Der 3. (63.) Kühlpsalm

[15] Über di plötzliche Erblikkung der Grostinctur im Octob. 1680, derer Wesenheit dem 15 October 1684. unter dem nahmen Davids zur Maria Anglicana verlihen ward; im admen JehovaJesus, durch brodmung JehovaJesus, aus anhauchung JehovaJesus, heraus geadmet, gebrodmet, gehauchet, zu Amsterdam im 17 October 1680. und 2. 3. 15 Februar. 1681.


1.

Adem, den Gott durch di nasen

Mir dreieinig eingeblasen,

Adme Gottes gutte gütt!

Fasse dich durch hertz und grüffte!

Schalle, halle durch di lüffte

Voll Jehovens stammgeblütt,

Voll Jehovens Geistgemütt!

Adme aus, was Gottgeschenket,

Der aufs neu an dich gedenket!

Adme lobvoll Gott den Herrn,

Oben, unten, nah und fern!


2.

Brodme durch der Winde flügel

Gottes Gnaden als im Spigel!

Adme hoch mit Adams licht!

Adme aus dem Gottesbrodem,[15]

Aus dem Kraffterfülltem odem,

Voll Jehovens angesicht,

Voll Jehovens Krafftgericht!

Brodme wunderlich im Wunder!

Sei des heilgen Brodems zunder!

Brodme lobvoll Gott den Herrn,

Oben, unten, nah und fern!


3.

Hauche dich aus Gotteshauchen

In dem heilgem schwebungsrauchen

Ewigewigewigst mehr!

Brodme aus dem Gottheitgrunde,

Brodmend schöpff aus Jesus munde,

Voll Jehovens angehöhr,

Voll Jehovens Wort und lehr!

Hauche heiligheiligheiligst!

Gantz im gantzem! unzertheiligst!

Hauche lobvoll Gott den Herrn,

Oben, unten, nah und fern!


Erster Gegensatz.


1. 4.

Gott ist grösser als wir sinnen,

Über menschliches Beginnen,

Über der Geschöpff verstand:

Unbegreifflichst aller wegen,

Unerforschbar, ni zuregen,

Mehr als etwas noch empfand

Ein allmächtigst Allerhand:

Über alle seine gaben

Weitunendlichst hocherhaben.

Ider Adem lobt den Herrn,

Oben, unten, nah und fern.


2. 5.

Gott ist übermajestätisch,

Wahrer Demutt nur anbetisch,

Wahrer Nidrikeit entdekkt:

Heiligsanfftem Zittern offen,[16]

Süsser Libe angetroffen,

Reiner warheit recht geschmekkt,

Allen andern höchsterschrekkt!

Sündern furchtbar, unerträglich,

Unanschaubar, ewigkläglich.

Ider Brodem preist den Herrn,

Oben, unten, nah und fern.


3. 6.

Gott ist über zeit und Orte,

Denken, reden, schreiben, worte;

Höher als ein lob i geht:

Über aller hertz und zungen,

Unbelobet, unbesungen;

Nach den würden ni verhöht,

Würdiger als man versteht:

Ihm ergriffen, ihm erkennbar,

Den Geschöpffen nimals nennbar.

Ider hauch der rühmt den Herrn,

Oben, unten, nah und fern.


Zweiter Satz.


1. 7.

Zwar Gott loben, wi Gott würdig,

Ist Geschöpffen ewig bürdig,

Weil dis bleibet Gottes Merk:

Doch läst Gott ein Kindlich lallen

Väterlich ihm wohlgefallen:

Unsre Schwachheit heist er stärk,

Weil wir seiner hände werk.

Lasset Gotteslob anstimmen,

Höher stets im loben klimmen:

Admet lobvoll Gott den Herrn,

Oben, unten, nah und fern.


2. 8.

Gros und klein ist ausgeflossen,

Wi sein schöpffer es beschlossen,

Nach der eignen Ordnung art:

Eines-zehen-hundert-tausend

Aus der Ewikeit herbrausend[17]

Wird vom Schöpffer gleichgepaart,

Gleich gehalten, gleich bewahrt.

Lobt Gott gleich, was gleich bequemet,

Di ihr gleichen Anfang nehmet.

Brodmet lobvoll Gott den Herrn,

Oben, unten, nah und fern.


3. 9.

Gros und kleines, hoch und nidrig

Scheint Geschöpffen in sich widrig

Nach gewichte, mas und zahl:

Doch bei Gott ist gantz kein wählen,

Kein gewichte, mas und zählen;

Nur ein einigs Allzumahl;

Gleich im Ewikeitenstrahl.

Rühmt Gott alle gleich erlesen,

Di da werden, sind, gewesen.

Hauchet lobvoll Gott den Herrn,

Oben, unten, nah und fern.


Zweiter Gegensatz.


1. 10.

Gott ist heiligheiligheilig,

Eine Dreiheit unvertheilig,

Da di Einheit unverletzt.

Gott der Vater ists begehren,

Gott der Sohn sein Lustverklähren,

Gott der heilge Geist ergetzt,

Weil er würklich alls darsätzt.

Alles admen ist verschiden:

Drei und einig, doch im friden.

Ides admen singt den Herrn,

Oben, unten, nah und fern.


2. 11.

Gott ist gros in Cherubinen,

Grösser in den Seraphinen,

Allergröst in ihrem Haupt:

Heilig durch die Christvorläuffer,

Heiliger im Christustäuffer,[18]

Allerheiligst, da geglaubt,

Was di Erde neugoldlaubt.

Alle brodmen nach vermögen,

Drei und einigst, sich nicht gegen.

Ides brodmen hallt den Herrn,

Oben, unten, nah und fern.


3. 12.

Gott ist Allen ALLES worden,

Voller und auch sonder Orden,

Allesaller Creatur:

Lässt sich gros und grösser zeigen;

Sich ausreden, sich ausschweigen;

Aller Aller Allescur,

Auch nach aller zahlen spur.

Alle hauchen nur das Eines,

Das von Allen ewigst Keines.

Ides hauchen dankt dem Herrn,

Oben, unten, nah und fern.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 15-19.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Kühlpsalter, Band 2
Der Kühlpsalter II: BD 2
Der Kühlpsalter: Band 2

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Cardenio und Celinde

Cardenio und Celinde

Die keusche Olympia wendet sich ab von dem allzu ungestümen jungen Spanier Cardenio, der wiederum tröstet sich mit der leichter zu habenden Celinde, nachdem er ihren Liebhaber aus dem Wege räumt. Doch erträgt er nicht, dass Olympia auf Lysanders Werben eingeht und beschließt, sich an ihm zu rächen. Verhängnisvoll und leidenschaftlich kommt alles ganz anders. Ungewöhnlich für die Zeit läßt Gryphius Figuren niederen Standes auftreten und bedient sich einer eher volkstümlichen Sprache. »Cardenio und Celinde« sind in diesem Sinne Vorläufer des »bürgerlichen Trauerspiels«.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon