklich großes Glück für die Welt, daß man bisher so wenig Achtung für's Gesetz bewiesen hat und noch beweiset,« (O! Ihr unzähliche arme Tugendfreunde in allen Jahrhunderten!) »weil dadurch allein noch so Viele eine nüchterne Vernunft behalten haben. Doch es ist unmöglich Ernst mit dem Schaden, den wahre Tugend und Rechtschaffenheit« (???) »an richten soll, und noch weniger mit den Beweisen dieses Schadens, die alle nur dazu dienen, die Wahrheit, Schönheit, Nothwendigkeit und Brauchbarkeit des Moralgesetzes in ihr völliges Licht zu setzen.[312] Dazu ausgesucht sind diese Beweise vortreflich, und es konnten gewiß keine bessere ausfündig gemacht werden, dies deutlich darzustellen.«

Was ich gesagt habe (welches aber freylich ganz etwas anders ist, als was man mich hier sagen läßt,) war Ernst, wie ich denn überhaupt das Publicum, meine Freunde und mich selbst zu sehr ehre, um über solche Gegenstände in einem Tone von Persifflage zu reden.

»Kaum wage ich daher die Instanz von der Unmöglichkeit der reinen Liebe zu Gott und von dem darüber entstandenen Streite zu beleuchten. Rein ist die Liebe zu Gott, wenn sie aus keinem andern Grunde hergeleitet wird, als aus dem Verhältnisse zu Gott, als Vater, Wohlthäter, Regierer und Richter. Rein ist die Liebe zur Pflicht, wenn sie nur aus unsrer Verbindlichkeit zu ihr herfließt.«[313]

Man lese die Stelle in dem §. 21. aufmerksam; so wird man finden, daß, was über die Liebe zu Gott gesagt ist, nur beyläufig dasteht, um den Satz zu verstärken, daß selbst von unsern edelsten Trieben die Rücksicht auf unsre persönlichen Verhältnisse und Interesse nicht zu trennen sey.

»Daß das Gewissen die Belehrungen der Vernunft gebraucht, leidet wohl keinen Zweifel; aber Unterricht über Zweck und Nutzen scheint es nicht zu verlangen, da sein Amt nicht das eines Professors oder Gelehrten, sondern das eines Richters ist,« (das wäre mir ein schöner Richter, der bey Bestrafung einer Handlung keine Rücksicht darauf nähme, warum diese Handlung unternommen und welcher Schaden dadurch angerichtet worden wäre!) »dem nur das Gesetz, wonach er lossprechen oder verdammen soll, vorgelegt wird.« (Und dies buchstäbliche, allgemein passende Gesetz[314] findet sich dann bald in dem guten Herzen, bald in der reinen Vernunft, bald im Gewissen, bald in dem Begriffe der Moralität überhaupt, die doch dadurch erst bestimmt werden soll.)

»Die Folgerung, daß unsre Handlungen, wenn sie keine Folgen hätten, weder recht noch unrecht, sondern gleichgültig wären, ist nicht schulgerecht. Die Accidenzen einer Sache gehören nicht zu ihrem Wesen.«

Hier ist nicht von accidentellen glücklichen oder unglücklichen Folgen, sondern von den Würkungen die Rede, die unausbleiblich durch die Handlung hervorgebracht werden. Diese Würkungen sind ja der wesentliche Zweck der Handlung. Ist die Würkung, die eine Arzeney auf den Körper äussert, und wodurch sie, so viel ich weiß, allein zur Arzeney wird, etwa auch ein Accidenz,[315] das nicht zu ihrem Wesen gehört? Ist eine Wohlthat, wodurch niemandem etwas Gutes zufließt, auch eine Wohlthat? Ich denke, eben so wenig, wie der Regen, der nicht naß macht, Regen seyn würde. »Das Kleid, ist zum Beyspiel nicht der Mann,« (Ey, ey! ist denn das Kleid eine Folge des Mannes?) »wenn er sich auch ohne dasselbe nirgends sehn ließe. Sittenlehrer werden die Folgen nie ausser Acht lassen,« (Also wird doch dies einmal wieder eingeräumt) »da mit guten Gesinnungen und Handlungen beständig gute Folgen und mit bösen Gesinnungen und Handlungen schlimme Folgen verknüpft sind. Deswegen aber machen die Folgen nicht erst die Handlung recht oder unrecht. Denn diese Benennung erhält sie erst durch ihre Beziehung auf das Gesetz, oder den Grundsatz, durch den die Handlung hervorgebracht wurde.«[316]

Dies ist gar herrlich durch die alte Fabel von dem Bären widerlegt, der die gute Handlung begieng, seinen Wohlthäter mit der Tatze zu erschlagen, aus dem reinen Grundsatze, die Mücke zu tödten, die ihn im Schlafe stöhrte. Wenn gute Handlungen beständig gute Folgen haben; so sind die sichern Folgen der Handlung wesentlich, folglich keine Accidenzen, müssen daher bey Beurtheilung ihres Werths mit in Anschlag kommen, ja! die Absicht, der Grundsatz allein, ist practisch nichts werth, wenn vernünftiger Weise sich gar keine Würkung von seiner Befolgung versprechen läßt. Wir sind keine Maschinen, die den einförmigen Gesetzen eines innren Räderwerks gehorchen müssen, sondern darum ist uns die Vernunft gegeben, daß wir, bevor wir einen Vorsatz, der uns gut dünkt, ausführen, erst fragen sollen: Wohin[317] wird das führen? Ist das auch hier anwendbar, zu etwas nützlich?

»Die große Anzahl von Handlungen, worauf die reinen Begriffe von Recht und Unrecht nicht anwendbar sind, möchte ich doch kennen lernen. Moralische können sie nicht seyn, denn für die ist das Gesetz, wie dies der Name selbst anzeigt.«

Hierüber habe ich vielleicht schon zu viel gesagt, z.B. da, wo vom Kriege die Rede war.

»In dem §. 22. ist die Forderung der Vernunft richtig angegeben, daß der Mensch nach Bewegungsgründen handeln solle, die gar keinen Bezug auf den Erfolg haben.« (Wie reimt sich das zu der obigen Erklärung: daß der Sittenlehrer die Folgen nie ausser Acht lassen werde?) »Wir sollen bey unsern Handlungen das moralische Gesetz und zwar dieses allein immer mehr zur Anschauung vor uns[318] bringen.« (dann bedürften wir der Vernunft nicht sehr; Gedächtniß und Einbildungskraft möchten hinreichend seyn) »Schon Plato hat das gefordert und versichert, daß alsdann die Schönheit dieses Gesetzes eine solche Pracht zeigen werde, die mit nichts sonst zu vergleichen sey. Er sagt: (im Symposium; Zweybrücker Ausgabe B.X.S. 249, oder in Schillers Thalia, im 6ten Stücke, übersetzt) Hier, wo der Mensch zum Anblicke der ursprünglichen Schönheit (des Gesetzes?) selbst gelangt ist, wird sein Leben erst ein wahres Leben – – – Was muß es erst werden, wenn Einem das Glück widerfährt, die Urschönheit selbst ächt, rein, unvermischt, nicht verbunden mit körperlicher Masse oder Farben,« (Wie? Gesetz, verbunden mit Farben?) »oder andern vergänglichen Tand, sondern in ihrem göttlichen Glanze, in der ganzen[319] Reinheit ihrer Form zu erblicken! Glaubst Du nicht, daß ein solcher Anblick, wo der Mensch das, was er eigentlich soll« (Seine Bestimmung) »gleichsam von Angesicht zu Angesicht schauet, und sich innig mit ihm vereint, sein Leben beneidenswerth machen müsse? Glaubst Du nicht, daß ihm dann, wenn ihm dieser, einzig auf diese Art mögliche Anblick der Urschönheit zu Theil geworden ist, große Thaten erzeugen müßte, die nicht bloß Schattenbilder von Tugend sind, weil sie ihr Daseyn nicht einer Vereinigung mit einer Truggestalt zu danken haben, sondern wahre, würkliche Tugend, aus der Idee einer Realität entsprossen?«

Ich finde in dieser Stelle nichts, das gegen mich zeugen könnte. Hier ist keine Sylbe, die von einem diktatorischen Gesetze redete; Tugend, Weisheit, Wahrheit, Schönheit, Harmonie sind hier in platonischer[320] Manier gepriesen und uns bey größerer Veredlung nähere Aufschlüsse darüber verheissen.

»Wie traurig ist es dagegen bloß auf den Erfolg zu sehn! Euentus stultorum magister.« (Abermals eine Verwechselung von Ideen! Zufälliger Erfolg und sicher zu berechnende Folgen sind zwey sehr verschiedene Dinge.) »Wir brauchen weder solche Thoren zu seyn, die erst durch Schaden klug werden,« (Nein! dazu haben wir die Vernunft, die uns zum Voraus lehrt, was bey richtig angewendeten Mitteln erfolgen wird und muß) »noch so thöricht zu handeln, daß wir an Statt auf den Fürsten, der uns regiert, zu schauen, bloß um sein Gefolge« (Ein Wortspiel und nichts weiter) »uns bekümmern.«

»Nach §. 23. wird unser Gefühl von Recht und Unrecht bloß« (???) »für ein Werk unsrer Erziehung und Bildung[321] erklärt, deren Eindrücke uns zur andern Natur geworden sind, und die wir durch eine gewöhnliche Ideenverwechselung von dem allgemeinen Gesetze herleiten.«

Wo steht das? Es ist hier gar nicht von den allgemeinen Begriffen des Rechts und Unrechts, sondern von einigen besondern geselligen Pflichten die Rede, die wir, ohne eine Erziehung, die uns zu unsern Verhältnissen vorbereitet, im natürlichen Zustande, nicht kennen würden.

»Dies brauchte es noch zu guter Letzt, uns den moralischen Sinn, oder das Gewissen« (???) »abzusprechen. Wenn uns auch nicht die Empfindung von Recht und Unrecht gänzlich fehlt; so wird sie doch nicht durch das Vernunftgeboth erregt, entsteht nicht durch Anwendung des allgemeinen Gesetzes auf unser Thun und Lassen, sondern sie ist bloß Gedächtnißsache und eine Angewöhnung, die wohl eben so fehlerhaft[322] als gut und heilsam seyn könnte. Ob wir die Fertigkeit, unsre Handlungen zu beurtheilen, und die, nach Beschaffenheit des Rechts oder Unrechts, damit verbundene Freude oder Betrübniß nicht einer besondern Kraft der Seelen, die von dem Erinnerungsvermögen ganz unterschieden ist, beylegen müssen, läßt sich hier nicht ausführen. Es bleibt ohnehin das Gewissen ein Werk unsrer Empfindung, die wir zwar für uns selbst üben, aber niemandem in's Herz demonstriren können.« (Folglich, wenn wir demonstrable Grundsätze aufstellen wollen, uns nicht darauf beziehn dürfen.) »Nur das muß ich bemerken, daß das allgemeine Gesetz eine ausserordentliche Stärke und Festigkeit haben müsse, wenn es (auch nur zur Probe, oder als ein Wagestück, wie ich glaube, daß es in dieser Abhandlung geschehn ist,) nicht anders, als durch Leugnen des Gewissens«[323] (???) »der practischen Vernunft« (???) »der Freyheit« (Nun gar der Freyheit, die nirgends weniger Statt hat, als da, wo man allgemeine Gesetze annimmt, die keinen andern Grund angeben, als das despotische: Du sollst) »und mithin der Tugend und Pflicht angegriffen werden kann.«


Was ich nie behauptet habe und nur der verworfenste Mensch behaupten kann, glaube ich nicht, widerlegen zu müssen. Ueber die Unwandelbarkeit der Begriffe von Recht und Unrecht in abstracto und über das Gewissen habe ich mich in den Anmerkungen zu §. 8. und 21 erklärt.


