Siebenter Auftritt


[167] Gurli – Liddy.


LIDDY. Nun liebe Gurli, was möchtest du lieber sein, meine Schwester oder meine Tochter?

GURLI. Gurli versteht dich nicht.

LIDDY. Wenn du meinen Bruder heiratest, so sind wir Schwestern.

GURLI. Recht! Gurli freut sich darüber.

LIDDY. Gesetzt aber Liddy heiratet deinen Vater; so wird Gurli Liddys Tochter.

GURLI sieht ihr einige Augenblicke zweifelhaft ins Gesicht. Liddy spaßt.[167]

LIDDY. Wer weiß! ich würde wohl ernst machen, wenn ich nur dahinterkommen könnte, wer dein Vater eigentlich ist? Was meinst du? könntest du mir wohl aus dem Traume helfen.

GURLI. Pst! das darf Gurli nicht ausplaudern.

LIDDY. Warum nicht? mir wohl.

GURLI. Nicht meinem Papagei, nicht meiner Katze, nicht dem Rosenstock in meinem Zimmer.

LIDDY. Aber die Ursache?

GURLI. Der Vater hats verboten.

LIDDY. Ist deines Vaters Verbot dir so heilig?

GURLI. Er hat mir in seinem Leben nichts verboten, dieses ist das erste Mal.

LIDDY umarmt sie, gerührt. Braves Mädchen!

GURLI. Närrische Liddy!

LIDDY. Da du so geheimnisvoll bist, so muß ich wohl meinen Schutzgeist zu Hülfe rufen.

GURLI ängstlich. Deinen Schutzgeist? hast du einen? ach Liddy mir ist so bange.

LIDDY. Sei ruhig, er ist ein Freund von guten Menschen.

GURLI. Ist er das? aber ist Gurli auch gewiß gut?

LIDDY. Ja, ja, Gurli ist gewiß gut!

GURLI. Nun, was sagt dein Schutzgeist?

LIDDY tut als ob sie auf etwas horche. Er sagt, dein Vater sei einst Nabob von Mysore gewesen.

GURLI schmiegt sich ängstlich an Liddy. Ach Liddy! Er hat wahrhaftig recht.

LIDDY wie oben. Er sagt: Gurli werde mir das übrige erzählen.

GURLI. Sagt er das? Ja dann muß Gurli wohl erzählen.

LIDDY. Aber ohne Furcht liebes Mädchen.

GURLI. So schick ihn fort.

LIDDY macht eine Bewegung mit der Hand. Er ging schon.

GURLI. Gewiß?

LIDDY. Ganz gewiß.

GURLI. Aber Gurli versteht sich schlecht aufs Erzählen, weiß nicht anzufangen, und nicht aufzuhören – Mein Vater war Nabob von Mysore, war gerecht und gut; sie nannten ihn die Quelle des Rechts, denn er bestrafte den Serdar wie den Wasserträger, bei ihm galt nicht Ansehen der Kasten Weinend. und doch haben sie ihn aus seinem Vaterlande verjagt, und seine Weiber und Kinder haben sie totgeschlagen, und nur mich haben sie leben lassen.[168]

LIDDY. Wer hat ihn verjagt und warum?

GURLI. Sieh nur, mein Vater hat zween Brüder, ein paar häßliche garstige Menschen. Ha! ha! ha! der eine schielt und hat eine Nase so lang als eine Tare, und der andere einen Kopf, wie ein ausgehöhlter Kürbis, worin die Gaukler bei uns Schlangen stecken, ha! ha! ha! nun, sein Kopf war auch voller Schlangen. Der böse Mensch! Liddy, es gibt recht böse Menschen auf der Welt. Mit der Faust drohend und mit dem Fuße stampfend. Wenn ich ihn hier hätte, ich wollte mit meinen Nägeln mich in seine borstigen Haare hängen! – Er wäre auch gerne Nabob von Mysore gewesen, und der andere mit der langen Nase auch. Nun da schmiedeten sie ein garstiges Bubenstück zusammen, und brachten die Nairs auf ihre Seite, und in einer Nacht überfielen sie unser Haus – ach das war ein Schrecken liebe Liddy! und ein Schreien, Winseln, Lärmen – hu! mir schaudert noch, wenn ich an jene Nacht denke! ich sprang aus dem Bette, war ganz von Sinnen – Ha! ha! ha! meine goldene Halskette schlang ich um den Arm, und meine Schürze wickelte ich um den Kopf, Weinend. mein armer Vater mußte fliehen, über Stock und Stein in finsterer Nacht, und Gurli floh mit ihm. Gurli saß in einem Palankin, der alte Musaffery half den Palankin tragen Lachend. und weil das ungewohnte Arbeit war, so fiel er alle Augenblicke in den Kot. Endlich kamen wir an das Seeufer. Mein Vater war still und finster, sprach kein Wort; Weinend. Gurli mußte viel weinen um ihre arme Mutter und Geschwister. – Wir stiegen auf ein englisches Schiff, der Schiffer war ein närrischer lustiger Mensch. Lachend. Der machte Gurli viel zu lachen. Wir fuhren viele Tage, viele Wochen hintereinander, endlich wurde Gurli die Zeit lang, und endlich und endlich kamen wir hierher. Nun hab ich dir alles erzählet.

LIDDY. Ich danke dir und will dein Vertrauen erwidern: aber noch hast du mir nicht meine erste Frage beantwortet: ob du lieber meine Schwester, oder meine Tochter sein möchtest?

GURLI. Nun Gurli möchte lieber deine Schwester sein.

LIDDY. Warum?

GURLI. Weil Gurli schon eine Mutter hatte, eine gute, gute Mutter! Gurli kann sich keine bessere wünschen. Aber eine Schwester hat Gurli noch nicht gehabt.

LIDDY. Nun so wollen wir als Schwestern zusammen leben. Gurli ich heirate deinen Vater.[169]

GURLI. Nein Liddy, spaß nicht mit Gurli.

LIDDY. Ich spaße nicht. Eben ging er von mir, und, Gott war der Zeuge unsers wechselseitigen Bundes.

GURLI. Wirklich? ha! ha! ha! Sie hüpft herum schlägt Schnippchen mit beiden Händen und singt dazu, nach einer selbstbeliebigen Melodie. Das ist mir lieb! das ist mir lieb! ich freue mich! – Liddy, ich muß dich küssen! Sie nimmt sie mit beiden Händen beim Kopf und gibt ihr einen derben Schmatz.

LIDDY. Glückliches Mädchen! lehre mich ein Kind zu bleiben, wie du.

GURLI. Also weiß mein Vater schon, daß du ihn heiraten willst?

LIDDY lachend. Freilich weiß er es.

GURLI. Schade! ich wollte, er wüßte es noch nicht. Gurli hätte es ihm so gerne zuerst gesagt.

LIDDY. Aber daß du meinen Bruder heiraten willst, das weiß er noch nicht.

GURLI. Nun das wird er zeitig genug erfahren.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 167-170.
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