3.

[352] Es hat aber leider! auch Philosophen gegeben, welche die Heiligkeit der Dankbarkeitspflicht zu leugnen gewagt haben. »Wenn,« sagten diese, »Jeder, der Gerechtigkeit und Redlichkelt gegen mich übt, nicht mehr als seine Bestimmung erfüllt, wenn das Gegentheil Verbrechen seyn würde; welchen Dank bin ich ihm dann dafür schuldig?« Bedenkt man aber, wie leicht es dem bösen Willen oft wird, sich um jene Gerechtigkeit und Redlichkeit wegzuschleichen und, ohne sie geradezu zu übertreten, einen Vorwand zu finden, um thätige Hülfe, Beystand und Dienstleistung dem zu versagen, der dessen bedarf; so muß jeder gutgeartete[352] Mensch die Verbindlichkeit anerkennen, die er demjenigen schuldig ist, der, aus treuem guten Herzen und wahrer Theilnahme, ihm die Beschwerlichkeiten des Lebens auf irgend eine Weise tragen hilft.

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 352-353.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ueber Eigennutz und Undank
Ueber Eigennutz und Undank
Über den Umgang mit Menschen / Über Eigennutz und Undank