Der 5. (80.) Kühlpsalm

[114] Als er im göttlichem zug beim Teutschem Genfferprediger Korn d. 25 Dec. 1681. seine behausung mit beiden gefehrten nehmend, den 1 Jenn. 1682. seine Ernstcitirung aller falschen geister vor dem Thron Gottes gethan, und nach Paris und London voller ernst zum Ernstgerichte geschikket hatte; gesungen um anhaltung des geistes Jesu in concentrirung des gantzen Evangeliums nach Matthäus zu Genff den 11 Jenn. 1682.


1.

Dreieinger Gott, nach dem ich bin gebildt!

Um dich durch dich! Mit dir durch dich erfüllt!

Du ewigst Wort, das Fleisch und blutt gelehnt,

Und wider uns mit meinem Gott versöhnt!

Hochheilger Geist, der du von Gott ausgehst,

Und kräfftiglich mit seufftzen uns beistehst!

Du einger Gott! Vernihm mein ernstgebet!

Bet selbst aus mir zu deiner Majestät!

Gib Jesu Geist mit unergriffnem theil,

So wird di Welt, nicht nur dein Knechtchen, heil.


2.

Beselge mich mit Armutt in dem hertz,

Um deiner ehr mit eifervollem schmertz,

Voll Jesusgeists, mit sanfftmutt überschlecht,

Mit Hunger, durst nach deinem rechtem Recht,

Mit dem erbarm, als du dich mir erbarmst,

Mit reinem geist, den du mit dir umarmst,

Mit deinem frid, und hochfridfertger art,

Mit Jesu schmach, di mich mit ihm gepaart,

Mit Jesu Kreutz, um meines Jesu stand;

Das ich sein Sohn, und nechst mit dir verwandt.


3.

Sei du mein saltz, das ich ni werd unnütz,

Das Licht der Welt auf ewigst, nicht nur itz.

Ach leuchte hell voll feuerlichten stärk,[114]

Das ider preis in mir dein guttes Werk!

Erfülle selbst Propheten und Gesätz,

Das ich kein i, geschweige mehr, verletz.

Las Babels recht durchaus in mir nicht ruhn,

Sei gros in mir im lehren und im thun.

Dein ewig wort sei mir in allem kund,

Das du mir sprichst di Schrifft von mund zu mund.


4.

Ertödt in mir, was mich dir tödten kan!

Kein zörnen hab auf ewigst wahn und bahn!

Das Racha weich mit idem Scheltwort weit!

Mein Beten sei vom Brüderhass befreit.

Gib Willikeit in idem Menschenfall!

Des Richters spruch sei gantz weg überall!

Reiss aus in mir das auge falscher lust:

Hau ab das glid, in dem unreiner Wust.

Dein heilges Wort erhalte wahre acht,

Nach deinem sihn, nicht meiner sünden nacht.


5.

Vertilg aus mir, was nicht ja, ja, nein, nein,

Weil eigner schwur vom übel nimals rein.

Las Leiden mich, wann man zum leiden zwingt:

Las geben mehr, als mich di noth noch dringt.

Des nechsten bitt, wanns möglichst, di gescheh,

Das ich auf ihn mehr als mich selbsten seh.

Las segnen meist, der mich am meisten hasst:

Di Vorbitt hab verfolger rings umfasst.

Las folgen dir und meinem Jesu gleich,

Das ich ein Erb an deines Sohnes Reich.


6.

Mein geben sei um dich in reinster Lib:

Dein reinestes mein beten, fasten, trib.

Sei du mein schatz, mein aug und lichter leib,

Das blos ich dir, nicht mir, aus mir bekleib.

Weg, Mammon, weg! Ich bin des höchsten Kind!

Aus Gott um Gott! Gott ist, auf den ich gründ.

Mein trachten sei nach deinem Reich und wink:

Du sorgst vor mich, das ich in dir ersink.[115]

Ich lebe dir. Du sorgst vor iden tag:

Er ist auch dein. Durch Thorheit kommt di Plag.


7.

