Der 2. (77.) Kühlpsalm

[107] Als er den 15 November von Paris mit zweien Gefehrten sehrwunderlich weil eine Tinctur auf 50 theil dem Polier anvertrauet, zur Jerusalemischen Reise aufgebrochen war; gesungen zu Aussone zwischen Dijon und Dole in France Comte, den 25 und 26 Nov. 1681.


1.

A.V.S., Aus, rufft alle Welt nun du fängst ernstlich an,

Jehovah, mein Regirer!

Di Wunderreise wird vom Nord nach Ost gethan!

Du bist, mein Gott, der Führer.

Dein Geist ist, welcher mich anzeucht,

Und tausend strahlen täglich reicht.

Ich seh und seh dein heilges Werk im Spigel.

Drum auf, mein Geist! Empfange krafft und flügel!

Auf, Auf! Geh auf vor Gottes thron entzükkt,

Das Babels A.V.S. aus Abels A.V.S. verrükkt.


2.

Das stoltze Babel hat bisher genug geprangt:

Jerusalem verhöhnet.

Nun sigt der Heilgen Heer: Es siht, was es verlangt,

Jerusalem gekrönet.

Wir sind durch Gott unendlich stark,

Und saugen aus des Babels mark.

Wir gehn getrost, auf Gott in Gott gelassen.

Drum wil uns Gott mit Gott aus Gott umfassen.

Jerusalem, das falsche, sei in nacht!

Jerusalem, das wahre, sei in pracht!


3.

Gib, Vater, gib ein reines kindlich hertz

Nach deinem Vaterwillen![107]

Begeistre mich mit dir, das aller zweifel stertz,

Nun A.L.L.E.S. zuerfüllen.

Begeistre mich mit deinem Wort!

Du bist mein Weg, mein Rath und Pfort.

Er sei gebähnt, vollendet, aufgeschlossen!

Aus dir um dich. Dein Reich das sei entsprossen!

Dein ist, was ist, und was ins wesen kam:

Dein war, ist, wird, was einen ursprung nahm.


4.

Auf, Himmel, Himmel, auf! Durchhimmelt euch voll lust!

Di Wunder sind begonnen.

Auf, Engel! Brüder, Auf! mit allem, was bewust!

Das Babel ist zerronnen!

Umschlüsset uns mit euer Meng!

Vermehret Gottes Lobgepräng!

Begleitet uns, ihr lichte Millionen!

Frohlokkt mit mir, ihr Brüderliche Thronen!

Der Jesusthron wird schon (o Wonn!) gesätzt!

Auf, Engel, auf, di ihr mit uns ergetzt!


5.

Willkommen, Brüder! Ach! nehmt hin den kus und grus!

Mein auge wil beschweigen.

Es überschwemmet mich eur geistlich überflus,

Der sich aus euch wil zeigen.

Willkommen, Engel, tausendmahl!

Willkommen, Paradische zahl.

Wir sind bei euch, ob wir noch sind vergänglich!

Wir freuen uns, mein Vater, überschwenglich.

Spilt, spilt und spilt im lichtem Lichtesspil:

Kühlt, kühlt und kühlt der Erden Abendkühl.


6.

Was zischdu, Höllendrach? Dein neiden ist umsunst!

Weg Furcht um mein erfreuen.

Stets jubiliren ist di rechte Engelkunst:

Der Heilgen Benedeien.

Wem zeit ist wi di Ewikeit,

Der dringet schon zur freudenfreud.

Was aus dem schlus Jehovens wird erwekket,

Da wird das end im anfang gleich geschmekket.[108]

Di Hauptgefahr, durch welche David geht,

Befestiget, das Gottesschlus besteht.


7.

Mein Jesus hat den Reis aus seinem Reis gepflantzt.

Wi solt er nicht bekleiben?

Sein heilges Wundenfünff hat ihn mit fünff umschantzt,

Das er müss höher treiben.

Er gipffelt höchst im Jesusflehn:

Im Jesuswort es ist geschehn.

Mein Jesus hat uns Gotteshand empfohlen:

Di Erde bebt der Erden unverhohlen.

Der Kerker wird gefangen angelegt;

So reis ich fort, das alle Welt erregt.


Allgemeiner Nachklang.


Der Satan ward gefangen angelegt,

Die Höllen ist gefangen angelegt,

Der Abgrund wird gefangen angelegt,

Das Pabstthum war gefangen angelegt,

Das Babel ist gefangen angelegt,

Die Fabel wird gefangen angelegt:

So reis ich fort, das alle Welt erregt.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 107-109.
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