Sechster Auftritt


[186] Sir John – Mistriss Smith – Liddy – Visitator – Die Vorigen.


VISITATOR. Sie kommen, sie kommen.

MISTRISS SMITH nachdem sie den Anwesenden eine nachlässige Verbeugung gemacht, schnell auf ihren Sohn zufahrend. Mon fils! du erblickst deine Mutter au désespoir! willst du der Barbar sein, der Holzäpfel auf einen Pfirsichbaum, pfropft?

SAMUEL indem er sie zu sich zieht. Keine Rose ohne Dornen. Ihr geheimes Gespräch beginnt.

GURLI zu Liddy. Nun Schwesterchen, bist du mit Gurli zufrieden?

LIDDY. Gurli ist ein gutes Mädchen.

SIR JOHN zu Kaberdar. Sir, Sie haben einen alten Mann in der Philosophie seines Lebens ganz irre gemacht. Hätte man mir gesagt, fahr hinaus auf die Landstraße, wo täglich tausende vorübergehen, dort wirst du einen Schatz finden; wahrlich! ich hätte es eher geglaubt, als einen reichen Mann anzutreffen, der sich großmütig mit einer heruntergekommenen Familie, ohne Rang und Vermögen verbinden will.

KABERDAR. O weh Sir! welch ein Land ist Ihr Europa, wenn das was Sie sagen Ihr Ernst war? Bei uns brütet die warme Sonne nicht solchen Unsinn aus.

SIR JOHN. Ihre Hand Sir. Ich habe so lange den Druck von der Hand eines Biedermannes entbehrt. Sie sind mein Arzt, Sie gießen neue Kraft und neues Leben in die Adern eines Greises.

KABERDAR. Ich tue nichts umsonst, meine Belohnung ist eine Perle Indem er zärtlich nach Liddy blickt. wie weder Ceylon, noch das glückliche Arabien, weder Japan, noch die Margareteninsel sie liefern. Er spricht mit Liddy.

VISITATOR zu Mäster Staff. Alles schon gut; aber dergleichen Dinge müssen eilig und schleunig betrieben werden.

MÄSTER STAFF. Jawohl. Vor allen Dingen müssen die Formalitäten beobachtet werden. Liebe, Dank, Glückseligkeit und was dergleichen Schnickschnack mehr ist, findet sich am Ende alles von selbst.

SAMUEL. Aber liebe Mutter, wenn Sie auch aus Ihrem Stammbaum ein Ragout machen lassen, so legen wir uns doch jeden Abend hungrig zu Bette.[187]

MISTRISS SMITH. Ei mein Sohn! ich abandonniere dich! denn ich sehe, verschwendet ward die edle Muttermilch, die ich dir eingeflößt habe.

GURLI welche sich hinter sie geschlichen, steckt den Kopf zwischein beide. Was schwatzt ihr da so heimlich miteinander?

MISTRISS SMITH. Eine feine Lebensart! nie werde ich es wagen dürfen, dieses Geschöpf in einen brillanten Zirkel einzuführen.

KABERDAR ein wenig empfindlich. Ich hoffe Madam, sie werde einst eine bessere Figur im häuslichen Zirkel ihrer Kinder spielen.

MISTRISS SMITH spöttisch. Freilich, eine gute Hausmutter hat auch Verdienst.

SIR JOHN. In jedem Stande. Davon ist unsere Königin ein erhabenes Beispiel.

SAMUEL. Wir verplaudern die edle Zeit.

VISITATOR. Jawohl! jawohl!

GURLI. Nun so mach fort!

MÄSTER STAFF. Der Kontrakt ist zur Unterschrift bereit.

SAMUEL. Wohlan denn! hier ist Feder und Dinte Indem er das Papier zurechte legt. auf dieses Plätzchen wird Miß Gurli ihren Namen schreiben.

GURLI. Glaubst du, närrischer Mensch, Gurli verstünde nicht zu schreiben? Gib her! Sie nimmt die Feder.

KABERDAR unruhig. Noch einmal, meine Tochter, besinne dich wohl! das Glück deines Lebens hängt an einem einzigen Worte. Hast du einmal geschrieben, so ist dein Versprechen unwiderruflich.

GURLI. Lieber Vater, Gurli will immer drauflosschreiben, sieh nur, Liddy sieht mich so wehmütig an, und der alte Mann da scheint es auch zu wünschen, der alte Mann gefällt mir; er sieht so ehrlich aus.

KABERDAR. In Gottes Namen! es ist dein freier Wille, deines Vaters Segen, und – so Gott will – ein guter Engel sei mit dir! Gurli will schreiben.

SAMUEL. Halt! schöne Gurli! halt noch einen Augenblick! mir wird auf einmal so ängstlich. Ist denn auch gewiß nichts vergessen? keine Klugheitsregel? keine Klausul?

MÄSTER STAFF. Nichts, nichts. Mäster Staff hat für alles gesorgt.

SIR JOHN. Mein Sohn! dein Betragen verrät wenig zartes Gefühl.[188]

MISTRISS SMITH. Vielleicht sind es die Geister deiner Ahnen, welche dir in diesem entscheidenden Augenblick zuflüstern.

SAMUEL. Nicht doch ma chère Mère! Zu Kaberdar. Die zehntausend Pfund Sir, deren Sie gütigst zu erwähnen beliebten, werden doch gleich nach der Hochzeit ausbezahlt!

KABERDAR sehr kalt. Am Hochzeittage Sir.

SAMUEL zu Gurli. Nun so schreiben Sie schöne Gurli. Gurli will schreiben. Aber doch halt! noch einen Augenblick! ich befinde mich wirklich in einer sonderbaren Lage. Man kann nicht vorsichtig genug zu Werke gehen. – Nur noch eine Frage Sir: werden die zehntausend Pfund in Banknoten, oder in klingender Münze ausgezahlt? Antwort?

KABERDAR unwillig. Wie Sie wollen Sir! wie Sie selbst wollen.

SAMUEL. In klingender Münze denn, wenn es Ihnen so gefällig wäre.

KABERDAR. Recht gerne.

SAMUEL. Nun so schreiben Sie.

GURLI indem sie schreiben will. Närrischer Mensch! du machst mir Langeweile.

SAMUEL. Halt! halt! noch einen Augenblick!

LIDDY. Bruder, du wirst unausstehlich.

KABERDAR zu Liddy. Sie sind sein Schutzengel.

SAMUEL. Es bleibt billig noch eine wichtige Frage zu erörtern übrig. Wenn einst der Vater meiner schönen Gurli Todes verfahren, und keine anderweitige Leibeserben hinterlassen sollte, so –

KABERDAR. So ist Gurli Erbin meines ganzen Vermögens.

SAMUEL sehr freundlich. Untertäniger Diener! alle Zweifel sind behoben. Sir Samuel Smith faßt mutig und kühn einen raschen Entschluß. Schreiben Sie Gurli.

GURLI. Nun ich will schreiben. Wenn du aber noch einmal, halt, schreist, so werfe ich dir die Feder und das Dintenfaß an den Kopf.

SIR JOHN. Und das von Rechts wegen.

SAMUEL. Schreiben Sie! schreiben Sie!


Indem Gurli die Feder eintaucht ihren Namen zu schreiben, treten.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 186-189.
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