Der 5. (65.) Kühlpsalm

[26] Als Jehovah mit den Gerichten, wi er ihm ausdrükklich versprochen, aller Orten in seinen 10. Amsterdammschen Monathen 1680 hart begonnen, und sein 30 Geburtstag mit der 7. Gestalt gleich nahte; um Vergebung, Versöhnung, Libe gegen sovil Folterer hertzinniglich abecediret aus den Wundern der zehnmonden und des Hauptcometens, zu Amsterdam den 22. 23. 24. Febr. 1681.


1.

Ach wend, O Gott, dein Eiferfeur,

Das alle Feind in grosser Krafft wil fressen!

Der frevel steht schon allzutheur,

Das si des Rechts des schöpffers so vergessen!

Las wahre lib in mir aufgehn,

Das denen ich versöhnt, di dich in mir verlassen,

Und dich nicht wollen fassen!

Las endlich si dir auferstehn!

Las eigenrach aus meinem hertzen schwinden!

Vergib, vergib den unbewusten Sünden.
[26]

2.

Barmhertzikeit ist Gottesart,

Voll freundlichssein, unendlichgrosser gütte,

Schau, dein Geschöpff, das aus dir ward,

Wil arten nach nur seinem stammgeblütte.

Gib, Vater, mir di Christgedult,

Das ich di bösen lern in langmutt sanft zutragen:

Si möchten in sich schlagen,

Bethränen ernstlich ihre schuld.

Barmhertzikeit hat Seelen offt erworben,

Di Rachzorn hätt, ob er gerecht, verdorben.


3.

Christähnlichen ist Jesu gleich

Vilmehr di Feind als beste Freunde pflegen;

Gewinnen si ins Christusreich,

Und freuen Uns ob disem reichen segen.

Wir binden ernst den Höllenhund,

Wann wir entreissen ihm, di er nun hält gefangen,

Vermindern dessen prangen,

Und machen seine schande kund.

Wir werden selbst stets klährer Christgebohren,

Wann di bei Uns, di meist sich schon verlohren.


4.

Durchleuchtiger wird Gottesnahm,

Wann Gott vergibt, was sonst di Straff verdinet:

Der Sünder ligt im Satans schlam,

Durch Satans trug am lebensbaum entgrünet.

Wir alle sind durchausbeflekkt,

Wann Uns dein glantz, Herr Jesus, nicht durchlichtet,

Und würden rechtst gerichtet:

Du hast Uns gnädigst aufgewekkt.

Las Uns in Lib aus deiner Libe leuchten:

Las, was verdorrt, wi du Uns thust, anfeuchten.


5.

Erbarmet euch doch eures stands,

Des Seelgeistleibs, ihr Erdenreichste Armen!

Ach macht euch los des Höllenbands!

Fallt, fallt zu fus, weil noch bei Gott erbarmen.

Erbärmlichst ist (Ach!) euer thun,[27]

Weil ihr Uns ewigst nichts, alleine euch müsst, schaden.

Ihr grössert Uns genaden:

Gott ist bei Uns, wo wir auch ruhn.

Di Hölle wird, weil Gott mit Uns, zum himmel:

Der Himmel euch zum ärgstem höllgetümmel.


6.

Fern scheint zwar Gott wann wir geplagt,

Von innern mehr, als euer eu(i)sern Marter:

Gott finstert Uns, wann Uns Gott tagt;

Gott macht Uns dürr, imehr wir Gottes Warter.

Di Welt wird euch, Verführte, süs,

Wann si euch mandeltränkt, durchzukkert, honigthauet,

Und überall anpfauet,

Bis ihr erblikket eure füss!

Gott nimmt dort weg auf ewigst unser leiden:

Gott nimmt dort weg auf ewigst eure freuden.


7.

Gedenket an eur Vorgeschlecht,

Wi ihnen vor, was ihr nun thut, bekommen:

Gott war und ist und wird gerecht;

Eur Sechsgericht wird stündlichst vorvernommen.

Verblendte, seht, was ihr nun se(ä)ht!

Ihr schertzt, wi Noah, Loth und Moses ward geschertzet,

Wi Christus ward behertzet:

Gedenkt, wi es sich ausgedreht.

Nun Noah, Loth und Moses Petrisiren,

Wil auch di Welt der Vorwelt wappen führen.


8.

Habt achtung auf der zeichen heer,

Auf Sonn und Mond, auf häuffige Gerichte!

Auf ides Land, auf Erd und Meer,

Auf neue Stern, auf tausendfach Gesichte!

Di Wunder sind sehr vil und gros:

Si predigen di Bus, verstärken sich noch täglich.

Verstokkung ist nun kläglich:

Di Nachwelt dringt zur Vorwelt los.

Habt achtung, habt, eh noch di Arch verschlossen:

Zuspät ist Bus, wann Uns di Rach umflossen.
[28]

9.

Jerusalem, du achtes Rom!

Ach schnarchen noch hölltrunken deine Wächter!

O Euphrates, des Babels Strom!

Höhrt man auf dir des Pharaons gelächter.

Ihr zwingt von Gott imehr den grimm,

Imehr sein Vaterhertz langmüttig euch wil dulden:

Ihr wollt dem Satan hulden,

Bis ihr verstopfft zu Gottes Stimm!

Jerusalem! Ach wilstdu gäntzlich alten!

Das Ostrom mus des Westroms stoltz verstalten!


10.

Kundschaffet durch Jehovens blitz!

Sein Zornfeur wil vil Kirchen euch anfeuren!

Gott zündet an eur Mordgeschütz!

Verpulvert euch, di ihr wollt pulver steuren!

Gott schleudersteint mit donnerstein,

Sprengt thürme und Kastel, das Stadt und Volk verplettert:

So werden stehn zerschmettert,

Di Babels Bauleut ferner sein.

Karthaunt man hir, so wird dort Gott Karthaunen:

Zerdonnern euch, wi er lässt vorposaunen.


11.

Leidklaget, di nun frisst di Pest!

Klagt tausende, di jämmerlich verscharret!

Si gingen vor, ihr folgt als Rest!

Ach bessert euch, das ihr nicht mehr erharret!

Noch Spilwerk ist, was sich gezeigt.

Schaut ihr bestätiget di Worte der Propheten?

Ihr tödten wil euch tödten.

Schaut, das den Richtspruch ihr noch beugt.

Das Sterben sterbt, di Christus Reich gesterbet:

Wer bleiern folgt, wird recht wi Blei gefärbet.


12.

Muthmasst, wi vil das Meer verschlingt,

Und dessen Noth gleich hir und dort aufräumet!

Sein brausen wird vom Eis umringt,

Weil Gottes Zorn in allen Wellen schäumet.

Vil Wasser haben alls ersäufft,[29]

Das grosse Städte sind durch ihre flüss in bängnis,

In Furcht und Angstbedrängnis:

Gott ist, der euch zur Bus angreifft.

Bekehret euch, das ihr in Gott bearchet,

Eh Wolkenbruch, eh Wasser euch besarchet.


13.

Nun erdenbebet Stadt und Haus:

Dis zittern macht zersplittern Berg und thäler.

Vil städte werden Asch und graus:

Vil thürne sind nun nidrige Grabmähler.

Das China bebt mit seinem Haupt:

Doch Babel achtet alls, was auch geschiht, natürlich:

Es wird noch schlecht berührlich,

Bis gäntzlich es aus sich verstaubt.

Erdbeben sind Fürläuffer grosser dinge:

Ihr eusers ist vorm innern noch geringe.


14.

Ohnmächtig wird das Element,

Weil Gottes Zorn in Elementen wüttet:

Was Feur und Lufft noch nicht verbrennt,

Würgt flutt und Erd, das alles wird zerrüttet.

Wann dise Stadt im Brand verraucht,

Wird jene durch den Sturm in Lüfften weggetragen:

Hauptgrosser Frost macht klagen,

Wann dort di Treuge wird gebraucht.

Di Menschen sind vor Gott nun Gallen bitter:

Drum wird auch Gott des Menschgeschlechts Zerrütter.


15.

Plagt Gott ein Land? Es ist voll trutz.

Di Nachbarschafft der Völker wird stets krümmer.

Beim eignem Fürsten ist kein Schutz:

Der Frid ist Schein, und noch als Krigen schlimmer.

Di Obrikeit wird voller trug:

Aufruhr im Unterthan gebähret erst Tyrannen.

Hir ist nur lauter bannen,

Wann dort ein Land des andern Pflug.

Ein Volk mus nur das andre Volk aufreiben,

Nun Christi Reich im Wunder sol bekleiben
[30]

16.

Quellt Gottes Rach in Sonn und Mond,

In aller Stern einflüss und finsternissen?

Gott wird in der Natur entthront,

Bis endlich Furcht vil Zeichen übergüssen.

Man siht di Wolken an bestürtzt;

Vil Sonnen um di Sonn; den Monden feurbezogen;

Kreutz, Rutten, Regenbogen;

Bald dis, bald jens, verlängt, verkürtzt.

