Fünfter Auftritt


[163] Liddy – Samuel nach Hause kommend.


LIDDY. Herr Bruder, du darfst mir Glück wünschen.

SAMUEL. Frage: Wozu?

LIDDY. Antwort: Ich bin Braut.

SAMUEL. Du?

LIDDY. Ja, ja, ich. Wenn du meinen Worten nicht glauben willst, so glaube deinen Augen. Sie hält ihm den Ring unter die Nase.

SAMUEL ergreift sehr begierig ihre Hand. Laß sehen! zum Henker! dem Ring nach zu urteilen muß dein Bräutigam erster Lord der Schatzkammer sein. Zum Teufel! Schwester, der Ring ist schön, ich muß dir wahrhaftig die Hand küssen.

LIDDY. Nun, das ist zum ersten Mal in deinem Leben. Was ein schöner Ring nicht tut.

SAMUEL. Aber – bist du auch überzeugt, daß dein Bräutigam – daß er diesen Ring –

LIDDY. Doch wohl nicht gar gestohlen hat? Der Ring scheint dir mehr am Herzen zu liegen als der Bräutigam selbst. Du fragst nicht einmal nach seinem Namen.

SAMUEL. Sein Name kann unmöglich so viel wert sein als dieser Ring. Doch nun frag ich billig: wie heißt dein Bräutigam: Antwort? –

LIDDY. Kaberdar.

SAMUEL heftig. Gurlis Vater?

LIDDY. Antwort: Ja!

SAMUEL. Der Narr, dessen einziges Bestreben dahin zielen[163] sollte, seiner mutwilligen Tochter einen braven, vernünftigen Mann zu verschaffen –

LIDDY. Fürs erste verbitte ich mir im Namen meines künftigen Gemahls alle Ehrentitel. Und was fürs zweite deine gütige Sorgfalt für Gurli betrifft, so darfst du ja nur ihrer Stiefmutter ein gutes Wort geben, wenn du etwa wünschen solltest –

SAMUEL. Ach! da ist nichts zu wünschen, bis ich erst untersucht habe.

LIDDY. Mein Gott! mit deiner ewigen Bedächtlichkeit! das Mädchen ist gut, schön, reich, was willst du mehr? – wenn du ihrer nur wert wärst.

SAMUEL. Gut? – Diese Frage mag fürs erste noch unbeantwortet bleiben. Schön? Antwort: ja. Reich? da muß ich billig fragen: woher weißt du das? Antwort? –

LIDDY. Wunderlicher Mensch! ich weiß es aus seinem eigenen Munde, aus seiner Großmut gegen mich. A propos! Du bist ein Liebhaber von der Jagd; künftigen Herbst kannst du bei mir auf Roggershall Hasen hetzen.

SAMUEL. Bei dir auf Roggershall?

LIDDY. Aufzuwarten, Herr Bruder. Das sei dir Beweis von Kaberdars Reichtum. Wer seiner künftigen Frau ein solches Landgut zum Witwensitz verschreibt, der wird doch wahrlich seine Tochter nicht ohne Brautschatz lassen.

SAMUEL. Nun da haben wir's! Ich gehe und schleiche mit der größten Vorsicht umher, ziehe allenthalben belehrende Nachrichten ein, stehe auf meiner Hut, suche mich auf allen Seiten sicher zu stellen, decke mich hier und decke mich da – komme nach Hause und finde meine unvorsichtige Schwester, die wie ein Gänschen in den Tag hinein lebt, als Erb-Lehn- und Gerichtsfrau von Roggershall. Da möcht' ich billig fragen: Schicksal bist du gerecht?

LIDDY. Wunderlicher Mensch? Kaberdar hat einen solchen Schatz von Diamanten mitgebracht, daß Roggershall dagegen ein Kieselstein ist.

SAMUEL. Diese Versicherung, wenn sie bei näherer Beleuchtung bestätigt würde, könnte Gurli neue Reize leihen.

LIDDY. Gewiß, gewiß, Bruder! wir werden so glücklich sein, den Wohlstand in das Haus unserer armen Eltern zurückzuführen! wie wird sich Bruder Robert freuen, wenn er heut oder morgen aus Westindien zurückkehrt!

SAMUEL. Nicht so schnell Schwester, noch sind wir nicht so weit.[164]

LIDDY. Freilich du – wenn dich Gurli nicht haben wollte – –

SAMUEL spöttisch. Nicht haben wollte? Hm! fast möcht ich fragen: ist Liddy bei Verstande? Antwort: Schwerlich!

LIDDY. St! Sie kömmt. Nun kannst du gleich einen Sturm auf ihr Herz wagen. Soll ich dir beistehen?

SAMUEL. Ich brauche dazu keine Hülfstruppen.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 163-165.
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