Der 11. (41. 116.) Kühlpsalm

[313] Darinnen er di 17 Reformationsengel der Offenbahrung gegen di 17 Männer Babels aufbot, um zugleich mit ihm das dritte Weh auf das Thir zubringen; zu Amsterdam den 5 Jahr- und gemeinem Junius 1685.


1.

Auf, Sibzehn Engel, Auf, di ihr di Zehnzahl führt,

Wann ihr vereinigt werdt mit unser Sonn und Mond!

Di Stund ist da mit mir zuleuchten,

Weil beider zeugen zeit sich im Aprill vollendt.

Der Antichrist hat seinen Mai begonnen,

Der schon verflossen ist, weil meine zeit im Krebs.

Er nahm di Kron in dem verworffnem Jacob,

Als gleich sein Weh sol rächen beide Weh.

Auf, Auf, und güsst mit mir di strahlen auf di Sonnen,

Di mir di wahre Sonn, in der ich steh, verfinstert.


2.

Di Reiche diser Welt sind reiff zur Christuserndt,

Von der ihr so zertheilt, so manches Jahr posaunt!

Das hauptgeschrei der Virundzwantzig

Hat sibenmahl geschallt und ging so lang vor mir!

Der Tempel ist im himmel unser Himmel,

Weil seine Ordnungsarch durch Christ in Uns gelegt!

Di Boten sind so häuffig vorgegangen,

Das einmahl zeit vor unsre sanffte Kühl!

Blitzt, stimmet, donnerschlagt, erdbebet, hagelt einig,

Bis aller Erdkreis sei zum Christusreiche worden!


3.

Maria hat schon längst empfangen ihren sohn,

Den Christus im Johann an seinem kreutz ihr gab!

Di Kirche ist durch Constantinus

Besonnt, bemondt, besternt, obgleich der Drach erschin.

Der Christus Sohn ward doch zur Welt gebohren,

Ob Satanas gelaurt zufressen dise frucht.

Printz Jesuel wuchs doch durch Christ aus Adam,

Ob Adam gleich verlohr zuerst den Kampff.

Des Satans Sibenkopff und zehn der höllschen hörner,

Siht doch den dritten theil, den er verdarb, ersätzet.
[314]

4.

Di Kirch und Mutter blib selbst durch Justinian,

Ob Erd und meer durch ihn im Christenthum vergifftet!

Der Drache hat zwar alls verdrachet,

Als falsches Heidenthum bekleidt den Christusthron!

Allein umsonst! Di tausend beider Zeugen

Verschlungen seinen strom, ob es ihr leben stund.

Ob sich der Pabst nach höllscher art erhöhet,

Als ihm der Kaiser gab krafft, macht und seinen stuhl.

Ob Geist- und Weltlich ehrt di Kaiser und di Päbste:

Doch glauben und Gedult verblib in beiden Zeugen.


5.

Di Kirche blib als Kirch, ob Ahab alles lis

Der falschen Jesabel durch der Lateiner witz!

Di hundert vir und virtzig tausend

Sind aus den Klöstern doch erkaufet von dem Lamm!

Der heilge saat bracht Rosen auf den dornen,

Ob Schwerd, feur, Tod und qual di wahren Kinder traf!

Elias fand sein heil bei der Wacholder,

Ob ihm der Pabst den Tod durch seine sibzehn schwert!

Er salbt doch Ost und Nord, von Gott gestärkt an Horeb,

Und fandt Elise stets, ob er sich meint alleine.


6.

Auf, Sibzehn Boten, Auf, di ihr dreihundert Jahr

Bis auf den Kühlmann seid einander nachgefolgt!

Wi ihr bisher verkehr der schlüssel

Gespilt mit Rom nach art, di ides zeit ertrug:

So müsset ihr mit mir di sibzehn brechen,

Und greiffen si ernst an, bis ewig si vertilgt!

