Der 2. (47.) Kühlpsalm

[208] Als er den 13 Mai aus Amsterdam, gleich in der Stunde, da er vor 43 tagen kommen, seinen Mitternachtsflug fortsätzend, über Harlem, Leyden, Hag, Delff, den 15 Mai kam nach Rotterdam, zur neuen 42tägichten Figur und des Päbstisch Yorkischen Kohlmanns hauptzerbrechung; gesungen zu Rotterdam den 20 Mai 1679.


1.

Gottlob, der Flug ist dar, der da in Mitternacht,

O mich der Pflug noch pflügt.

Gottlob, das ider meint, das ich wär unterbracht,

Weil Falschheit mich umkrigt.

Gottlob, das schwärtzste schwartz umschwärtzet mich mit macht,

Das ides art gerügt:

Allein imehr es schwärtzt, i weissre Weisse sigt.


2.

Wahr ist, Gefahr wird gros, di mir Verseilung dräut,

Wo Gott nicht wär mein Port!

O Wunder! Alles hemmt! von aller Zeit und seit!

Ich konte nicht mehr fort!

Welch Unfall grössert sich? Was Bosheit weit und breit?

An idem Mensch und Ort!

Doch du, Jehovah, bleibst mein Loth, mein Schlos, mein Hort.


3.

Ach blindes Erdenvolk, das sich, nicht mich, verderbt!

O Sodoms Nachgeschlecht!

Wen greiffestdu nun an? Und was wird nun gewerbt?

Höchstbillichst kommt dir Recht!

Du hast di schwere straff aus deinem Stamm ererbt,

Nicht mich, nur dich, geschwächt.

Weh, Sodom! Gottes Zorn volführet dis Gefecht!


4.

Jehovah Tsebaoth! Mein Vater! Starker Schutz!

Dis Hertz ist längst dein Sitz.

Du sihst, wi alle Dir, nicht mir, heut bitten trutz!

Ihr witz ist Sodomswitz!

Was stürmen? Welcher Zug? Zu was ist dises nutz?[209]

Weh ewigst, nicht nur itz!

Weh, si entzünden (Weh!) des Sodoms hitz und blitz.


5.

Was thustdu, thummer Hauf? Ist nun nicht meists vollendt?

Ja nun di Erndte naht!

Du bist, Sectirisch Volk, vom Babel Bel verblendt:

Drum erntstdu Babelssaat.

Di heilge Warheit bleibt der Falschheit unerkennt!

Weh, der von Christus trat!

Dann des Elias feur befeurt strakks Babels Rath.


6.

Jehovah Tsebaoth! Mein Vater! Gib di hand!

Si sind zur erndte reif!

Wann deine Sonn aufgeht, so geh auf ihre schand!

Greif nach dem Loth, greif, greif!

Ich schüttel ab den staub, der mich bei ihnen band!

Treuf mit der straffe, treuf!

Nun wasche si, mein Gott, mit deines Eifers seiff!


7.

Gottlob, der Flug wird dar, der da in Mitternacht,

Ob mich der Pflug noch pflügt!

Gottlob, das ider meint, das ich wär unterbracht,

Weil Falschheit mich umkrigt'.

Gottlob, das schwärtzste schwartz umschwärtzte mich mit macht,

Das ides art sich rügt:

Allein imehr es schwärtzt', i weissre Weisse sigt.


Zweiter Theil,

Als ihn der Geist plötzlich trib nach Dordrecht, da der weltberuffene Synodus dem wahrem Christlichen Concilium des Propheten Drabitz vorgespilet, in Dordrecht voller tiffe den 23 Mai 1679.


1. 8.

Gottlob, der Flug ist dar, der da aus Mitternacht,

Ob mich der Pflug noch pflügt.

Gottlob, das ider meint, das ich wär unterbracht,

Weil Falschheit mich umkrigt.

Gottlob, das schwärtzste schwartz umschwärtzet mich mit macht,

Das ides art gerügt:

Allein imehr es schwärtzt, i weissre Weisse sigt.
[210]

2. 9.

Auf, Dordrecht, Dordrecht auf, von dem im Vorspil ging,

Was Kurtz ins Wesen geht!

Als Gog und Magogs halb, Gottpreis! sich nun anfing,

Ist, das der Löw aufsteht.

Der in und aus dem Wald, als Petrus brüllte ding,

Und Christus Reich erhöht:

Der falsche Petrus wird darüber noch verseet.


3. 10.

Was Wiclef und was Hus, was Zwingel, was Luther,

Und was Calvinus beugt:

Dis wuchs aus Dordrecht stark, und plagte Rom erst sehr,

Da gleich Comen aufsteigt.

Des sechsten Engels schaal erschrekket Rom noch mehr:

Es fürchtet was es zeugt,

Und bleibt dem Trident doch hochhöchlich noch geneigt.


4. 11.

Vom Ost und Norden schallt, wi Daniel gesagt,/

Nun gleich das Endgeschrei:

Drum Dordrecht, merke wohl, was nun aus dir austagt,

Erlerne deine Rei.

Wi ich vor aus Lyon, hab ichs aus Dort gewagt,

Das Ost dem Nord sei bei:

Drum fällt vor aller Welt mein Mai das Babeldrei.


5. 12.

Wolan! Es ist gethan! Aus Gott ist mein auszihn!

Sein Werk ist voller still!

Sovil als gräschen nun im grünem samte blühn:

So füll Uns gnadenfüll.

Jehovah segne Uns, das wir durchaus entglühn,

Gelassen seinem Will:

Ob er Uns widrig schein und gantz und gar verhüll.


6. 13.

Wann Ostens Antimon sich mit dem Nordstahl mengt,

Blinksilbert seine spur.

Vom sibnem sibenmahl wird endlich überzwängt

Durch ihn di Braut, Mercur.

So glast er Edensgold! Der Bleistahl ist verdrängt!

Entthrönt di Babelshuhr!

Den Kreis Krystallisirt di Paradistinctur.
[211]

7. 14.

Gottlob, der flug wird dar, der da aus Mitternacht

Ob mich der Pflug noch pflügt!

Gottlob, das ider meint, das ich wär unterbracht,

Weil falschheit mich umkrigt.

Gottlob, das schwärtzste schwartz umschwärtzte mich mit Macht,

Das ides art sich rügt:

Allein imehr es schwärtzt', i weissre Weisse sigt.


Dritter Theil,

Als er nach Dordrechts zurükkunfft in Rotterdam di siben Plagschalen Wiclefs, Hussens, Zwinglius, Luthers, Calvinus, Comenius in einst ausgegossen;

des Drabitz geschrei nach 15 Jahren am 27 Mai über Roms Englisches verrath ausgeschrihen, und am 25 Junius aufbrechend, unverhofft aus Delf über Leyden und Woerden den 27. Jun. nach Utrecht am Rhein und dem am 1 Aug. 1674 eingeworfnen stifft getriben worden; voller Rheingrafischer geheimnüsse gesungen zu Utrecht den 6 Julius 1679.


1. 15.

Gottlob, der Flug ist dar, der da durch Mitternacht,

Ob mich der pflug noch pflügt.

Gottlob, das ider meint, das ich wär unterbracht,

Weil Falschheit mich umkrigt.

Gottlob, das schwärtzste schwartz umschwärtzet mich mit macht,

Das ides art gerügt:

Allein imehr es schwärtzt, i weissre Weisse sigt.


2. 16.

Auf Utrecht, arm des Rheins. Nun höhr den reinen schall,

Der vom Rheingrafen thönt!

Von deinem Rhein fährt aus, was strakks hellt überall,

Wann Friderich bekrönt!

Dein fünffter Friderich, mit dessen Wunderfall

Sich Babel noch beschönt!

Umsunst! ihr Bau zerfallt, den Friderich strakks höhnt.


3. 17.

Der flug kommt durch den der pflug! der uns durch trug angreifft:

Gott gibt in Noth erst krafft.

Sehr herb ist ide frucht, eh gantz si ausgereifft:[212]

Dann sänfftet erst ihr safft.

Das Elendskrigesheer hat lang auf uns gestreifft:

Es nahm den flug in hafft.

Alleine Gottes gütt hat mich zum flug gerafft.


4. 18.

Wi Fridrich schlif am Rhein: so war auch itz mein schlus,

Das ich da schlafen wolt:

Doch alles widerstund, weil ich Plus Ultra mus,

PLUS ULTRA, wi gesollt.

Drum nihm, O reiner Rhein, nun disen abschidkus!

Gott hat mich neu beholdt,

Das ich von dir ausflog, wo der Vortempel rollt.


5. 19.

PLUS ULTRA war der Ris, der so das eusre ris

Vom innerm, ULTRAIECT!

PLUS ULTRA ist er noch: das eusre findt verlis,

Das inner ist entflekkt!

PLUS ULTRA wird er bald: der durch das eusre stis!

Das inner ist erwekkt;

Allein vom euserem PLUS ULTRA ni geschmekkt.


6. 20.

Wohl an! es ist gethan! Jehovah, schenke stärk!

Belebe, was entlebt!

Jehovah, bilde selbst mit mir dein heimlich Werk,

Weil alles widerstrebt!

Jehovah, segne mich, das ich auf dich nur merk,

Durchaus dir angeklebt!

Mein Vater, nihm mich gantz! Mein gantzes sei gehebt.


7. 21.

Gottlob, der flug wird da durch Mitternacht,

Ob mich der pflug noch pflügt!

Gottlob, das ider meint, das ich wär unterbracht,

Weil Falschheit mich umkrigt!

Gottlob, das schwärtzste schwartz umschwärtzte mich mit macht,

Das ides art sich rügt:

Allein imehr es schwärtzt, i weissre Weisse sigt.


[213] Endlicher Nachklang, auf dem Maesflus bei Dordrecht den 6 Julius und in Bril den 7 Jul. 1679.


Gottlob, der Flug waristwird' dar, der da in, aus, durch Mitternacht,

Ob mich der Pflug noch pflügt!

Gottlob, das ider meint, das ich wär unterbracht,

Weil Falschheit mich umkrigt!

Gottlob, das schwärtzste schwartz umschwärtzet mich mit macht,

Das ides art sich rügt:

Allein imehr geschwärtzt, i weissre Weisse sigt.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 1 (Buch 1–4), Tübingen 1971, S. 208-214.
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