26.

[402] Von den allgemeinen und größtentheils sehr gegründeten Klagen über das unedle Betragen der Dienstbothen gegen ihre Herrschaften, habe ich in dem zweyten Abschnitte der ersten Haupt-Abtheilung §. 28. geredet. Was dort von dem Vorwurfe des Eigennutzes gesagt ist, gilt auch in Ansehung des Undanks, dessen sich diese, für feinere Gefühle so selten empfängliche Menschenclasse, schuldig macht. Wenig Bediente belohnen auch die beste, väterlichste Behandlung mit wahrer Zuneigung. Vergebens sucht man das Gesinde durch Dankbarkeit an sich zu fesseln, indem man sehr junge, ungebildete und rohe Geschöpfe in sein Haus aufnimmt, sie zu nützlichen Menschen erzieht und zum Wohlthäter an ihnen wird. Kaum hat[402] man sie, mit unermüdeter Geduld, so weit gebracht, daß sie uns einige Handreichung leisten können; so fangen sie an, große Forderungen zu machen; rechnen die Reihe ihrer Dienstjahre her; vergessen, daß sie während derselben Unterhalt und Lohn erhalten haben, ohne brauchbar für uns zu seyn; verlangen, wenn man einigen Einfluß im bürgerlichen Leben hat, durch unser Vorwort, in ein öffentliches Amt eingesetzt zu werden, wozu man nie einige Hofnung in ihnen genährt hat, oder versuchen es, wenigstens dadurch, daß sie uns zu verlassen drohen, die Erhöhung ihres Jahrgeldes zu ertrotzen. Gelingt das alles nicht; so werden sie mürrisch und saumselig. Bey jedem freundlichen Blicke oder kleinen Gewinne, der einem ihrer Mit-Hausgenossen zu Theil wird, äussern sie Misgunst und Neid. Sie stürmen auf unsre Nachsicht und Geduld los, die sie als Schwäche auslegen und[403] beklagen sich dagegen über Härte und Strenge, sobald wir sie zur Ordnung und zum Fleisse anhalten. Sie misbrauchen Herablassung und Vertraun, spotten hinter unserm Rücken her über die kleinen Schwachheiten, die sie uns bey täglichem Umgange abgelauert haben, und bemühen sich, wenn sie endlich den Dienst verlassen müssen, uns verhaßt und lächerlich zu machen. Herrscht in einem Hause Uneinigkeit unter den Mitgliedern der Familie; so beobachten sie genau, welche Parthey am häufigsten ihren Willen durchsetzt; zu dieser schlagen sie sich dann, um nicht selten den redlichen Hausvater, dessen Brod sie essen, gemeinschaftlich mit seinem pflichtvergessenen Weibe und ausgearteten Kindern, zu hintergehn, zu kränken und zu verrathen.


Einige sehr rührende Beyspiele von dankbaren, treuen Dienstbothen finden wir hingegen[404] in diesen Zeiten der französischen Staats-Umwälzung. Ich habe Bediente gesehn, die ihre ausgewanderten Herrn auch in dem armseligsten Zustande nicht hatten verlassen wollen, sondern mit freudigem Eifer jetzt durch ihrer Hände Arbeit den Mann ernährten, bey dem es ihnen einst in seinen glänzenden Tagen wohlgegangen war. Wo findet man teutsches Gesinde, das solcher Handlungen fähig wäre? Aber freylich werden auch bey uns die untern Volksclassen in der Erziehung so vernachlässigt, daß man keine Grundsätze edlerer Art bey ihnen suchen und selten einen andern als den gebietherischen Ton gegen sie annehmen darf, wenn sie sich nicht vergessen sollen, da hingegen in Frankreich, unter Herrn und Dienern, ein vertraulicherer Umgang mit strenger Unterwürfigkeit sich wohl vereinigen läßt.[405]

Sehr traurig ist es aber, daß Personen, denen man, ihrem Stande und ihrer Erziehung nach, erhabenere Gesinnungen zutrauen sollte, in ihren Verhältnissen als Diener des Staats, nicht besser als jenes gemeine Gesinde handeln. Es ist unglaublich, wie undankbar sich zuweilen die Günstlinge der Fürsten gegen ihre Herrn betragen, wie weit sie ihre Forderungen für die unwichtigsten Dienste treiben, wie unersättlich ihr Ehrgeiz, ihre Habsucht und ihre Eitelkeit sind, und wie unwürdig, trotzig und verächtlich sie oft gegen den Wohlthäter verfahren, der sie aus dem Staube emporgehoben, sie mit Glücksgütern und Ehrenstellen überhäuft hat.

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 402-406.
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