Erster Auftritt

[156] KABERDAR allein. Immer tragen meine Füße mich unwillkürlich in diesen Saal; und bin ich in diesem Saale, so heftet mein Auge sich unwillkürlich auf jene Tür. – Es muß herunter vom Herzen! mich drückt die Last. Aber wehe! wehe! wenn das Wagstück mißlingt. – Besinne dich, Kaberdar! du bist nicht in Indien, wo du dein Weib einsperren darfst, wenn sie dir das Leben vergällt; wo sie, ohne deine Erlaubnis nicht einmal das Mittagsbrot an deiner Seite verzehren darf. Du bist in Europa, wo man die Weiber nicht zu Puppen herabwürdigt; wo sie selbst einen Willen haben, und sogar selbst denken dürfen – wenn sie können. – Aber diesem Mädchen gaben die Götter einen Körper, und die Tugend eine Seele! – Doch halt! schon wieder in Entzücken! – Kenne ich sie denn? Habe ich sie schon lange genug beobachtet? Ist ihre Mutter nicht ein Weib, gezeugt von Nirudi, dem Könige der Teufel? Und wachsen je Rosen auf einer Nessel? – Musaffery hat recht. Ihr sanftes Auge kann trügen, ich muß ihr Herz belauschen.


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August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 156.
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