15.

[367] Die mehrsten Großen der Erde verstehen die Kunst, um aller Verbindlichkeit überhoben zu seyn, sich dasjenige aufdringen zu lassen, was sie zu erhalten wünschen. Dagegen[367] machen sie aus dem, was Gerechtigkeit erfordert und ihre Schuldigkeit ist, eine Gnade, um Dank einzuerndten, wissen es so einzurichten, daß der Mann, dessen sie nothwendig bedürfen, die Bedienung erbetteln muß, zu welcher sie keinen geschicktern finden können. Sie verzögern ihre Wohlthaten, um die Menschen desto länger von sich abhängig zu machen, wissen sich von dem, was Andre gethan haben, das Verdienst zuzueignen, um ihnen den gebührenden Dank zu entziehn und sich zuzuwenden, dagegen aber Verantwortung und Verdruß auf sie zu wälzen.

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 367-368.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ueber Eigennutz und Undank
Ueber Eigennutz und Undank
Über den Umgang mit Menschen / Über Eigennutz und Undank