Siebenter Auftritt


[28] Gretchen. Nanette.


NANETTE. Sagt mir, schönes Kind, ist denn das wirklich Euer Schatz?

GRETCHEN. Schatz? – Nein, er ist mein Bräutigam.[28]

NANETTE. Wie konntet Ihr Euch entschließen, solch 'nen alten Perückenstock zu heiraten?

GRETCHEN. Herr Student, das versteht Er nicht. Wenn unsereins fünfundzwanzig Jahre alt und noch nicht unter der Haube ist, so fangen die Leute an von alten Jungfern zu munkeln, und das klingt so häßlich, daß man denkt, ein alter Mann ist doch besser als gar keiner; außerdem hat der Herr Sebastian einen recht einträglichen Posten; das Dorf ist groß, und Kinder haben wir – ich meine unser Dorf – Er glaubt nicht, Herr Student, wie reich gesegnet wir mit Kindern sind.

NANETTE. Wann wird denn Eure Hochzeit sein?

GRETCHEN. In acht Tagen – soll die Hochzeit sein. Nun denke Er sich das Unglück, wenn der Herr Sebastian um seine Stelle käme.

NANETTE. Ich, meinesteils, würde darüber gar nicht böse sein.

GRETCHEN. Oh, garstiger Mensch! Freundlich. Warum denn?

NANETTE. Weil ich mich alsdann um die Stelle bewerben würde, und – wenn mir's gelänge, auch um die Braut.

GRETCHEN. O geh Er! Er würde einen saubern Schulmeister abgeben mit seinem Milchgesicht; Ihm spielten ja die Kinder auf der Nase herum.

NANETTE. Daraus machte ich mir nichts; freilich müßte mich die Liebe dafür entschädigen – wenn es mir daher gelänge – Umarmt Gretchen.

GRETCHEN. Pfui, schäm Er sich, einem ehrbaren Mädchen solche Dinge vorzureden; laß Er mich los, ich muß hinauf zu den Gästen, die werden gar nicht wissen, wo ich geblieben bin.

NANETTE. Aber wenn sie fort sind –

GRETCHEN. Dann habe ich zu tun, ich muß Wäsche zeichnen – zu Hause bei mir – Auf ihre Wohnung zeigend, wichtig. Ja, ja, mein lieber, junger Mensch, es gibt allerlei zu tun, wenn man sich verheiraten will.

NANETTE. Kann ich Euch dabei nicht helfen?

GRETCHEN. Na, Er wird was Schönes zeichnen.[29]

NANETTE. Zwar hat mir Euer alter Schatz eine Beschäftigung gegeben – ich soll Schreibebücher korrigieren.

GRETCHEN. Da sieht Er, also ist an Plaudern gar nicht zu denken.

NANETTE. Wenn ich aber mit meiner Arbeit fertig bin?

GRETCHEN. Dann ist es etwas anderes. Er kann sich hierher ans Fenster stellen und mir etwas erzählen.

NANETTE. Vom gehörnten Siegfried?

GRETCHEN. Wer war denn das?

NANETTE. Ohne Zweifel einer, der Siegfried hieß und Hörner hatte.

GRETCHEN. Ist denn das eine spaßige Geschichte?

NANETTE. Wenigstens sehr unterhaltend.

GRETCHEN. Schön; ich höre dergleichen für mein Leben gern. Weiß Er was? Sehe Er die Schreibebücher lieber nicht nach; das ist eine schrecklich langweilige Arbeit – setz Er sich hier auf die Bank und erzähl Er mir.

NANETTE. Da werd' ich nur nicht lange bleiben können, denn wenn es anfängt zu regnen – der ganze Himmel ist umzogen –

GRETCHEN. Nu, wenn's regnet, kann Er nicht draußen sitzenbleiben, das versteht sich von selbst. Verschämt. Dann kann Er ein bißchen hereinkommen – aber ernst daß Er sich ordentlich aufführt, sonst –


Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 28-30.
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