Vierzehnter Auftritt


[62] Die Vorigen. Graf.


GRAF. Was soll das heißen? Wir warten auf den Herrn Stallmeister bei Tische, aber wie es scheint, neigte sich sein Appetit nach etwas anderem.

BACULUS beiseite. Hähähä! Die Geschmäcker sind verschieden!

BARON. Und wenn ich in der Tat Ihrer interessanten Unterhaltung eine noch interessantere vorgezogen hätte?

GRAF. Mit einem Bauernmädchen? Sehr schmeichelhaft für meine Frau.

BARON leise zum Grafen. Herr Bruder, das Mädchen ist bezaubernd!

GRAF ebenso. Der Meinung bin ich auch.

BARON. Wenn du wüßtest –

GRAF. Was denn?

BARON. Nun später, wenn wir allein. – Winkt Baculus und geht mit ihm in den Hintergrund.

GRAF für sich. Ich glaube, der will hier Hahn im Korbe sein? Ja prosit, du kommst mir gerade recht! Laut. He, Baculus!

BACULUS schnell vorkommend. Gräfliche Gnaden!

GRAF. Meine Gemahlin hat ein gutes Wort für Ihn eingelegt, und werde ich rücksichtlich dessen milder gegen Ihn verfahren.

BACULUS für sich. Dank, o Sophokles!

GRAF. Was sagt Er?

BACULUS. Ich sage, allzu gnädig![62]

GRAF. Halt! Die Sache ist damit noch nicht abgetan; doch da es spät und der Jäger Thomas nicht anwesend ist, so mag Er für heute nach Hause gehen; morgen wollen wir den Fall näher untersuchen.

BACULUS. Wollen der Herr Graf nicht huldreichst eine Droschke kommandieren; draußen befindet sich eine überaus feuchte Atmosphäre.

GRAF. Unverschämtheit ohnegleichen! Am Ende soll ich Ihn noch mit vier Pferden nach Hause fahren lassen!

BACULUS. Aber dieser enorme Regen –

GRAF. So mag Er im Schlosse bleiben.

BACULUS. Ja, aber meine Braut?

GRAF. Auch die, das versteht sich.

BACULUS. Meine Braut? Ja so, die da!

GRAF. Die da? Hat Er mehr als eine?

BACULUS. Behüte, ich dachte nur –

BARONIN mit welcher der Baron bisher gesprochen. Geb Er sich doch mit dem Denken lieber gar nicht ab.

GRAF. Sie kann – bei der Kammerjungfer schlafen, wenn sie will.

BACULUS. Bei der Kammerjungfer? Hähähä! I nu, meinethalben, wenn die Kammerjungfer es zufrieden ist.

BARONIN. Ach, wenn's der gnäd'ge Herr vergönnte, so bliebe ich gern hier im Saale.

GRAF beiseite. Desto besser. Laut. Wie es dir gefällt, mein Kind. So kann Er beim Verwalter schlafen.

BARONIN. Wie, ich soll allein hierbleiben?

BACULUS. Na, Seine Unschuld wird doch hier nicht in Gefahr kommen.

GRAF. Wessen Unschuld?

BACULUS. Ich meine den Verwalter, wenn ich –

BARONIN leise zu Baculus. Entweder Er bleibt hier, oder ich verrate alles.

BACULUS. Nun, meinetwegen, wenn Er gar so zimperlich tut –

BARON vortretend. Ich dächte auch, es wäre dem Anstande gemäß –

GRAF. Ach, der Herr Stallmeister auch noch da? Zu Baculus. Wohlan, so setz Er sich in jenen Lehnstuhl. Für sich. Hoffentlich schläft er bald ein.[63]

BARONIN aus ihrem Körbchen ein Strickzeug nehmend. Ich setze mich hierher und stricke – oh, ich will mir schon die Zeit vertreiben! Setzt sich rechts.

BACULUS beiseite. Der wird einen guten Stiefel stricken. Setzt sich links.

GRAF. Herr Stallmeister, ich wünsche wohl zu schlafen.

BARON. Ich habe noch keinen Schlaf.

GRAF. Mir geht es ebenso.

BARON. Da bleibt weiter nichts übrig, als uns gegenseitig zu amüsieren.

GRAF. Ich bin dabei. Vielleicht noch eine Partie gefällig?

BARON. Ich stehe zu Dienst. Für sich. Wüßt' ich ihn nur zu entfernen!

GRAF ebenso. Der Satan weicht nicht von der Stelle.


Beide bereiten sich zum Spiel, setzen die Bälle usw.