»Ueber die Ideenverwechselung bey dem Begriffe der Schönheit und über das Willkührliche bey der Ordnung werden meine Anmerkungen völlig unnöthig seyn, da sie[324] über den Hauptinhalt der Abhandlung wider meinen Wunsch schon so weitläuftig gerathen sind.«


Nicht aber wider meinen Wunsch; denn ich habe meinem mir sehr werthen Freunde viel Verbindlichkeit dafür, daß er mir mit solcher Ausführlichkeit und ganz in der Manier unsrer Philosophen der neuern Schule, diejenigen Einwürfe entgegengestellt hat, die ich sonst weniger glimpflich, vielleicht von einem nicht so würdigen Gegner zu erwarten gehabt haben würde. Als ich die erste Haupt-Abtheilung schrieb, die nur als Einleitung dienen sollte, um den Unterschied unter erlaubter Selbstliebe und verwerflichem Eigennutze deutlich zu machen, übergieng ich manche nähere Bestimmung, indem ich voraussetzte, daß man mich nicht misdeuten würde. Nun ist auch, durch genauere Zergliederung meiner Gedanken, für[325] diesen Fall gesorgt. Man wird mir jetzt wenigstens nicht wohl vorwerfen können, daß ich es leichtsinnig unternommen, über einen Gegenstand zu schreiben, über den ich nicht nachgedacht, oder daß ich Behauptungen gewagt hätte, welche ich nur mit Geschwätze und Declamation zu unterstützen vermöchte.


Die Leser haben nun Gründe und Gegengründe vor sich, und mögen urtheilen; nur muß ich noch einige allgemeine Sätze zur Erläuterung hier anhängen, um deren Widerlegung ich vorzüglich diejenigen ersuche, welche sich die Mühe geben wollen, meine Behauptungen zu bestreiten:


1) Wo die Freyheit des Willens fehlt, da hat keine Moralität Statt. Zu Bestätigung dieses sehr einleuchtenden Satzes enthalte ich mich Rousseau als Gewährsmann[326] anzuführen, weil ich überhaupt nicht viel auf Autorität und Citiren halte.

2) Da nun, wo von unbedingtem Gehorsame die Rede ist, alle Freyheit des Willens wegfällt; so sind die Ausdrücke: Gehorsam, sollen, müssen usw. (worauf sich, wie auf Angeln, das Moral-System einiger neuern Philosophen dreht) in Rücksicht auf die sittlichen Vorschriften, die keineswegs Zwanggesetze sind, durchaus unpassend, unschicklich, sind Barbarismen – sind empörend, hochverrätherisch gegen die Majestät der freyen Menschheit.

3) Die Begriffe von Müssen und Sollen bezeichnen eine Nothwendigkeit, die, sie mag nun seyn, von welcher Art sie will, alle Bestimmung von gut und böse, von recht und unrecht ausschließt. Wer das thut, was er soll und muß;[327] der folgt nicht seiner Einsicht; seine Handlung kann ihm also nicht imputirt werden.


Da zum Beyspiele alle Menschen sterben müssen; so würde es unvernünftig seyn, zu sagen: ein Mensch habe gut oder recht gehandelt, indem er gestorben sey.


4) Beynahe eben so unpassend, wie die Begriffe von Sollen und Müssen in der Moral sind, ist auch der Ausdruck: moralisches Gesetz; doch läßt er sich, enger eingeschränkt und bestimmt, noch rechtfertigen. Genau genommen kann jede Gesetzgebung nur auf Uebereinkunft beruhn. Macht und Gewalt sind nicht hinreichend, das Recht des Gesetzgebers zu begründen. Die Vernunft maßt sich auch billig nichts weiter an, als nur Rathgeberinn, freundliche Leiterinn zu seyn, verspricht, verheißt, unter gewissen Bedingungen, aber gebiethet und[328] befiehlt nicht. »Thue das;« sagt sie »so wirst Du selig; so wirst Du glücklich seyn. Willst Du Ruhe und Freude haben; so darfst Du die Ruhe und Freude Deiner Mitgeschöpfe nicht stöhren.« Niemand aber wird gezwungen, sich glücklich zu machen. Gesetze und Zwang treten erst ein, wenn die Menschen durch Uebereinkunft bestimmen, daß es nöthig sey, vermöge dieser Mittel, diejenigen Einzelnen in Ordnung zu halten, welche durch die Regeln und Ermahnungen der Moral, deren freye Befolgung von der Willkühr abhängt, nicht zurückgehalten werden, die allgemeine Wohlfahrt zu hindern. Lasset uns indessen sehn, in wie fern man bey den reinen Vorschriften der Sittlichkeit, ohne Rücksicht auf die bürgerliche Verabredung, eine Uebereinkunft, diese Vorschriften als natürliche Gesetze gelten zu lassen, annehmen könne![329]