Erschrekken hertzt manch tausend blasse lippen:

Doch bleiben si weit härter als di Klippen.


17.

Rachlodert nicht manch Wolkenbild?

Bald rollen ab Feurkugeln lichter flammen:

Bald öffnet sich das Sterngefild,

Und zihen vil auf Krigesart zusammen.

Bald ists besarcht, beschwerdt, besäult,

Bald siht gesicht dis land, bald jenes feurge drachen,

Mit unerhöhrten sachen,

Das idem Land was zugetheilt.

Was alle Zeit erschrokken fast beschauet,

Stellt dar ein Jahr, das idem billichst grauet.


18.

Scheint nicht im Pol ein solch gestirn,

Dergleichen noch kein lebender erhöhret?

Es schwäntzt die länge manch gehirn,

Di hir abnimmt, und dort sich neu vermehret.

In Sodom bildt ihn nach ein Ey,

Di Glukkhenn, Christus, hat es wollen offt beflügeln!

Umsunst, Es wolt sich Ygeln,

Und libte seinen Papagey.

Der Wundernstern wird Christi Reich ausglukken.

Heu(i)l, Edom, hei(u)l! Er wird dich ewigst drukken.


19.

Trompeten nicht Nord, Sud, West, Ost?

Feur, Lufft, Flutt, Erd? Di Thiren, Ertze, Pflantzen?

Das Christusreich ist Aller Post,

Weil si zugrund der Rome Götzen tantzen.

Dis schildert aller Wunder Meng;

Der Misgeburten hauff an Menschen, Vihe, Fischen;[31]

Si wollen höllisch tischen

Dir, Babel, zu dem Grabgepräng.

Das Babel ist di Misgeburt des Rundes:

Drum pinselt es di Mutter des Uhrkundes.


20.

Vereinfacht sich di Tausendzahl?

Sucht di Natur im end den Anfang wider?

O Mensch! Du bist Alls Allzumahl,

Di Kurtznatur, Das Centrum aller glider.

Drum tausendfacht sich Bös und gutt;

Der Himmel und di Höll und beider Offenbahren

In tausenden der Schaaren,

Das tausenden ersinkt der Mutt.

Auf, Menschen, Auf! Der Sechsherbst ist verhanden!

Gott sichelt ab di erndte aller Landen.


21.

Warhafftig ist, O Gott, dein Werk,

Dein hauptgericht und hauptgesicht der Völker!

Du gibest Uns auch Wunderstärk,

Und wird der Zorn in allen Feinden welker!

Ach wend, O Gott, der Freunde Fall!

Der nechsten, di so nechst! der nechsten Geistverwandten!

Ja deiner Abgesandten!

Las si empfinden hall und schall.

Wahr ists, si sind in Eigenlib ersoffen!

Benüchtre si! O Gott, du bist mein hoffen.


22.

Xerxirstdu mehr, mein Israel,

Als Xerxes selbst in eusern Nimrodswäldern!

Rechtfertigest du seine Wäll,

Und wirst ein Wild in Gottverbannten feldern.

Ach kehre um zum Gotteslamm!

Di Frommen ehrlichen bei Mosen sei dein Spigel.

Halt dich in dir im Zügel:

Weh Weh, wo du von ihrem stamm.

Du betest vil. Was hilfft ein eigenbeten?

Ein recht gebet ist sich in sich zertreten.


23.

Ypslonisir in deinem sinn!

Ach scheide dich, mein Freund, vom eignem Wege![32]

Gott sei dein End und Anbeginn,

Dein Mittelpunct. O mach dein Ichts nicht rege!

Beid Arons Söhne warnen hart,

Es rufft dir ernstlich zu, der vor der arch erbleichte,

Als er di hand ihr reichte,

Du thust, was si auf ihrer Wart.

Ein Kind verleuhrt des Vatern Libeswillen,

Wann Eigenkopff wil das gebot erfüllen.


24.

Zabolisirt ni, Freunde, ni,

Wann auf dem Berg Elias eifrig glühet:

Beugt Gott eur hertz, nicht nur di kni,

Eh von dem Berg eur Kalb den Mosen zihet.

Wo man fort Gott vor teuflisch schilt,

Und fodert zeichen noch, da A.L.L.E.S. voller zeichen,

Wird Christi Libe weichen,

Der als ein Löw auf euch anbrüllt.

Eur Beispil wird der Nachzeit Beispil werden,

Und predigen di Kühlzeit auf der Erden.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 26-33.
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