BARONIN beiseite. Die Nacht scheint amüsant zu werden.

BACULUS ein Gesangbuch aus der Tasche ziehend. Ich will den Choral für morgen noch einmal durchnehmen.


Nr. 11. Quintett


BARON.

Ich habe Numro eins.

GRAF.

Sie setzen aus.

BARON.

Doch sind Sie mir weit überlegen.

GRAF.

So geb' ich Ihnen vor.

BARON.

Wieviel?

GRAF.

Wohlan, ich geb' vierundzwanzig.

BARON.

Meinetwegen.


Er stößt.


BARONIN für sich.

Ich glaube gar, man spielt um mich!


Graf stößt.


BARONIN.

Oh, wie will ich morgen lachen,

Denn die beiden Herren machen

Sich gewaltig lächerlich.

GRAF, BARON für sich.

Aus dem Zimmer ihn zu treiben

Und allein bei ihr zu bleiben,

Sei mein Streben, ist mein Plan.

BACULUS singt mit lauter Stimme aus dem Gesangbuch.

»Wach auf, mein Herz, und singe!«[64]

BARONIN, GRAF, BARON zu Baculus.

Welch Gebrülle! Seid Ihr toll?

Sagt, was das bedeuten soll?

BACULUS.

Ich glaubt', es sollte mir gelingen,

Mich in sanften Schlaf zu singen.

GRAF, BARON.

Schlaft, doch brüllet uns nichts vor.

BACULUS.

Gut, so leg' ich mich aufs Ohr.


Bereitet sich zum Schlafen.


GRAF.

Wie steht das Spiel?

BARON.

A point.

GRAF.

A point! Wohlan!


Sie stellen sich wieder zum Spiel, der Graf will stoßen. Es wird hinter der Szene geklingelt.


GRAF.

Die Gräfin klingelt.

Was will sie noch so spät?

BARON auf den Grafen deutend.

Da würd' es doch wohl schicklich sein,

Daß jemand zu ihr geht.

BARONIN schnell.

Gleich will ich hin zu ihr.

GRAF schnell.

Nein, bleibe, liebes Kind.


Für sich.


Sie blieb am End' bei ihr.


Laut.


Ich geh' zu ihr geschwind.


Rüttelt Baculus.


He, Alter, schickt es sich, zu schlafen

In Gegenwart des Herrn Grafen?

BARON für sich.

Wie boshaft!

GRAF.

Hübsch die Augen klar!

BARONIN für sich.

Zum Wächter stellt er ihn wohl gar.

GRAF triumphierend, für sich.

Nun sind sie mindstens nicht allein,

Da darf er auch nicht zärtlich sein.


Ab.


BARON wirft das Queue aufs Billard und stürzt leidenschaftlich vor.

Laß mich nicht in Zweifel schweben,

Denn du weißt, es gilt mein Leben,

Daß du willst dein Herz mir weihn,

Mein fürs ganze Leben sein.

GRAF tritt wieder ein.

Da bin ich wieder.

BARON.

Verwünscht!

GRAF.

Die Frau Gräfin möchte wissen,

Ob ihr Reitpferd wieder wohl.[65]

BARON.

Werde ihr zu Diensten stehn morgen früh.

GRAF schnell.

Nein, gleich, im Augenblick.

BARONIN für sich.

Aus dem Zimmer ihn zu treiben,

Ist sein Streben nur allein.

BARON.

So geh' ich, doch nicht lange

Lass' ich beide hier allein.

GRAF.

Aus dem Zimmer ihn zu treiben,

Ist mein Streben nur allein.

BACULUS.

Keine Ruhe! Wohl, so will ich

In die Ohren ihnen schrein.

GRAF.

Wie steht das Spiel?

BARON mit Bezug auf die Baronin.

A point!

BARONIN schelmisch.

A point!


Meine Liebe zu erringen,

Dürfte endlich ihm gelingen;

Mich, die Spröde, zu bezwingen,

Ist sein Streben nur allein!

Schmeichelhaft, ich muß gestehen,

Ist, sich so geliebt zu sehen,

Und ich glaube, daß sein Flehen

Nicht vergebens werde sein.

GRAF, BARON.

Ihre Gunst mir zu erringen,

Wird mir sicher noch gelingen;

Diese Spröde zu bezwingen,

Streb' ich nur allein!

Noch will sie mich nicht verstehen,

Doch Geduld, wir werden sehen,

Und ich hoffe, daß mein Flehen

Nicht vergebens werde sein.

BACULUS.

»Wach auf, mein Herz, und singe!«

Ach, wann werd' ich endlich sehen,

Daß die Herren schlafen gehen?

