Der 6. (36. 111.) Kühlpsalm

[298] Als er in ansehung der heutigen macht des Lucifers und Vorspils des Duppellucifers, di kräffte aller Patriarchen, Propheten, Aposteln zu schwach vor di Einerndtung des Erdkreisses ersahe, und um den Geist Jesu Christi, nach des Jesuels Throncenterzahl, di Millionenfach aller Menschenwitz übersteiget, ernst anhilt, voll in den Engelswundern; zu Amsterdam, 11 und 10 Jahre nach Rothens 40 wochlichem ausgang und Tanneken einigung, am Ostertage, den 22 Aprill, 1685.


1. 1.

Allmächtigster Jehova Jesusjah,

Du unaussprechlichstes Grundwesen aller wesen!

Dein Knechtchen suchet ernst den geist des Jesuels,

Nach feuer und nach licht im Center aller Center!

Dein Knechtchen siht den grossen weltverderb,

Di stärke Lucifers in seiner finstern Welt!

Dein Knechtchen schauet an di freiheit des Geschöpffs,

Und wi unmöglich nun des Glaubensmacht durchbreche!

Elias feur bringt A.L.L.E.S. heut in bann!

Johannes Libe mus verlihrn heut alle Welt!

Drum seufftzt dein Knechtchen ernst um der neungraden Krone.


2. 11.

Was hilfet mir noch dein unendlich glantz,

Den du durch zeugen mir in idem land ertheilest?

I grösser vorspil geht, i schlechter steht mit mir,

Weil Satan Alle kan in disen zeiten sichten.

Ruht gleich auf mich der beiden zeugen Geist

Vom Abel und vom Seth bis an di Anglican!

Stehn alle Wunder gleich in deinem Wunder klahr?

Vermillionen sich di bilder der Propheten?

Ja führstdu mich, mein Weg, mein Rath und pfad![298]

Di Menschen fallen hin, di grossen und di klein!

Drum suchet recht das End den Jesuelschen Anfang!


3. 111.

Dreieiniger! Mein Vater Gott Gott Gott!

Gib mir den Jesusgeist, der seinem Sohn nur eigen!

Den geist, von dem du sprachst zu dem Prophet Kotter,

Als du den stern ihm wisst, der alle sterne tausendt!

Den stern, der hell und schön im finsterm lande scheint,

Vil tausendmahl vilmehr, als i noch schin ein stern!

Di stärke, welche ward dem Hermann angezeigt,

Di grösser tausendmahl, dann Menschen aussprechen,

Der kein geschöpff auf ewig widersteh?

Der Geist in diser stärk is heut allein di stärk,

Durch den di böse Welt zum Jesusreich zuerndten.


4. 1111.

Gib, Vater, gib das kleinoth deiner Lib,

Das du dem Michael, dem Uriel gegeben!

Den Throngeist Jesuels, den Jesus widerbracht!

Sei König und Prophet und Prister selbst in Allem!

Beherrsche selbst durch Jesum unsern thron!

Nihm ein, nihm ein durch mich den virgetheilten Rund,

Und ides Element, das Fürstenthum der stern,

Und was weit den begrif der Menschen übersteiget!

Las mich einzihn im Himmel und auf Erd!

In diser leiblikeit bereiten iden Mensch,

Das er auf ewig mög im Jesusthrone leuchten!


5. 11111.

Dein Zepter bringt di Zepter alle bei,

Mit denen Geist und Mensch in disem kreis bezeptert!

Dein Schwerd entschwerdte voll, was noch das Schwerd verdint,

Das alle Schwerdter sind der eisern Rutt gehorsam!

Es sei dein Wort an idem Ort erfüllt,

Das nicht ein pünctchen fehl an einem eingem Punct,[299]

Im Himmel oder Erd, von aussen und von inn!

Wer zu dem feuer renn, verbrenn durch blitz und feuer:

Ein ider hab nach seinem Centrum straff.

Der Fürst und unterthan erlange gleiches Recht!

Was nicht zum dinste eilt, der leide nach verdinste.


6. 111111.

Der Höllunfürst erscheine zu der kett!

Er flih in Abgrund hin, der ewig sein gefängnis.

Dein schlüssel aus der krafft sei mir zur hand in krafft,

Das ich den unhund gantz von Elementen treibe.

Kein zäuberer genüsse mehr der Lufft,

Di noch in gutt und bös auf deinem Erdkreis weht!

Der Moses und das Lamm regire Stadt und Land,

Di höhe und di tiff, und der Weltkugel inners!

Das böse sei zum Bosheitpfuhl gepresst.

Das gutte bleib allein, als Gott es erst einsätzt,

Eh Vater Adam fil durch Lucifers betrügen.


7. 1111111.

Di Erde sei geseubert von dem blutt,

Mit dem vom Abel an si schändlich verunreinigt.

Der fluch entweich aus ihr mit Lucifern zur höll,

Das si von tag zu tag zur ersten klarheit klimme!

Das Engelvolk eil sichtbarlich herab,

Um ihre Brüder neu zuküssen zum Willkomm!

Di Heilgen müssen sich gesellen zu dem leib,

Wo si noch wesentlich mit ihme nicht vereinigt!

Das Paradis steh offen meinem Volk,

Sein garten sei zur lust vor eine Sabathslust,

So lange noch di Welt nicht kan sich paradisen.


8. 11111111.

Ost, Sud, West, Nord besitze keinen Mann,

Der nicht in unserm aug an idem platze schwebte!

Di hölle habe selbst in ihrem grimme nichts,[300]

Das si vor unserm geist im geiste könte bergen!

Der Schandfürst trag auch seine schand vor mir,

Wi er in Adam mich so fälschlich hat betrübt!

Den ich im geist besigt, der bleibe stets besigt,

Und sei im Kerker auch mein ewiger fusschemmel!

Das Jesusblutt werd ihm ein theures blutt,

Weil Jesu eigner Sohn des Vatern hohn hochrächt,

Nachdem so viles blutt des Adams fall versöhnet.


9. 111111111.

Di Weisheit blitz im allereinstem blitz,

Darinn di Schöpffung ward der Himmel und der Erden!

Das allererste feuer sei wider unser feur,

Vor dem di Erde schmeltzt, als Eis, im Jüngstgerichte!

Di erste Sucht, di alles sichtbar macht,

Als wi der Frost das eis, sei unser Libesspil!

Der zahlen unzahl zähl in unser zahl di zahl:

Si wige alles ab, was uns Gott lis abmessen.

Printz Michaels, Printz Uriels Verstand

Durchschärffe den Verstand mit ewiggleichem witz,

Das Lucifer erblass im Jesuels andenken.


10. 1111111111.

Was unsre neun durch Jesus Kühlung führn,

Und von dem Adam ab bis an Sophaten reichet:

Dis müsse gantz von uns vermillionenfacht,

Als wi di Kron mitbringt, im end gelifert werden.

Was Lucifer durch seinen fall verseimt,

Eröffne völlig sich aus uns durch Jesusgeist,

Weil nichts unmöglich dir und mir in deiner krafft!

Dann erndtestdu, mein Gott, recht deines Sohnes glauben!

Dann steht dein Feind verwirrt, verirrt, in scham!

Er findt, was er verschertzt; siht seiner Torheit straff:

So bleibet Adam doch durch Jesum Christ sein Richter.


11. 11111111111.

Ja, ja, mein Sohn, du solst mein Richteramt

Durch meines Vatern krafft in meinem nahmen führen,[301]

Stos aus den Drach vom meer und von der Erd,

Wi ihn längst Michael vom Himmel ausgestossen!

Kämpff hurtig, kämpff mit der geneundten Rei,

Das keine stete mehr vom Satanas erschein

Auf disem gantzen Rund, der dir zum Thron geschenkt.

Greif an den Drachen, greif! Schleus auf den Hauptverfluchten!

Verfolge den, der dich so lang verfolgt!

Verklag ihn tag, und nacht, der tag und nacht geklagt!

Nun ist Macht, Reich, Krafft, Heil, durch meinen Sig gegeben.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 298-302.
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