5) Wenn von Gesetzen geredet wird; so setzt das zwey Partheyen voraus; eine, welche gebiethet, die andre, welche gehorchen zu wollen eingewilligt hat. Zugleich Gesetzgeber und Gehorcher – das läßt sich nicht denken, denn die höchste Macht kann nicht mit sich selber eine Verpflichtung eingehn, folglich kann es für sie kein Grundgesetz, kein Gesetz, welches sie nicht übertreten dürfte, geben.

6) Zweyerley Kräfte sind in der menschlichen Natur würksam: die der Sinnlichkeit und die der Vernunft, die man daher als zwey Contrahenten betrachten kann. Eine von beyden muß dann die gesetzgebende, die andre die gehorchende Rolle spielen, wenn wir Sitten-Gesetze annehmen.

7) Die Sinnlichkeit hat oft Kraft genug, um über die Vernunft zu herrschen,[330] darf sich aber nie von ihr die Einwilligung zur Gesetzgebung versprechen, aus Gründen, die wohl keiner Ausführung bedürfen.

8) Die Vernunft hingegen hat alle Eigenschaften zur Gesetzgeberinn. Es fragt sich also nur, in wie fern sie die, zu jeder Gesetzgebung nöthige Einwilligung von der Sinnlichkeit erwarten könne?

9) Von der verderbten, ausschweifenden, zügellosen Sinnlichkeit vermag sie dieselbe nicht zu erlangen. Von dieser, die sich gegen alles Gute empört, kann also hier nicht die Rede seyn. Ich verstehe unter Sinnlichkeit überhaupt die physische Natur des Menschen, die Quelle aller seiner Thätigkeit und seiner edelsten Triebe. Diese macht einen Theil seines Wesens aus; ihre Forderungen sind keinesweges zu verachten,[331] zu unterdrücken, in so fern sie nur von der Vernunft geordnet werden. Wir müssen daher untersuchen, auf welche Weise diese physische Natur einwilligen könne, die Vorschriften und Rathschläge der Vernunft als Gesetze anzunehmen.

10) Niemand unterwirft sich dem Andern freywillig anders, als in der Absicht und unter der Bedingung, durch diese Unterwerfung einer größern Summe von Glückseligkeit theilhaftig zu werden. Es läßt sich daher gar nicht annehmen, daß die physische Natur des Menschen Verordnungen von der Vernunft annehmen sollte, wobey gar keine Rücksicht auf Beförderung der Glückseligkeit genommen wäre. Alle moralische Vorschriften, die als Gesetze gelten sollen, müssen also auf dieser Grundlage beruhn.[332]

11) Diese Aufgabe aber ist keineswegs schwer zu lösen. Denn alle, von den weisesten Moralisten aller Zeitalter empfohlene moralische Regeln bewürken, wenn sie befolgt werden, die dauerhafteste Wohlfahrt, Glückseligkeit und Vollkommenheit des geistigen, physischen und geselligen Zustandes des Menschen. Es würde daher nicht vernünftig seyn, anzunehmen, daß die Beförderung der Glückseligkeit kein Zweck für sie seyn dürfte.

12) Jedes weise Gesetz muß ferner mit Rücksicht auf Lage und Umstände gegeben werden; also ist es eben so wenig vernünftig, zu behaupten, daß bey moralischen Vorschriften, wenn sie für Gesetze gelten sollen und wir nicht mit Worten spielen, auf Verhältnisse und Umstände keine Rücksicht[333] genommen werden müsse. Vielmehr kann die Vernunft auch nur solche Mittel empfehlen, von welchen sich, unter diesen Umständen, die Erlangung jenes Zwecks, nämlich die Beförderung der Glückseligkeit, als Folge, sicher erwarten läßt.

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 197-334.
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