Neunter Auftritt


[32] Der Graf und der Baron treten auf mit Jagdgefolge.


Nr. 5. Jagdlied


GRAF, BARON, JÄGER.

Seht dort den muntern Jäger,

Den wilden Büchsenträger,

Er zieht aus stillem Haus

Ganz früh zum Wald hinaus.

Im Auge glänzt die Freude,

Ein Horn an seiner Seite;

Weil sie ihm engt die Brust,

Haucht er ins Horn die Lust.

Drum liebt das Horn der Jäger,

Der wilde Büchsenträger.

Trara! Trara! Trara!


Wenn spät die Sonne scheidet,

In Gold die Berge kleidet,

Er heim die Schritte lenkt

Und heiß ans Liebchen denkt.

Des Jägerhornes Lieder,

Sie hallen waldwärts wider

Und locken seinen Schatz

Zum kühlen Eichenplatz.

Drum liebt das Horn der Jäger,

Der wilde Büchsenträger,

Trara! Trara! Trara!


Sitzt sie ihm nun zur Seite,

Dann haucht er Lust und Freude

Süß aus in einem Kuß,

Vergißt des Hornes Gruß;

Das legt er auf den Rasen,

Zu seinen toten Hasen

Und schwelgt in freud'ger Lust

An seines Liebchens Brust!

Da braucht kein Horn der Jäger,

Der zahme Büchsenträger.

Trara! Trara! Trara![32]

GRAF zu den Jägern. Eine kurze Rast, Kinder, dann ziehen wir weiter. Erquickt euch.


Die Jäger gehen ins Wirtshaus.


GRAF zum Baron, der sich auf die Bank vor Baculus' Haus gesetzt. Müde vom Jagen, Herr Bruder, oder hat unser Jagdlied, mit seinen Anspielungen auf das Glück der Liebe, deinen Weltschmerz wieder rege gemacht?

BARON. Und wenn es so wäre, könnte man es mir verargen? Du weißt –

GRAF. Aber, ich bitte dich, höre doch endlich auf, das alte Lied deiner mißratenen Ehe zu singen! – Du hattest eine glückliche Idee, dich nach dem Trauerjahr hierherzuflüchten; wir haben hier in der Gegend einen herrlichen Mädchenflor; da suche dir aus, Herr Bruder, und gesetzt, du fändest keine, deren Blick dich fesselte, nun so haben wir ja noch meine Schwester, deren Ankunft ich täglich erwarte – welche Freude, wenn ihr euch gegenseitig behagtet. Schon habe ich in meinen Briefen ihr einen Wink gegeben.

BARON. Das ist mir nicht lieb. Eben um eine Gelegenheitsmacherei zu vermeiden, kam ich hierher unter dem Titel eines Stallmeisters. Meine eigene Schwester, deine Gattin, die das elterliche Haus verließ, als ich noch ein Kind war, ahnt nicht, daß ich ihr Bruder sei, ja, ich habe mir sogar erlaubt, ihr ein wenig den Hof zu machen.

GRAF. Ei, du Spitzbube, meine ehrbare Gemahlin zum besten zu haben? Und wie lange gedenkst du dein Inkognito zu behaupten?

BARON. Vielleicht nur bis morgen. Entweder wähle ich mir morgen eine Frau oder ich ziehe weiter.

GRAF. Doch nicht, ohne meine Schwester gesehen zu haben?

BARON. Das kann ich dir nicht versprechen. Der Gedanke, sie sei mir bestimmt, macht sie mir schon zuwider. Nur meinem Herzen will ich folgen, wes Standes die Erkorene auch sei.

GRAF. Und wenn nun ein Kammerkätzchen dein Herz eroberte?[33]

BARON. Gleichviel.

GRAF. Oder eine Bauerndirne?

BARON. Einerlei.

GRAF. Ich glaube, du wärst imstande, bloß um deiner Grille zu genügen, einem Manne die Braut oder gar die Frau abspenstig zu machen.

BARON. Wo denkst du hin, Herr Bruder? Ich habe strenge Grundsätze.

GRAF lächelnd. Wirklich?

BARON. Du lächelst? Das könnte ich dir übelnehmen. Du mußt mich nicht nach dir beurteilen.

GRAF. Nach mir?

BARON. Allerdings. Die böse Welt will behaupten, daß kein hübsches Mädchen vor dir sicher sei.

GRAF. Schändliche Verleumdung! Nein, Herr Bruder, auch ich habe Grundsätze. Ich verehre meine Gattin über alle Maßen–nun, du weißt, wie diese Heirat zustande kam: ich war arm, sie war reich, ich bin jung, sie nicht mehr ganz jung, jedes hat seine eigene Liebhaberei, und trotz dieser Ungleichheiten kann keine glücklichere Ehe existieren als die unsrige. Wenn ich mir nun wirklich einmal erlaubte –


Man hört im Wirtshaus einen Toast ausbringen.


GRAF. Was Teufel ist denn da los?

BARON. Gewiß ein Fest.

GRAF. Eine Hochzeit! Bruder, so eine Bauernhochzeit ist mein Leben; laß uns hinein!

BARON. Ich bin verstimmt, was soll ich bei den Fröhlichen?

GRAF. Schüttle deinen Weltschmerz ab, tu es mir zuliebe.

BARON. Wohl! Bloß um dein Vergnügen nicht zu stören.

GRAF führt ihn vor. Höre, es läuft doch nicht gegen unsere Grundsätze?

BARON nach kurzem Bedenken. Ich dächte nicht.

GRAF ihn unter den Arm fassend. Nun also! – Sie wenden sich gegen das Wirtshaus. Aber, wie es scheint, ist die Gesellschaft im Aufbruch begriffen und kommt hierher.

BARON. So müssen wir sie hier erwarten.[34]

GRAF durch die offene Tür sehend. Hübsche Mädchen, hol mich der Teufel! Laß uns ein wenig beiseite treten.


Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 32-35.
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