Der 15. (90.) Kühlpsalm

[163] Als er von Jerusalems stoltzem Jordan, wi Joris im wunderbuche geweissaget 1551. nach dem geiste sich aufbrechen, und seine Jerusalemsche Vorspilreise beschlossen sahe, der hauptwesentlichen Weisblauung unter grossen gefährlikeiten nahend; gesungen nach dem aufbruch durch das vermaurte Thor, den 29 Aug. 1682.


1.

Allmächtiger, der du dein Werk vollbringst

Gantz unbegreifflich itz!

Herr Jesu Christ, der du durch mich fortdringst

Weit über Menschenwitz!

Gott heilger Geist, der du aus mir nun singst

Von Kühlung aller hitz![163]

Du machst den umweg zu dem Weg,

Den rükkgang zum geraden steg!

Führst geistlich A.U.S., was leiblich angefangen;

Führst leiblich A.U.S., was geistlich nur wolt prangen.


2.

Wir eilen nun vom stoltzen Jordan ab,

Wi du längst vorgesagt.

Man kommt herauf zum Babels sarch und grab,

Eh allen es behagt.

Wir brechen ernst den ernsten urtheil stab,

Der Babel wider plagt.

Dein eifer wird gereitzt so hoch:

Ja Babel duppelt last und joch.

Es wil mit ernst des Sibengeists gelüsten!

Es schertzt imehr, imehr du uns wilst rüsten.


3.

Wi worden wir, gerechter Gott, gehemmt

Ob unser Jordans Reis?

Welch schmertzenssee hat uns nicht überschwemmt

Zumindern deinen Preis?

Wir wären hin, wo du uns nicht betämmt,

Weil aller lib als Eis.

Wir kämen nimmermehr zum Port,

Wo du nicht halfest selbst mir fort.

Wir bliben nur verkauffet in den banden,

Wo du nicht wärst, als Kauffmann, nun verhanden.


4.

O Falschgeschlecht, dergleichen nicht geschaut

Di Sonn in ihrem Rund!

O Heuchelei, vor der mir ewigst graut!

Um di dein zorn wird kund!

O stoltzes Volk, das Babels thürne baut,

Ob demutt ist im mund!

Wi haben uns nicht di verehrt,

Durch welche stets dein werk versehrt?

Ein ides ist des Gottesgeistes Richter:

Ich ärmster folg nur blindlings Gotteslichter.


5.

Nun hastdu si mit eigner müntz bezahlt,

Als du gantz geistlich spilst.[164]

Welch ärgernis, das di vernunfft bepfahlt!

Recht ist, worauf du zilst.

Welch strahl, der mich im heilgem strahl umstrahlt!

Durch den du si verwühlst.

Dein Feur durchfeurt ihr urtheilsstroh

In des Eliens Eiferloh.

Ihr urtheil wird das urtheil recht anstekken,

Und aus dem schlaf der sternen si aufwekken.


6.

Wi haben si Christinen nicht gequält,

Als si des Geistes voll!

Wi di vernunfft nur Thorheit ihr vermählt,

Ward Thorheit ihr zur roll.

Si ward, wi si was ohn befehl erzählt,

Krank, taub, stumm, blind und toll.

Als man dem Satan dis zuschrib,

So lässt Gott zu des Satans trib!

Merk an, vernunfft, was in Christin bezeichet,

Weil unsre zeit dis wesentlich erreichet.


7.

Jehovah, Ach! wi hastdu mich geführt

Bis nun zur sibnen Prob?

Was längst vor uns Propheten figurirt,

Dis ist, das ich aufhob!

Wi schrekklichst hat di Noth mich nun entzirt?

Dein ist der Sig und Lob.

Ich freue mich, weil du erscheinst,

Und mein Weisblaues Kaisersteinst!

Dein knabe soll in Satans flutt ertrinken!

Umsonst, di Hülf aus Drabitz wil schon blinken.


8.

Der Seiger Eilf, der uns vorm Jahr ausstis,

Fatalisiret neu:

Der Seiger Eilf der wis im Hauptverlis,

Das wir durch Frankreich frei.

Der Seiger Eilf ist Gottes Frankreichsris

Zur Frankreichs rei und reu.

Erstaunbar ist, das uns selbst Rom

Errettet aus dem Genfferstrom.[165]

Drum schütteln wir, O Genf, den staub von füssen!

Di Gottesrach lehrt disen frevel büssen.


9.

Auf, Frankreich, auf! Gott hat dich heimgesucht!

Di stunden sind nun nah!

Lobopffre Gott nur deiner lippen frucht,

Wi manch Prophet längst sah.

Dein wildes Pferd bleibt henken auf der flucht:

Doch öl und wein ist da.

Dein Himmel wird genadbelilgt:

Dein unkraut gäntzlich ausgetilgt.

Ein anders ist aus deinem Reiche worden:

Es jauchtzt mit dir mein Osten und mein Norden.


10.

O GottGottGott! Mein Schlos, mein Schutz, mein will!

Ich falle dir zufus!

Aus dir um dich ist meines hertzens füll!

In dir mein einger Schlus!

Gefahr ist dar! Ich watt in deiner still!

Du bist mein Libeskus!

Mein Sechs der Proben ist vollendt!

Das siben eilt, das A.L.L.E.S. wendt.

Sechs war hir Leid, wann Sechs dort freud ergetzte:

Das siben ist vom beidem Reich das

LETZTE.


Jerusalemscher Nachklang,

Als er nach dem Geiste mit Elias und Elisa von Gilgal durch Bethel und Jericho über den Jordan schon wandelte, unter dem höhren vom neuem Cometen, den 8 Sep. 1682.


11.

Triumf! Hosann! Hallelujah! Grosneues, das ergetzte!

Sechs Anfechtungen sind dahin, di sibne ist di letzte!

Sechs der Verfolgung sind dahin, das sibne ist das letzte!

Sechs bittre Kreutze sind dahin, das sibne ist das letzte!

Sechs heisse Leiden sind dahin, di sibne ist di letzte!

Sechs finstre Ängste sind dahin, di sibne ist di letzte!

Sechs grause Nöthen sind dahin, di sibne ist di letzte!

Sechs der Gefahren sind dahin, di sibne ist di

LETZTE.


Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 163-166.
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