Las richten mein, nicht fremder, sündenmas!

Las loben dich, wann ich dein gutt besas.

Gib rechtgebrauch zu deinem Heiligthum;

Verschwigenheit zur Lilg und Rosenblum:

Ein kindlich traun zu ider gutten bitt;

Ein fest vertraun auf deine wundergütt.

Las iden thun, was ich von ihm begehr:

Di enge Pfort eindringen ohn beschwer.

Dein guttes trag in mir recht gutte frucht;

Las handeln stets in thaterfüllter sucht.


8.

Herr, wo du wilst, so fällt mein Aussatz ab!

Sprich nur ein Wort, di Gicht geht nach dem Grab!

Ach greif mich an, so fleucht das fiber hinn!

Bedräu den sturm, so wird er zum gewinn!

Heis mich aufstehn, mein gehn wird freudigst heim!

Heis folgen mich, dann sprosst dein Warheitskeim!

Ich rühr dich an; der glaube hat gesigt!

Der Tod ist schlaf, wann deine stimm sich rügt!

Ich glaube, Herr! Di Blindheit ist entfernt!

Sih an dis Volk! Es reifft zu deiner Erndt!


9.

Herr, sende uns, wi deine zwölffe, aus!

Sä dich, das ich spros hundertfältig raus!

Ach speise uns mit deinem Brodt und Fisch!

Dein Fleisch und Blutt verbleibe stets mein Tisch!

Herr, ruffe mir, das ich aufs Wasser geh!

Hilf, hilf, eh mich versenket Wind und See!

Dein Hündchen hat nur brosamen verlangt!

Du bist der Fels, auf den di Kirche prangt!

Heis Satan eiln, wann er dir menschlich währt!

Nihm mich mit dir, wann du in mir verklährt!


10.

O sä in Uns des Senffes glaubenskorn!

Ein kindlich geist erhöhe Seel und horn!

Mein Engel seh auch stets des Vatern thron!

Komm, bind und lös, o wahrer Gottes Sohn![116]

Vergib auch mir sibentzig-sibenmahl!

Ich folg und folg auf deinen ruf und wahl!

Ich komme letzt zur deiner eilften stund!

Las wuchern fünff mit dem gefünfftem Pfund!

Beöl di Lamp auch wider di Vernunfft!

Ich bin dein Lamm und jauchtz auf deine kunfft!


Zweiter Theil,

Als er in di Jesuslibe voller Jesuslibe libreich

ersinkend, Jesu letzte Libesworte concentrirte zu Genff den 17 Jenn. 1682.


11. 1.

O ewig Lib, du einger Libesquell!

Ach quell in mir mit deiner Libe hell!

Gib deine Lib aus deiner Libeskrafft!

Schenk Jesu Lib und deiner Engelschafft!

Las liben dich, wi du mich hast gelibt!

Schaff in mein hertz, was deine Libe gibt!

Di Libe seh in Lib an meine glutt,

Das ich Geschöpff lib meines Schöpffers gutt!

Gekreutzte Lib! Ich werd aus dir erwekkt!

Dein neugebot sei ewiglich geschmekkt!


12. 2.

Nihm mich zu dir in unsers Vaters stätt!

Dein Hertz ist mein, mein Hertz ist deine Kett.

Du gingst von mir: mein hertze folgt dir nach.

Ich bin dein Fisch, du meine Libesbach.

Ich geh und weist, wo du zum Vater gingst!

Ich fange dich, wi du mich, Jesus, fingst!

Du bist mein Weg, auf dem ich zu dir schwimm:

Mein Warheitsbronn und meine Lebensstimm.

Ich komm durch dich zu meinem Vater heim:

Er ist in dir. Er ist durch dich mein reim.


13. 3.

Hir ist mein Hertz! Hir, Vater, wohn im Sohn!

Mein Jesus, herrsch hir in des Vatern thron!

Gebähre den, der ewigst deine Sonn,

Wi du gebährst dir ewigst Gottes Wonn![117]

Red, Jesus, red des Vatern red und stärk

Aus meinem hertz in deiner Rede Werk!

Werk auch in mir des Vatern Werk im thun!

Werk grössre werk in deines Vatern ruhn!

Ich bitt durch dich: dein Vater wird geehrt.

Mein bitten sei, wi du versprachst, erhöhrt.


14. 4.

Hir ist mein Hertz! Durchtiffe seine tif!

Es laufft nach dir, wi es dir längst nachlif.

Dein Tröster komm, wi du mirs zugesagt:

Dein Warheitsgeist hat ewig mich durchtagt.

Ergläntz aus mir, wi er aus dir gegläntzt,

Wann ewikeit ni deinen glantz begräntzt.

Komm, Jesus, komm, der du ni Waysen lis:

Ich werde dir, du mir, zum Paradis.

Ich leb in dir, wi du im Vater lebst:

Dein leben war, das du in mir erhebst.


15. 5.

Hir ist mein Hertz! Es libet dich höchstblos!

Ach offenbahr dich aus des Vatern schos!

Der Vater sei mit dir mein Wirth und Gast:

Der heilge Geist der find hir Ruh und Rast.

Las lehren mich dein übergrosses Alls:

Erinnern mich höchst deines Libesfalls.

Gib deinen Frid und deiner freude meng:

Halt stets in mir des Vatern Sigsgepräng.

Der Weltfürst schmertz auf ewigst unsern kampff!

Dein will mein will. Di Welt sei mir nur dampff.


16. 6.

Mein Weinstokk, ach! an dem ich früchte bring!

Ich bleib an dir. Nichts sei, das mich abzwing,

Besäffte mich, das ich aus dir besteh!

Hilf, Jesus, hilf, das ich von dir nicht geh!

Las reben mich nach deiner Wurtzel art!

Betau mich mehr, imehr ich fruchtbar ward.

Ach bitt in mir zu deines Vatern lob!

Vertausendfach, was tausendfach erhob.

Gib deine lib, di dir der Vater gab!

Erlab imehr, imehr ich mich erlab.
[118]

17. 7.

Befröhliche vollkommen Geist und sinn!

O sei in mir von aussen und von inn!

Ach red und schreib in mir den libsbefehl,

Dein libsgebot und deine libesmähl!

O Menschenfreund, der du vor mich verwundt!

Herr Jesu Christ! Holdseelger Libesbund!

Ich lass dich nicht! Di Welt thu, was si wil!

Verfolgung, Zorn, Bann, Tod sei meine Kühl!

Ich lass dich nicht! Dein Wort sei neu erfüllt.

Ich bleib dein zeug', ob Welt und Teufel brüllt.


18. 8.

Dein Tröster komm! Di Welt sei überzeugt!

Di Sünde sei von erster Sünd verbeugt!

Dein Hingangsrecht sei recht aus Recht erklährt!

Der Weltfürst sei aus sich durch sich verzehrt!

Di Warheit scheint aus ihrem urkund wahr!

Was du verbarg, sei allen Sonnenklahr!

Dein ewigst DEIN, des Vatern ewigst Wort,

Eröffne sich vom überewgem Ort!

Dein Sibenaug hab uns durchsibenaugt!

Mein A.L.L.S. ist dein! Ich habs aus dir gesaugt!


19. 9.

Mein Vater, höhr! Ich schrei im Jesusnahm!

Di Kühlzeit kommt, um di mein Jesus kam.

Das Kreutzreich eilt zu seinem letztem end:

Der Weltfürst hat den fersenstich vollendt.

Verklähre nun das Jesuelsche Reich,

Wi es erschin, eh dessen Printz zur leich:

Daraus di Welt in diser zeit gegründt,

Das Jesus neu durch deine gabe findt.

Sein heilges Blutt durch langes Marterthum

Reis ab den Stein, und schlüsse Nimrods ruhm!


20. 10.

Durchheilge uns in deiner Warheit licht!

Las schauen stets durch Jesum dein Gesicht!

Vereine uns, wi du mit Jesus eins,

Das du in uns der Stein des Kaisersteins.

