Zwölfter Auftritt


[200] Gurli – Die Vorigen.


GURLI mit einem Diamantring in der Hand. Nun da bin ich. Sie erblickt Fazir, bleibt eingewurzelt stehen, und sieht ihm starr und sprachlos ins Gesicht.

FAZIR fährt ebenso bei ihrem Anblick zusammen, und in seinen wild auf sie gehefteten Augen malen sich Schrecken und Erstaunen.

ROBERT. Nun? hat euch beide ein Blitzstrahl gerührt?

GURLI bebend. Bruder Robert, siehst du da etwas stehen?

ROBERT. Ja freilich.

GURLI. Siehst du es wirklich?

ROBERT. Nun ja doch, ich bin ja nicht blind.

FAZIR. Robert, siehst du den Geist?

ROBERT. Ich seh einen Narren, und der bist du.

FAZIR. Lieber Robert, dieser Körper gehörte ehemals meiner Schwester Gurli; frag ihn, welche Seele seit ihrem Tode hineingewandert ist?

ROBERT. Deine Schwester?

GURLI. Ja, ja, Robert, dieser Geist hieß ehemals Fazir, und war mein Bruder – ach mein lieber Bruder!

ROBERT. Ich begreife – Kinder haltet eure fünf Sinne beisammen! erst solch ein Schrecken! und nun solch eine Freude! – Ihr seid nicht Geister – Kinder, ich bitt euch,[200] werdet nicht närrisch! – umarmt euch! Bruder Fazir und Schwester Gurli!

FAZIR UND GURLI zugleich. Nicht Geister? Sie nähern sich einander mit ausgebreiteten Armen.

FAZIR. Lebst du würklich Gurli?

GURLI. Lebst du? mein Fazir?


Sie fallen sich in die Arme.


ROBERT sehr bewegt. Was meinst du Jack?

JACK sich eine Träne aus dem Auge wischend. Land! Land!

ROBERT. Recht Jack, nie hab' ich das empfunden, wenn ich nach einer langen, gefährlichen Reise unverhofft Land erblickte!

FAZIR UND GURLI plötzlich in ausgelassene Freude übergehend. Er lebt! Sie lebt! Schwester Gurli! Bruder Fazir!


Hier kann der Dichter dem Schauspieler nichts vorschreiben. Sie hüpfen, tanzen, springen, singen, lachen und weinen wechselweise. Freude ist immer schwer nachzuahmen, am mehrsten die Freude unverdorbener Naturmenschen. Robert und Jack stehen schweigend und laben sich an dem wonnevollen Schauspiel.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 200-201.
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