[Vorrede]

[3] 1.

Di Genade Gottes des Vatern, di Libe Gottes des Sohnes, di Tröstung Gottes des Heil. Geistes zum Grus!


2.

Gegenwärtige Fünffzehngesänge werden nimals mit blossem lesen oder betrachten, sondern alleine in dem stande völlig verstanden werden, darinnen si geschriben.


3.

Denn si sind aus lebendiger Erfahrung hervorgeflossen, und wirstdu erst wissen, was hir geschriben, wann du es erst wirst wissen.


4.

Wann dir dergleichen widerfähret, so wirstdu solche erst schätzen, und dich hirinnen bespigeln, ob du si schon zuvor verlachet oder vertreten.


5.

Von den Gesichtern, welche hir solche zerknirschung verursachet, wirstdu gar wenig erfassen, und solstdu versichert sein, es sei kein kleines vor einen einzeln Menschen solchen Grimm zu tragen, der gantzen Ländern gehöhret.


6.

Bin ich schon einmahl ein Schauspil vor Geister und Menschen gewesen; so mag es auch zum Schauspile stehen, wi ich darinnen mich durch Göttliche Genade verhalten.


7.

Höhre, O Mensch, wes Standes du auch seist! du kanst mich mit keinerlei Verurtheilung mehr schautragen, welche nicht auf einmahl ausgeschöpffet werden in so häuffigen Gesichtern, so wohl vor, als wider mich, und schüttet der Allerhöchste verachtung über seine Auserwehlte, derer ursachen nur der Ausgang entdekket.


8.

Der Nahme des Jehova Tsebaoth sei gelobet in Ewikeit, und thue er mit mir hinfort, was [4] ihm behagt, weil doch alles sein thun mit mir, es sei so wunderbahrlich, als es wolle, das allerbeste mus sein.


9.

Der 5. Gesang, und vornemlich dessen Schlus: das ich bald zum Paradeis glükklich nehme meine Reis: kan dir eine Leuchte sein, weil gleich drauf das Paradeis sich plötzlich mir aufgethan, aufzumerken, das warhafftig sich das Paradeis mir aufgethan, weil ein gutter Baum träget gutte Früchte.
[3]

10.

Der 8. Gesang kan vornemlich meinen Widersachern ein Zeugnis sein, wo ich gewisse Zuflucht habe mein gantzes Hertz auszuschütten, und hätte der Kupfferschmid Alexander gewust, das seine dem Paulus erwisene Bosheit so viler Jahrhunderte zeitlicher straffung solte zugleich übergeben sein, so wäre er nimals derjenige gewesen, der er gewesen.


11.

Im übrigen werden alle Gesänge reden von dem Gemütte, daraus si geflossen, ob ich davon zureden ihnen gleich ni geboten, und mögen Freunde oder Feinde wissen aus disen, was si ins künfftig von mir zuerwarten, weil ich theils meiner Unschuld, theils anderer nutzen wegen, si gemein gemacht.


12.

Denn weil meine in Gott festfürgesätzte Reise nach ROM herbeinahet, um di rechte Fakkel, nach unveränderlichem Gotteswillen, anzustekken, welche dem Gotte diser Welt ins Gesicht wird brennen, so wird mich zum Davidisiren di Davidsnoth genugsam treiben, derer vorschmakk dise fünffzehngesänge darreichen.


13.

Du aber, verdrukkte Heerde, verzage nicht, wann deiner euseren Vernunfft alles entgegen wird scheinen. Der Rath des Herrn gehet gantz heimlich, und ehe er völlig der Vernunfft erscheinet, so scheinet der gesonnete Monde durch den gantzen Erdboden.


14.

Streite vor mich, O verlassenes Häufchen, [5] wider di Höllenmachten mit ernstem Gebet Tag und Nacht, das du den ersten Ekkstein, davon so vil geweissaget, weislich geleget, bald anschauest.


15.

Himit uns sämtlich gesegnet. Gegeben zu Bromly bei Boo, An London, der eusern Rosenlilgenstad am Michaelistag, den 29. Septemb. 1677.


QVIRIN KUHLMANN

ein Christ.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 1 (Buch 1–4), Tübingen 1971, S. 3-4.
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