Fünfter Auftritt


[139] Samuel – Mistriss Smith.


MISTRISS SMITH. Wahr ist es, du bist in dem Alter, in welchem man an das Heuraten denken muß.

SAMUEL. Ich denk auch dran.[139]

MISTRISS SMITH. Recht gut mein Sohn! recht löblich! aber du denkst schon seit fünf Jahren dran, und es bleibt immer beim Denken.

SAMUEL. Vorsicht ist die Mutter der Weisheit.

MISTRISS SMITH. Deine Vorsicht ist ein Irrwisch, der dich in den Sumpf führen wird.

SAMUEL. Welch eine Parabel, gnädige Mama! ist die Vorsicht jemals ein Irrwisch? Antwort nein! Ist Gurli ein Sumpf? Antwort: nein! Sie ist vielmehr ein Blumengarten, oder eine beblümte Wiese, oder eine blumenreiche Aue.

MISTRISS SMITH. Ja, ja, es gibt auch Blumen, die hinter dem Zaune wachsen.

SAMUEL. Sie riechen darum nicht minder schön.

MISTRISS SMITH. Fy mon fils! deshonoriere mein Blut nicht. Ein Mädchen ohne Geburt; eine Indianerin und folglich eine Heidin; ein naseweises, wetterwendisches Ding, dessen Vater ein trockener ehrbarer Affe ist, den niemand kennt, und der vermutlich nicht einen Schilling im Vermögen hat.

SAMUEL. Was die Geburt betrifft, gnädige Mama, so wissen Sie wohl, daß man bei uns in England nicht darauf zu sehen pflegt

MISTRISS SMITH. Leider nein. Der Karrenschieber und der Lord genießen hier einerlei Rechte.

SAMUEL. Daß sie eine Heidin ist –

MISTRISS SMITH. Nun das hätte eben so viel nicht zu sagen.

SAMUEL. Leichtsinnig und wetterwendisch – Sie ist noch jung. Ein vernünftiger Mann wird ganz gewiß eine vernünftige Frau aus ihr bilden – Ihr Vater ein Affe – da frag ich: wird Samuel den Vater oder die Tochter heiraten? Antwort: die Tochter. Also geht mich das nichts an. Aber der wichtigste Punkt, welchen die gnädige Mama berührt haben, ist das Geld. Da gebietet die Vorsicht, behutsam zu Werke zu gehen. Auch hab ich meine Spione, Auflaurer und Spürhunde auf ihre Posten verteilt.

MISTRISS SMITH. Und wenn du nun erführest, daß er wirklich Geld hat, könntest du so wenig nobel sein, einen Entschluß zu fassen? –

SAMUEL. Entschluß? gnädige Mama, da erschrecken Sie mich. Ich glaube, wenn man in diesem Augenblick mich überzeugte, das Mädchen sei eine Prinzessin, der Vater ein Fürst mit Tonnen Goldes im Schatze; ich würde dennoch vor dem Gedanken zittern, einen Entschluß zu fassen.[140]

MISTRISS SMITH. Du bist ein Narr! Geht ab.

SAMUEL allein. Ein Narr? Ein Narr? Tritt vor einen Spiegel und bläst sich auf. Seh ich wohl aus wie ein Narr? Antwort: Nein!


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 139-141.
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