Dritter Auftritt


[134] Samuel mit Hut und Stock – Vorige.


LIDDY. Guten Morgen Bruder!

SAMUEL. Guten Morgen. Für sich. Hm! Hm! Ich habe doch wohl alles verschlossen? Seine Taschen befühlend. Da ist der Schlüssel zur Schatulle, da der zum Coffre, der zum Klavier, der zum Schrank – alles richtig! Will fort.

LIDDY. Das Wichtigste, fürcht ich hast du vergessen.

SAMUEL. Das Wichtigste? ich? – Was kann das sein? Antwort?

LIDDY. Dein Herz mein Lieber. Den Schlüssel hast du gewiß nicht bei dir. Es kommt mir vor als wenn die junge Indianerin hier im Hause ihn gestohlen hätte.

SAMUEL. Sei unbesorgt! – Zwar, die Tür hat sie leise geöffnet, und den Kopf ein wenig hineingesteckt, das gebe ich dir zu. Man ist leider nicht immer auf seiner Hut. Aber ich habe auf jeden Fall die gehörigen Vorkehrungen getroffen.

LIDDY. Vorkehrungen gegen die Liebe? – Ei laß doch hören!

SAMUEL bedeutend. Findest du etwa für nötig Gebrauch davon zu machen?

LIDDY verlegen. Ich? –

SAMUEL. Ja, du. Meinst du, ich erriete dich nicht? Der junge Narr von Indianer, den unser Bruder Robert auf der See mit herumschleppt, und dessen Schicksal er so geheimnisvoll verschweigt – im Vertrauen, der junge Laffe hat das Herz meiner Schwester Liddy mit auf Reisen genommen.

LIDDY. Du nennst ihn einen Narren, einen Laffen? und Liddy soll sich in ihn verliebt haben?

SAMUEL. Doch, doch! Sie hat sich vom Teufel blenden lassen. – Sieh nur Schwester! wenn man des Tages wohl zwanzigmal ans Fenster läuft, um zu sehen, ob der arme Bursche auch guten Wind hat. –

LIDDY. Nun das tu ich um Bruder Roberts willen.

SAMUEL. Bruder Robert hat vorher auch schon manche Reise gemacht, und Schwester Liddy hat sich nie so jämmerlich gebärdet, als das letztemal. Aber unterbrich mich nicht. Wenn man ferner rot wird, so oft dieser oder jener einen gewissen Namen ausspricht; wenn man eine gewisse Silhouette in seinem Taschenbuch mit sich herumträgt; so frag ich: ist das Liebe? Antwort: ja!

LIDDY. Und ich frage: Wenn man seiner Schwester Taschenbuch[135] ohne Erlaubnis durchsucht; ist man dann ein Spitzbube? Antwort: ja!

SAMUEL. Wer kann dafür, wenn andere Leute mit ihren Taschenbüchern nicht so vorsichtig umgehen, als ich mit dem meinigen?


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 134-136.
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