Ihr sollt mit Uns nicht eher Fride blasen,

Bis selbst der Satanas an seine sibzehnkett!

Bis alle Länder sind zur Lammeshochzeit kommen,

Und Adam wider lernt zuwohnen in dem Eden!


7.

Ihr siben Innere, di ihr durch alle Land

Das Evangelium, das ewig, habt gelehrt!

Ihr siben Ihr, di ihr im euserm

Di siben schalen habt gegossen auf den Pabst!

Ihr starke drei, im innerm und im euserm,

Di ihr nach Seel, geist, leib erleuchtet meine Kunfft![315]

Nehmt ab di dekk, erlernet eur Geheimnüs,

Und euer alter zahl im strahl der gantzen Kron!

Was zankt ihr, Brüder, euch! Ihr seid di Gottesknechte,

Di ihr vor mir gesand, um meinem Weg zu bähnen!


8.

Das Babel falle gantz, das unsern geist im geist

Von seiner seelen schid im erstem Adamsschlaff!

Di grosse Stadt der sibtzig Völker

Sei gantz und gar vertilgt mit ihrem Huhrenwein!

Wer mehr das Bild des Thirs und Duppelthires,

Anbetet auf der Erd, der fährt zum beider rauch!

Des Christusreichs Figur schlägt an di sichel,

Weil gleich di erste Lib einerndtet alle Welt!

Der heilge Tempel gibt der Weisheit scharffe hippe,

Das recht di sibenzahl des Rundtes Trauben keltert!


9.

Der alt und neue Bund sei recht der Kühlungsbund,

Der aus der hütten geh des Zeugnis aus dem Pol!

Ob schon der rauch den tempel füllte,

Doch war der Gotteszorn in disem Zorn gerecht!

Der Rauch vergeh von idem bitterm Zusatz,

Als wi ein Mann ablegt di schwachheit seiner Jahr!

Da er ein Kind, so war sein Wesen Kindisch,

Das alls ihm vorgebildt nach seiner kindschen art:

Als alter und Vernunfft den wahren grund eröffnet,

So sihet er nicht um nach dem, was er geredet.


10.

Di böse drüs an Rom des Wiclefs sei zum Tod!

Das blutt des Hussens werd an allen Päbstlern blutt!

Der Zwinglius mit seinen Schweitzern

Vergelte seinen tod aus seinem Wasserbronn!

Lutherus werf das Kaiserthum zu boden!

Calvinus schwärtze gar di Allerchristlichsten!

Comen güss aus das ende der dreistände

Des gantzen Babylons an idem Euphrates!

Das Lager, Zelt, Standart des Gifftheils, Tany, Rothens

Errege wesentlich, was er der Welt vorbildte!
[316]

11.

Di grosse Stimme sei voll klarheit nun gehöhrt,

Di wir vom Babels fall als Jüngling riffen mit!

Di Standart sei aus Ost und Norden

Durch der zehn Stämme kunfft der wesentlich beginn!

Das gehen aus von Amsterdam nach Lübekk

Verwandel sich mit ernst ins wesentlich ausgehn!

Der Abfall sei der fall von Babels waaren!

Das Urimthumim heb den grossen Kaiserstein,

Der alles eusre mahl zum pulver in dem sturme,

Bis Christi Königreich mir schenke seinen zepter!


12.

Höhrt, sibzehn, höhrt mit Uns der Himmel grosse schaar,

Di täglich schon auf Erd bekräfftigt mich so mild!

Di Eltesten erscheinen freudigst,

Wi mir ihr Böhme vor den Weg so mild anwis!

Di Stimme geht schon klahr vom Gottesstuhle!

Vil tausend Heiligen di wandeln schon auf Erd!

Di Hochzeit ist des Lammes angefangen.

Ob Babels blindes aug im Sodomstrib erblindt!

Vil Seelen kommen ab, und sprechen von dem Brautschmukk!

Das Abendmahl ist da der ersten Auferstehung!

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 313-317.
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