11.

[360] Wenn diese und ähnliche Erfahrungen und Ueberlegungen vom Wohlthun abhalten dürften; so würde kein verständiger Mann ferner einen Schritt für Andre thun; allein zum Glücke für die Menschheit giebt es bessere Bewegungsgründe seinen Mitgeschöpfen Gutes zu erweisen, als das kleine, niedrige, eigennützige Verlangen, Dank einzuerndten.[360] Die sichern mannichfaltig nützlichen Folgen, die jede edle That auf das Ganze auch dann hat, wenn diese Folgen nicht sogleich sichtbar, wenn sie selbst von dem, den sie unmittelbar treffen, verkannt werden; die Freude, die in dem Bewußtseyn einer zweckmäßigen Thätigkeit, zum Wohl der Menschheit, liegt; die kleine, zwar nicht lobenswerthe, aber doch auch nicht sträfliche Eitelkeit, die in dem Gedanken, daß wir Andern etwas sind, daß sie Unsrer bedürfen, Nahrung findet; und endlich das angebohrne Gefühl des Wohlwollens und der Theilnahme – das alles wird, so lange die Welt steht, dazu mitwürken, daß es nie an Menschen fehle, die ihren Brüdern hülfreich die Hand reichen. Ja! es liegt eine unnennbare Wonne für ein edles, stolzes Herz in der Ueberzeugung, grade dann am bereitwilligsten zum Guten zu seyn, wenn man sicher voraussehn kann, daß man nie[361] weder Dank, noch Lohn, einzuerndten haben wird, folglich unsre Absicht ganz rein von Eigennutz ist.

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 360-362.
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