Mein Jesus Christ empfingt von dir den Kreis

Und uns mit ihm, durch seinen Todesschweis.[119]

Mein Vater, sih auf deines bundes Arch!

Es ist vollbracht. Mein Jesus sei Monarch!

Monarch im Pol: Monarch in aller Welt.

Der Erbmonarch werd endlich hergestellt.


Dritter Theil,

Als Badhors, stat des im Feb. zu Genff festgesätzten Jerusalemerreiswechsel, durch seines Weibes Rath teufflisch im letztem augenblikk mit ihm handelte, und auch Stephanus Polier seinen im Mertz aus Genf nach Paris geschikkten Gefehrten stat des anvertrauten Dalconatsparticular, der 1000 Jährlichen Reisthaler, voller Simeischen lästerung, schändung, verdammung, empfing, gesungen aus der gantzen Passion aller 4 Evangelisten, Prophetisch unter solchem figurlichem Kreutzige, Kreutzige Stat Hosanna aus Losanna gleich in der Marterwoche kommend, zu Genff am Charfreitage

1682.


21. 1.

Herr Jesu Christ, unschuldig Gotteslamm,

Das du vor mich erwürgt am Kreutzesstamm!

Ich bin dein glid, an deinem leib ein theil,

Und unserm Feind, wi du, zur schlachtung, feil.

Di stund ist da nun über Kidrons bach:

Ich folge dir aus Lib in Libe nach.

Dein Abendmahl ist schon in mir vollbracht:

Dein Libsgebot mit deinem Reich vermacht.

Ischariot ging nach dem bissen hin:

Verklähr auch mich nach seele, geiste, sin.


22. 2.

Mein Hertze ist dein Ölberg und dein Gart.

Ach bet in mir, weil di Anfechtung hart!

Dein Vater nehm von uns des Kelches zil,

Ists möglich, doch ich will, wi er nur wil.

Der Engel stärk uns in dem Todesschweis:

Bet hefftiger, bis ich dein wahrer Reis.

Bet ernster, bet im ernstgedritten flehn.

Ach wiss in mir, was mir mus nun geschehn?

Begegne selbst und gib dich selbsten los.

Kein ander leid. Der Jüngling flihe blos.
[120]

22. 3.

Ist dis dein kus, den du mir freundlich gibst?

Stekk ein das schwerd, wann du, Vernunfft, mich libst.

Mein Heiland hätt des Vatern hülf geschikkt,

Hätt er nicht mich mit seinem glükk beglükkt.

Mein Jesus wird gebunden, gantz entzirt!

Der Christgeist wird gefänglich hingeführt.

Zwar Petrus folgt, doch fern, ist umgedreht!

Er leugnet A.L.L.S, eh noch der Hahn gekreht.

Des Jesus blikk zwingt A.U.S. sein ädles nas:

Nun siht er erst, was di Vernunfft besas.


24. 4.

Was fragstdu vil, was Christ in uns gelehrt?

Auf, frage di, di A.L.L.E.S. angehöhrt!

Was schlägstdu mich, das Christus selbst dis sagt?

Christ wohnt in mir: Christ wird in mir beklagt.

Christ ist mein Licht, der aus dem innerm blitzt:

Ihr werdt hir schaun, wi Christ zur rechten sitzt;

Zur rechten hand der höchsten Gotteskrafft;

Wi Christ erschein einst aller Völkerschafft.

Ihr sagts: Er ist Jehovens Wort und Sohn,

Christ kommt im Pol und unsers hertzens thron.


25. 5.

Du sagsts, Pilat. Ich bin des Christi Reich.

Sein Königstuhl ist keinem irrdschem gleich.

Christ herrscht in uns: Sein Thron ist unsre Seel.

Ich bin ein Printz. Was ists, das ichs verhöhl?

Dis ist mein Ruf, vom Gott im Christ erwählt:

Di warheit ward aus warheit mir vermählt.

Di warheit kennt alleine meine stimm:

Si kämpfft vor mich und dämpfft der Falschheit grimm.

Mein Fürstenthum ist nicht von diser Welt:

Sein ursprung ist weit höher aufgestellt.


26. 6.

Seht, was Herod, Pilat und manches zeugt:

Wi Judas stirbt? Das Recht wird doch verbeugt.

Wi stehen wir im falschem Purpurkleid?

Bekrönt? Verhöhnt? entschönt? verspeit? beschreit?[121]

Zum kreutz, zum kreutz: der Barrabas ist gutt.

Es kommt auf si das höchstverlangte blutt.

Mein Christ im geist wird eilends fortgezwängt,

Er trägt sein Kreutz mit Mördern eingemengt.

DA HENKEN WIR! SCHAUT, WI UM UNS GESPILT?

Wi Gottes Geist in A.L.L.E.S. wird verwühlt?


27. 7.

Nun sprich in mir dein heiligs Sibenwort!

Ach steh mir bei an ides Sibenpfort!

Der Vorhang reis in deinem innerm Ris:

Es öffne sich in uns das Paradis.

Dem Erdkreis werd dein heilges Wunder kund,

Das er erbeb im ewgem Kühlungsbund.

Las splittern sich der innern felsen klüfft:

Entgrüfften sich der hertzen tiffste grüfft!

Das fremde Volk sei über uns bewegt!

Der leichnam werd ins neue grab gelegt.


28. 8.

Verschling den Tod in unser Höllenfahrt!

Entkerker ernst, was eingekerkert ward!

Stos ab vom Stuhl den Drach in seinem haus:

Befessel ihn im selbsterwekktem graus.

Entreis in uns dem Cherub schwerd und thor:

Es komm im Sig di Bundeslin empor!

Den andern sei stat unruh ruh geschenkt!

Auf, predige den Geistern, di bekränkt!

Auf, lös uns auf vom Schlaf und der Natur!

Auf, auf! Auf, auf! Es schallt di letzte uhr.


29. 9.

Steh auf! steh auf! Erschrekk der Hütter schaar!

Steh auf in uns! Hinweg ist di gefahr!

Der Tod ist todt! Das Grab des Grabs ist da!

Triumf! Triumf! Triumf! Halleluja!

Dein Engel bring di Auferstehungs-post!

Ich schmekk in dir, du mir di neue kost!

Auf, sigle auf dreieinig alle ding!

Versigle mich mit deines Geistes Ring.

Du hast in mir mich ewigst dir vertraut.

Du bleibest mein; Ich bleibe deine Braut.
[122]

30. 10.

Fahr auf, fahr auf zur rechten Gotteshand!

Fahr auf in uns! Dein Geist sei abgesand!

Ich fuhr dir nach! Mein hertz ist nicht mehr da!

Triumf! Triumf! Triumf! Halleluja!

Braus ab, Braus ab des Heilgen Geistes flus!

Braus ab in uns der neuen Ordnung gus.

Wi ists mir? Wi? Welch himmel voller strom?

Es saust und braust in dem verstürtztem Rom!

Christ ist Monarch! Di Kühlzeit ist nun da!

Triumf! Triumf! Triumf! Halleluja.


Virdter Theil,

Als 5 tage nach seiner dritten besuchung des Losanna, das grosse Erdbeben sein Hosanna in Basel, Losanna, Genf, Paris bekräfftiget und er zum zeichen des Königs Friderichs Prophetisches weisblau mit dem gantzem Fridrichscentrum angezogen; gesungen aus der gantzem Apocalypsis zu Genff den 31 Mai und 1 Jun. 1682.


31. 1.

O Jesu Christ, du wahres A und Zett!

Der Erst und Letzt! An den ich angekett!

Du hast mein hertz! Ich bleibe dein Johann!

Dein Hertz ist hir! Hir schöpff ich wahres Mann!

Kein Pathmus scheidt mich von der Pathmuswonn!

Mein Hertz dein Hertz! Dein Hertz ist meine Sonn!

Di Erd erbebt, weil deine Sonn erscheint:

Es kommt dein Tag, eh alle Welt es meint.

Weisblauer Löw, der du mich weisbeblaut!

Schleus auf di Schrifft, das Weisblau si geschaut!


32. 2.

Wi? Was posaunt? Ist dises deine stimm?

O Menschensohn! Sih, wi ich dir entglimm?

Es gläntzt in uns der siben Leuchter gold,

Darunter du erscheinst mir wunderhold!

Dein Sibenstern durchsternt aus deiner Recht!

Dein Mundschwerd schärfft? Ich bleibe stets dein knecht.[123]

Was Höll und Todt? Seht eure schlüssel, seht!

Di Furcht verging! Ihr seid nur stets verschmäht!

Christ schreibt ins hertz der Schrifften Schrifften Schrifft:

Was war, ist, wird; was alles anbetrifft!


33. 3.

Mein Ephesus hat erste Lib erlangt!

Mein Smyrne ist, das mit Kreutzmyrrhen prangt!

Mein Pergamus wirfft falsche hoheit hin!

Mein Thyateir bemorgensternt durch ihn!

Mein Sardes wird der weissen kleider werth!

Mein Philadelph eröffnet Pol und Erd!

Mein Laudicee wird lauter in der glutt!

Christ wohnt in hertz! Christ wallet in dem blutt!

Christ spilt im uns der siben Kirchen spil!

Christ lehrt und höhrt! Christ waristwird mein zil!


34. 4.

Welch thron? Was Kron? Welch Printz, der uns besitzt?

Welch Duppelzwölf? Was donnert, rufft und blitzt?

Brenn Sibenfeur! Kristalle, gläsern Meer!

Ruff tag und nacht, beaugtes Virthirheer!

Welch Buch ist dis? Versigelt sibenfach?

Das Lamm entschleust, Triumf! sein Sibenach.

Harfft, harfft und harfft das Neulid prachterhöht!

Auf, Engel, auf, di ihr noch völlig steht!

Auf, Menschen, auf! Auf, was mit uns belebt!

Belobt das Lamm, das uns mit sich erhebt!


35. 5.

O Gottes Lamm! Ich bin durch dich recht los!

Du schleust in uns des Vatern Sibenschlos.

Das erste bricht! das zweit! Das dritt! Das virdt!

Der Virthir vir hat uns in uns bezirt!

Das fünfft ist auf! Ruht, Seelen, beim Altar!

Ihr weisset Weis in uns mit unschuld klahr.

Das sechst entschleust des Lammes zorn und schall!

Di uns gefällt, sind uns in uns im fall!

Wir sind bewahrt: mit Jesu blutt belilgt.

Gott wäschet ab, was uns in uns vertilgt.
[124]

36. 6.

O Jesu Christ! Nihm uns in uns in still.

Welch sibnes schlos? Verhüll, behüll, durchhüll.

Neu sibnes ach, durch das mein ach erbleicht!

Weissag in uns, bis dises ach verstreicht.

Ölbäum in uns! Durchfakkel iden Ort!

Würk wunder, würk, bis du vollendst dein Wort!

Begeistre neu das grosse zeugenbeid!

Di Himmelfahrt sei ihrer Feinde leid.

Ein schrekken fall auf alles unerharrt,

Das A.L.L.E.S. sei aus sich in sich verstarrt.


37. 7.

Dein werd, O Christ, das Reich im Hertzens Reich!

Di Bundesarch erscheinet sonder gleich!

Auf, Adam, auf! Erlange thron und kron!

Das heilge Weib gebährt in uns den Sohn!

Auf, Michael! Auf, auf! dein ist der Sig!

Auf, Brüder, auf! Auf, das der Feind erlig!

Das Knäbchen ist, Gottlob, zu Gott entrükkt!

Di Mutter wird auch in der Wüst beglükkt.

Fliht, dreithir, fliht mit eurem Drachenstrom!

Di Erde hilft uns aus der Wüst und Rom.


38. 8.

Steh auf, O Lamm! Welch süsses cytherlid?

Erkauffte Gotts! Besingt den Jesusfrid!

Verkündige, du Sibenfache zunfft,

Was ewig ist, di Jesuelsche kunfft!

Singt, Harfenist! Evangelisten, singt,

Das Mosesklang beim Lammgesang erklingt.

Geht, siben, aus im Gottes Eiferzorn!

Durchschaalt das Thir! zerbrecht ihm macht und horn!

Auf, Engeldrei, in übergrosser stärk!

Erleuchtet A.L.L.S. zum grossem Kühlungswerk!


39. 9.

Auf, auf, du Weib, di du das kind gezeugt!

Sih, wi di Huhr mit ihrem Kind geheugt.

Di Hochzeit ist des Lamms in uns recht da!

Hosann! Hosann! Hosann! Halleluja!

Reit an, du Printz, zu deiner Mutter theil![125]

Reit an, reit an! Der Erdkreis ist dein theil.

Das Schwerd verzehrt der Cananiter trutz!

Nun siht di Welt, was ihr di Welt war nutz!

Schleus, Engel, schleus den Drach in Abgrundsgrund!

Wi Drache? Was? Wird dir dein vorzug kund?


40. 10.

Steht, Märtirer, auf! eur vorzug ist sehr hoch!

Erfahrt in uns, wi nutzbar Jesusjoch!

Das tausendjahr der Ruh in uns ist da!

Hosann! Hosann! Hosann! Halleluja!

Steh auf, O Braut! Besihe Gotteshütt!

Gott wohnt mit uns erbarmungsvoller gütt.

Steh auf, du Kind, der Heilgen Hochzeit frucht!

O wahrer Erb aus der Jungfrauen zucht!

Jerusalem, das neu, in uns ist da!

Hosann! Hosann! Hosann! Halleluja!


Fünfter Theil,

Als er als wahrer Breslauer und Blauerers unter der Figurirung der weit überkaiserlichen Weisblauen Hofliberei der Kühlmänner, zu gleich in di Paradisgeheimnisse der neuen Apocalypsis des 9 Schriffttheiles frohlokkend spatzirte, zu Genff den 10. Jun. 1682.


41. 1.

Halleluja! Printz Jesus hat den Thron!

Jerusalem, das neue, trägt di Kron!

Di Hochzeit wird des Lamms in uns vollendt!

Di heilge eh ist sonder end erkennt!

Halleluja! Das Meer das ist nicht mehr!

Pol, Erd und wir sind in der ersten ehr.

Wir sind im Geist, durch Gottes Geist beflammt!

Voll Seelgeistleibs! im Paradis bestammt.

Halleluja! Wir schwimmen in der lust!

Verherrlichet an unsers Jesu brust.


42. 2.

Welch Jaspislicht? Was jaspisirte Wäll!

Zwölf Perlenthor! Wi hellet ihr so hell?

Zwölf wundergründ im zwölfbesteintem grund!

Goldgassen, wi? Was urkristallenkund?[126]

Gott ist di Sonn, di Sonnensonnensonn!

Das Lamm der Mond, di Mondesmondeswonn!

Was Lebensström? Welch heilig fruchtgebäum?

Kühlt kühl mit zwölf, ihr kühlungs kühle kaim!

Halt, Brüder, inn! Wir sind nur Gottesstrahl!

Kein fünkchen noch vom Lammes Abendmahl.


43. 3.

Di Asche ward im goldfas zur Tinctur!

Dem goldfas eins zur aller Völker Cur!

Das erst und letzt ist seines Mittels schlus,

Das mittel ist des erst- und letztens fus.

Der Goldgeruch stig A.U.S. der aschen grau

Weisblauerer, als i das weisse blau,

Nichts BLAUERERS ward vor auf Erd gesehn:

Nichts BLAUERERS ist nach auf Erd geschehn!

Ost, Nord, West, Sud ward voll vom Goldgeruch,

Weil Ewikeit beewiget ihr Buch.


44. 4.

Auf, Geist, auf, auf! Auf allerhöchst erwekkt!

Entdekk aus Gott, was über Erde schmekkt!

