Zehnter Auftritt


[85] Baron, gleich darauf Baronin.


BARON für sich. Seh' ich recht? Er ist es! Beim ewigen Gott, es ging nie etwas Vollendeteres aus den Händen[85] der Schöpfung hervor, als die schöne Hülle, welche dem Buben verliehen wurde, um Biedermänner zu verlocken; aber warte, Bursche, du sollst nicht ungestraft deine Pagenstreiche hier getrieben haben. Student also? Na, mit dir werd' ich schon fertig werden.

BARONIN tritt auf. Guten Morgen, Herr Stallmeister.

BARON beiseite. Was das Bürschchen für eine melodische Stimme hat.

BARONIN. Warum sehen Sie mich denn so sonderbar an?

BARON für sich. Sonderbar? Da haben wir's. Das ist Tusch bei den Studenten.

BARONIN. Ich begreife Ihr Benehmen nicht, Herr Stallmeister.

BARON. Nimmt es Sie wunder – in der Tat? Für sich. Ich weiß nicht, warum ich so viele Umstände mache. Laut. Mein Herr –

BARONIN. Was ist das?

BARON. Sie sind ein dummer Junge!

BARONIN. Mein Herr, Sie sind von Sinnen! Für sich. Sicher hat der Alte geplaudert.

BARON. Sie werden mir Genugtuung geben für den Karnevalsstreich, den Sie sich in diesem Hause zu spielen erlaubten.

BARONIN lacht. Herr Stallmeister!

BARON. Er lacht mich aus. Höll' und Teufel!

BARONIN. Halten Sie mich im Ernst für einen sogenannten Herrn der Schöpfung?

BARON verwirrt. Dieser Ton – diese reizenden Züge – bei Gott, ich werde versucht zu glauben: wenn das ein Mann ist, so bin ich ein Frauenzimmer und weiß es nicht.

BARONIN. Herr Stallmeister, Ihr Betragen in diesem Augenblick ist zwar nicht das feinste, doch haben Sie mir vom ersten Augenblick unserer Bekanntschaft so viel Teilnahme eingeflößt, daß ich nicht umhin kann, mich Ihnen zu entdecken. Erfahren Sie also –

BARON. Was werd' ich hören?

BARONIN. Daß ich nicht die Braut des alten Schulmeisters bin –[86]

BARON. Mir sehr einleuchtend – wenn Sie ein Mann wären!

BARONIN. Daß ich aber doch ein Frauenzimmer zu sein die Ehre habe, nämlich – die Baronin Freimann, des Grafen Schwester.

BARON höchst angenehm überrascht. Wie? Was? Wär' es möglich?

BARONIN. Aus guten Ursachen wünsche ich noch unerkannt zu bleiben und ersuche daher sehr ernstlich –

BARON. Sie, des Grafen Schwester? Also nicht verheiratet? Gott sei Dank! So muß ich keinem Grundsatz untreu werden, indem ich aufs neue um Ihre Hand werbe.

BARONIN. Haben Sie mich denn nicht verstanden? Ich bin die Schwester Ihres Herrn.

BARON. Also sollte ein bloßes Vorurteil das Glück meines Lebens hindern? Beiseite. Nun ist die Reihe zu foppen an mir. Laut. Ich kenne Ihr Schicksal, gnädige Frau; Sie waren mit Ihrem ersten Mann nicht glücklich, mit mir werden Sie es sein. Sie kennen mich noch zu wenig. Ich bin nur ein Bürgerlicher, aber ein ehrlicher Mann; ich bin leidenschaftlich, heftig – Sie haben es erfahren –, im übrigen aber der ruhigste Mensch von der Welt! und gut bin ich – gut! Wahrhaftig, es wäre schlecht von mir, zu behaupten, daß ich nicht gut wäre.

BARONIN. Was wollen Sie aus mir machen, mein Herr – meine Verhältnisse, meine Grundsätze –

BARON. Der Bäuerin schenkt' ich mein Herz ohne Rücksicht auf Stand und Verhältnisse – vergelten Sie mir nun, verschmähen Sie den Bürgerlichen nicht.


Hat sich zu ihren Füßen geworfen und drückt ihre Hand an seine Lippen.


Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 85-87.
Lizenz:
Kategorien: