Der 2. (17.) Kühlpsalm

[49] Nachdem er den 3. Mertz mit seinem Hause von Bromly durch London auffbrechend, über Dartfort, Rochester, Sittimborn, Canterbury, Dover glükklich gereiset, zwischen Engelland und Frankreich im Pakketboot gesungen den 5. Mertz 1678 und völlig den 10. Mertz zu Calais in Frankreich ausgesungen.


1.

Ich komme nun vor deinen Thron,

Dreieiniger, mit beten schon,

Nachdem di Reis ist angefangen,

Um völlig Gnade zuerlangen.


2.

In deinem Schirme reist ich aus;

Durch deine Krafft lis ich mein Haus,

Mein Vaterland, und mus verlassen,

Was mich vermeinte zuumfassen.
[49]

3.

Gleich itzo eilt das Schif zur see,

Mit welchem ich gantz freudig geh,

Mit dir durch alle wüste Wellen,

Um deinen Willen fortzustellen.


4.

Di Reis ist gros, noch mehr ihr Werk:

Ich brauch und brauch als imals stärk,

Zu Meer und Land durch tausend nöthen,

Mit denen sich di Welt wil tödten.


5.

Der vollen Segel schneller flug,

Des besten Windes Flügelzug,

Sind deiner Libe wahre Zeichen,

Um deinen willen zuerreichen.


6.

Der weisse Monde weisst di Nacht;

Das Schif wird sanffte durchgebracht.

Was wird dis anders mir andeuten,

Als deines Mondes sanfftbereiten?


7.

Ob ich nach fünffer Uhren schlag

Schon nah bei Land zum anker lag;

Doch must ich warten noch fünff stunden,

Eh ich im Port den Port gefunden.


8.

Di Morgenvölker stehn durchklährt,

Und nach fünff Monden gantz bekehrt:

Dann sind fünff Monden noch zuwarten,

Eh sich entschleust der Edensgarten.


9.

Dis Schifchen, als es letzt bespannt,

Ist feindlich worden angerannt:

Alleine Gott hat mich beglükket,

Das ich erwünscht bin fortgeschikket.


10.

Ach Rom hat vil vor Uns gestürtzt,

Und tausenden di Zeit verkürtzt!

Allein es wird (Triumf!) nun müssen

Durch hundert Jahr zu Jesusfüssen.
[50]

11.

Was trutzet der Gottlose hauff?

Er blähet sich zum sterben auff.

Ach siht er nicht, das schon begonnen,

Dadurch sein gantzer Grund zerronnen?


12.

Sein Götzendinst kam aus der Höll;

Nun findt er seine zeugungsstell.

Das Christenblutt, von Rom vergossen,

Ist duppelt über Rom beschlossen.


13.

Herr Tsebaoth! Dein ist der Kampff!

Du selbst zerstreust, wi Rauch und Dampff,

Den Mann, der neben dir wolt sitzen,

Und als ein Gott auf Erden blitzen.


14.

Du hast, Jehova, mich erwekkt,

Und deine Hände mir gerekkt!

Du wirst, Jehova, mich bewahren,

Und mich in friden lassen fahren.


15.

Jehova, blend' ihr Aug und Sinn,

Das Sodoms Volk nichts werde inn!

Las ihre Götter vor si streiten,

Indem wir ihren Fall bereiten.


16.

Wer Götter und Göttinnen lehrt,

Der sei von dir, mein Gott, verstört:

Wer sich vor Gott stat Gottes sätzet,

Der sei verflucht, verdammt, vernetzet.


17.

Di Heiligen sind Jesus Knecht,

Durch ihn allein bei Gott gerecht.

Si können nur durch ihn bestehen:

Wi sollen wir zu ihnen gehen?


18.

Di Heiligen sind Adams Söhn,

Und gaben sich zum Christgethön;

Si sind vor Uns im Engelorden

Zu Königen, nicht Göttern worden.


19.

Di Heiligen sind erst bewegt,

Wann sich in ihrem Zweig was regt:[51]

Si können auch nicht weiter schauen.

Wi sollen wir auff Heilge bauen?


20.

Gott ist das einigst Allerhand,

Von sich in sich durch sich erkand!

Gott ist uns näher zuergreiffen,

Als di Gedanken mögen streiffen.


21.

Lobt, Völker, lobt ohn eingem schlus

Den Götter Gott, dem dienen mus

Selbst aller HimmelHimmelHimmel

Und dises Erdenvirsgewimmel.


22.

Lobt, Heiden, lobt, der euch regirt!

Der mit Vernunfft euch hat bezirt!

Der täglich euch mit allen Gaben

So reichlich pfleget zuerlaben.


23.

Lobt, Zungen, lobt, der euch zertheilt!

Und wider einst in einer heilt!

Lobt, Brüder, lobt in heilgen flammen

Gott Vatern, Sohn und Geist zusammen.


24.

Werfft weg mit mir der Götter meng

Und all verbotenes gepräng,

Um überall nach Gottesweisen

Gott Vatern, Sohn und Geist zupreisen!


25.

So reis ich fort! O Gott gewehr,

Und hab ich dis, was ich begehr,

Wann alle Völker, Heiden, Zungen,

Gott Vatern, Sohn und Geist besungen.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 1 (Buch 1–4), Tübingen 1971, S. 49-52.
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