Denn bevor das nicht geschehen,

Wird kein Schlummer mich erfreun.


Schläft ein. Baron schnell ab.


GRAF.

Holdes Kind, willst du nicht sehen

Mich vor Liebe gleich vergehen,

Reiche, denn ich schmachte sehr,

Mir zum Kuß dein Mündchen her.[66]

BARONIN ihm entschlüpfend und zu Baculus laufend.

Ach, der Herr will mich nur necken!

GRAF.

Halt, mein Kind, was willst du tun?

BARONIN.

Meinen Bräut'gam will ich wecken.

GRAF.

Nicht doch, laß den Alten ruhn.

BARONIN.

Ei was, es schickt sich nicht zu schlafen

In Gegenwart des Herren Grafen.

GRAF sie verfolgend.

Laß die Possen!

BARONIN.

Soll ich schrein?

GRAF.

Nur ein Küßchen.

BARONIN.

Nein, nein, nein!

BARON eilig eintretend.

Da bin ich wieder.

GRAF.

Verwünscht!

BARON.

Dem Herrn Grafen hat's gefallen,

In April zu schicken mich.

GRAF.

Ei, es sagte doch die Gräfin –

BARON.

Nein, mein Herr, Sie irrten sich.

GRAF.

Ei, da bitt' ich um Verzeihung,

Sicher hatt' ich mich verhört.

BARON.

Wie steht das Spiel?

GRAF mit Bezug, sich den Mund wischend.

A point!

BARON.

A point!

BARONIN schelmisch.

A point!

BARONIN, GRAF, BARON.

Einer führt den andern an!

BACULUS erwachend.

Weil ich doch nicht schlafen kann,

Fange ich zu singen an:

»Wach auf, mein Herz, und singe!« usw.

BARONIN.

Meine Liebe zu erringen, usw.

GRAF, BARON.

Ihre Gunst mir zu erringen, usw.

BARON.

Doch nun dächt' ich, wir beendeten

Das Spiel. Was meinen Sie?

GRAF.

Gern.

BARON für sich.

Ich geh' nicht von der Stelle.

GRAF für sich.

Ich bleib' hier bis morgen früh.


Beide fangen wieder zu spielen an.


BARONIN beiseite.

In der Tat, ich bin begierig,

Wie sich end'gen wird die Szene.[67]

BACULUS.

Sie fangen wieder an! Noch keine Ruh!

Mir fallen wahrlich vor Schlaf die Augen zu.

BARON stößt.

Wenn nur ein Ballen mir geläng'!

GRAF.

Sie spielen ohne all Dessein.

BARON.

Ohne Dessein? Da muß ich lachen.

GRAF.

Dieser Ballen war zu machen.

BARON.

Der gehört ja gar nicht mein.

GRAF.

Herr, was reden Sie für Sachen?

BARON.

Lassen wir das Spielen sein.

GRAF.

Sie sind Streiter!

BARON.

Oder Sie!

GRAF.

Sie!

BARON.

Sie!

GRAF.

Sie!

BEIDE.

Sie!


Durch das Demonstrieren mit den Queues berühren sie die Lampe, der Schieber fällt herab, und die Bühne wird dunkel.


ALLE VIER.

Das ist das Ende von dem Streit,

Nun sitzen wir in Dunkelheit.

GRAF für sich.

Das ist mir lieb!

BARON.

Fataler Streich!

BARONIN.

Das geht zu weit!

BACULUS.

Welch tolles Zeug!

GRAF.

Zu mir, mein Kind, ich suche dich!

BARON.

Zu mir, mein Kind, ich schütze dich!

BARONIN.

Gefährlich wird es nun für mich!

BACULUS.

Nun haschen sie im Dunkeln sich!


Mit den Worten »Das ist mir lieb« schlüpft der Graf zur Baronin; diese entwischt ihm und läuft bei Baculus vorbei, um das Billard herum, der Graf ihr nach, hinter ihm der Baron; nachdem sich alle drei einigemal herumgejagt, jedoch ohne sich zu fassen, tritt die Gräfin im Negligé aus ihrem Zimmer und gerade zwischen den Grafen und die Baronin. Ersterer umarmt die Gräfin, in der Meinung, die Baronin erwischt zu haben; der Baron schießt vorbei und packt den sich eben vom Stuhl erhebenden Baculus, ihn festhaltend. Zu gleicher

Zeit tritt durch die Haupttür Pancratius mit Licht ein, die Gruppe beleuchtend.
[68]


Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 62-69.
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