Eilfter Auftritt


[198] Fazir – Die Vorigen.


ROBERT. Endlich, Kamerad, bekömmt man dich einmal wieder zu sehen. Wo Teufel hast du gesteckt, seit wir diesen Mittag das letzte Glas Porter zusammen leerten?

FAZIR. Ich war auf unserm Schiff. In dieses Haus wollt' ich nie wieder kommen, und nun bin ich doch wieder hier, ich weiß selbst nicht, wie das zugeht.

ROBERT. Auf dem Schiffe warst du? ist unser Volk brav lustig?

FAZIR. Nur zu lustig! ihre Freude jagte mich wieder fort, denn ich konnte mich nicht mitfreuen.

ROBERT. Warum denn nicht?

FAZIR. Wie du auch fragen kannst! Sieh Robert, es ist närrisch zu erzählen. Ich ging in meine Kajüte und legte mich in meine Hangematte, und sah hinauf an die Decke, wie ich während unserer Reise jeden Morgen beim Erwachen zu tun pflegte. Da hat nun der Strick, mit welchem die Hangematte oben an der Decke befestigt ist – aber du mußt mich nicht auslachen.

ROBERT. Nein, nein, nur weiter!

FAZIR. Nun die Schleife des Stricks hat ein L gebildet, oder es sieht doch so aus wie ein L.[198]

ROBERT. Ja, ja, die Liebe ist imstande, das ganze Alphabet draus zu machen.

FAZIR. So oft, wenn ich des Morgens erwachte und hinaufsah an dieses L, so freute ich mich, meine Gedanken schweiften weiter, als meine Augen, und das L hielt mich manche Stunde fest im Bette. Ach! heute hat mich das L zum ersten Male herausgejagt.

ROBERT. Armer Junge! Was meinst du Jack? dem läßt sich nicht helfen.

JACK. Der hat schwer geladen. Er muß die Liebe über Bord werfen, sonst geht er unter.

FAZIR. Lieber Robert, wirst du bald wieder absegeln?

ROBERT. Narr! ich habe ja noch nicht gelöscht. Und dann muß ich erst wieder für neue Fracht sorgen.

FAZIR. Wie lange kann alles das dauern?

ROBERT. Sechs Wochen aufs wenigste.

FAZIR. Sechs Wochen? Ach Robert! dann ist der arme Fazir schon lange tot! warum blieb ich nicht in meinem Vaterlande? so wär ich doch zugleich mit meinen Brüdern gestorben? Hier muß ich allein sterben! Dort hätte doch noch hie und da eine gute Seele um mich geweint, hier wird niemand um mich weinen.

ROBERT. Junge, du machst mir das Herz weich! wenn dich das trösten kann, daß Liddy allem Anschein nach, einen sehr braven Mann heiratet –

FAZIR. Das sollte mich freilich wohl trösten – aber es tröstet mich doch nicht! ich bin auch brav, nicht wahr?

ROBERT. Aber nicht reich.

FAZIR. Pfui Robert! hab' ich dich nicht oft sagen hören: Ehrlichkeit ist besser als Reichtum?

ROBERT. Ganz gewiß, aber die Ehrlichkeit nagt nur an den Knochen, die der Reichtum unter den Tisch wirft.

FAZIR. Wenn auch; mir kommt es vor, als würde ich an Liddys Seite nie gehungert haben. Erinnerst du dich noch des armen Negersklaven: als wir einmal auf Jamaika zusammen spazierengingen. Er arbeitete an einer Zuckerplantage; ihm lief der Schweiß die Stirne herab, ein Wasserkrug stand neben ihm, und doch sang er heiter und froh ein mohrisch Lied. Guter Freund, sprachst du zu ihm: das ist ein schwer Stück Arbeit. Jawohl, gab er zur Antwort, und trocknete sich den Schweiß mit der flachen Hand. Nun gab ein Wort das andere. Wir fragten ihn, wie er bei seinem[199] harten Schicksale noch so zufrieden lächeln könnte? Da zeigt er ein paar hundert Schritte weiter hin auf einen Busch, unter dem Busche saß ein schwarzes Weib, mit drei kleinen halbnackten Kindern, das jüngste lag an ihrer Brust. Und als der Negersklave mit dem Finger dahin zeigte, sah er so innig vergnügt dabei aus – nein, solch ein Lächeln schmückte nie das Gesicht eines Königs! – Ach hätte Liddy nur gewollt! Fazir würde gearbeitet haben, wie jener Sklave – und gelächelt, wie er.

ROBERT dem es ganz weich ums Herz geworden. Komm! komm! wir wollen ein paar Flaschen Wein zusammen ausstechen.

FAZIR. Ich mag nicht. Ich mag weder essen noch trinken. Ich will mich zu Tode hungern.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 198-200.
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