Was Adam einst im Paradis verschertzt,

Dis hat uns längst im Paradis gehertzt.

Di Henochsfahrt ist der gemeine weg;

Gemeinerer, als vor des Todes steg.

Di Heiligen, di längst in Christi schos,

Sind stets bei uns den innern augen blos.

Der Christeinzug wird zum Gericht geschmükkt,

Da wir und Si als Richter miterblikkt.


45. 5.

Wir wandelen in unschuld ohne schuld;

Genüssen gantz des grossen Vatern huld:

Erlustigen uns in dem lustgefild

Als Gottes Söhn und rechtes Ebenbild.

Di Herrschaft ist sehrherrlich uns ersätzt;

Wir sind in Gott höchstkindlichst Gottergetzt.

Di Erden erdt nach ihrer heilgen art:

Di Eintracht ward mit allem neugepaart.

Der Segen ris des fluches wesen aus:

Wir wohnen nun im Edensfreudenhaus.
[127]

46. 6.

Di Weisheit ist uns wider neugeschenkt,

In welcher nichts mit Eitelkeit bekränkt.

Di heilge sprach, di nichts von zähnen weist,

Di Englisch halb, ward offen unserm Geist.

Di Arbeit ist in aller Arbeit Rast:

Was einer wünscht, ist augenblikks erfasst.

Das Hertze ward des gutten Sammelplatz,

Der Wunder Ring, der Heilgen schätze schatz.

Der Leichnam ist ohn eingeweide schand;

Di scham entschämt, di Bosheit unbekand.


47. 7.

Di Christgeburt aus der Jungfrauen leib

Ward allgemein, weil hin der mann und weib.

Das Männchen hat der Fräulein heilge zucht,

Das Englisch fast erzeugt wird ihre frucht.

Di speise ist auch halbe Engelspeis:

Schon göttlich ward di Paradische Weis.

Di Jesuskrafft ist hir in voller krafft,

Das nur ein wort, was man gebitet, schafft.

Man pflantzt und baut auf Englisch, was man wil:

Das Gotteslob ist unser einges zil.


48. 8.

Di Thire sind frohlokkend uns zum dinst:

Gehorsamen ist itz ihr hauptgewinst.

Ein ides vih ist höchsteinträchtig zahm,

Wi es von Gott erst seinen ursprung nahm.

Das Pflantzreich ist durchsichtig, wi ein glas,

Das Ertzreich ein lichtfixes wundernas:

Was uns beschwert, ein herrlichst lustgewürm,

Das alles schirmt im erstem unschuld schirm.

Was lebt und webt, und disen Erdkreis macht,

Dis alls beherrscht der Mensch zu Gottes pracht.


49. 9.

Di tiffste ist als wi di höchste lufft:

Der Erdenpunct als wi di Wolkengrufft.

Das ober ist, als wi das untre da!

Hosann! Triumf! Hosann! Halleluja!

Dis tausend ist ein irrdsches Engelthum,

Der ewigen Vorschmekkung erste Blum.[128]

Ein Sabath, der di Ewikeit angeht,

Und täglichst wird zur Ewikeit erhöht.

Sein tausend eilt dem tausendtausend zu,

Bis ihn verfünfft di Jesuelsche Ruh.


50. 10.

Erdekken, auf, di Gott von uns abschid!

Auf, auf! Auf, brecht, verführte, unsern frid.

Zünd, Satan, an! Der Achte Tag ist da!

Triumf! Hosann! Triumf! Halleluja!

Nun scheidet sich das gutt und böse gantz!

Christ kommt mit uns im Ewikeitenglantz.

Auf, Todten, auf! Geht ein in Nacht und Licht!

Was hir nicht ein, verbleibt dort im Gericht.

Das Paradis der Ewikeit ist da!

TriumfsTriumf! HosannsHosann! Triumf! Hosann! Halleluja!

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 114-129.
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Der Kühlpsalter: Band 2

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Grabbe, Christian Dietrich

Hannibal

Hannibal

Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.

68 Seiten, 4.80 Euro

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Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

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