Der 9. (24. 99.) Kühlpsalm

[214] Als er bei Gott ernst anhilt um di beschleunigung der befohlenen Reiszeichen zu dem unsichtbahrem Norden- [und] Westen hinter Irland, zu London den 28 und 29 Octob. 1683. darauf den 30 Octob. Höllgraf di grausame Badhorsverrätherei wegen der entwendung der Schechinah, Urim, Thumim, Lapis und anderer ding selbst entdekkte, und 1/11 Nov. mit ihm ausreiste den 3/13 Nov., versicherung seiner Krönung im Jahr 1685 empfangend.


1.

Hertzallerlibster Gott, du Vater meines Jesus,

In welchem ich auch Liber Vater ruff!

Ich fleh vor dir im Jesusnahmen!

Ach stosse weg, was ernst mit mir noch ringt

Um meine wunderreis, dar zu du mich gebohren!

Von welcher du durch di Propheten sprachst.

Ich klage ernst um mein so lang verhindern,

Und wi so hart es dise stund noch hält!

Dein ist zur hülf, mein Gott, mir zuerscheinen!

Allein durch dich komm ich zum wunderweg.
[214]

2.

Du bist der Hauptregent des Himmels und der Erden!

Nach deinem wink gehorsammt alls Geschöpff!

Drum stehe auf vor mich mein Schöpffer!

O schilt im grimm den alten Höllendrach!

Fahr ihn mit schnauben an in deinem ernstgerichte,

Das er nicht mehr verführe Land und Leut!

Umlichte mich mit deinem heilgem schimmer,

Das er entflih ob deinem hellen glantz!

Belichte doch der blinden aug und hertzen,

Das si dein Werk in meinen werken sehn.


3.

JehovahTsebaoth! Wi lang ists widerstanden?

Es rinnt dahin im kampff mein sibnes Jahr.

Sprich nur ein wort durch meinen Heiland,

So weichet weg der harte Gegensatz.

Las deine wunder nun im wunder werden offen,

Das aller kreis erkenne dich aufs neu!

Vertilg, O Gott, durch Jesus meine fehler!

Gib deinem Feind um meine sünd ni raum!

Ich brenn in dir, entzündt aus deinen flammen!

Mein Hertz ist dein: es wohnt in deinem hertz.


4.

Vil Völker wünschen mich: es warten Millione,

Weil du von mir zu ihnen hast geredt.

Erhöhr, erhöhr so viler seufftzen!

O führ es aus zu deines nahmens lob.

Mein Jesus bat vor mich an seinem lebensende,

Als du in ihm, und er in mir verklährt!

Ach heilge mich, das ich mit dir bleib eines,

Und alle Wort nach deinem wunsch erfüll!

Das ich auch nichts, was du mir gabst, verlihre,

Ohn was da war vom Judas stamm und art.


5.

Ach allerheiligster, weit über mein ergreiffen!

Ich falle dir aus gantzem hertz zu fus.

Du kennest mich und mein begehren:

Du wogest mich, eh ich mich selbst gekannt.

Dein eifer dringt auf mich im allerhöchstem eifer,

Um deiner ehr zurächen alles falsch.[215]

Es ist und wird, mein Gott, mir unerträglich,

Das ich noch steh in deinem Ruff gehemmt.

Ich reisse fort, und mus durch dich fortreissen!

Es geh und geh, wi es nun endlich wil.


6.

Brecht Berge! Meere sinkt! Ihr solt den lauff nicht stopffen!

Fliht, Feinde, fliht, eh ihr durchglüht in feur!

Di Reise sei ernst festgesätzet

Durch Jesuskrafft und meines Vatern stärk!

Was gleich unmöglich wird, mus werden mir gleich möglich.

Gott ist mit mir: Gott, Gott, mein Gott in Gott.

Hebt euch hinweg, verdammte Höllengeister!

Fahrt hin zur tiff, zur tiffsten Tifestif!

Ich werd an euch dis stopffen grimmigst rächen,

So lang in mir ein Jesusadem raucht.


7.

Verfluchtes Babylon mit dem verfluchtem gelde!

Es wird eur gold, eur silber wider blei

Zur Gottes Rach und eurem Schimpffe.

Josias wird bald opffern selbsten euch.

Der Moses ist im zug eur Goldkalb zuverpulvern:

Er kommet bald vom Gottesberg herab.

Es greuelt mir vor diser Christen greuel,

Durch welchen wird das gröste Werk verlangt.

Ich hab eur geld im Gottesnahm verfluchet:

Ihr sollt strakks sehn, wi ihr mit geld verspeit.


8.

Du höchstgerechter Gott, zu dem ich ernstlich schreie!

Las sein genug! Si sind genug geprüft!

Ihr Abgott ist recht worden offen!

Der Fürst der Welt verlihre gantz di Welt!

Dis Sodom klimmet schon zu einem neuen siben:

Durchschweffel es und kehr es gäntzlich um!

Was ausgesät, dis müs es auch einerndten!

Es helffe si ihr Schatz von deinem grimm!

Wann wir ihr gold, als blei, zu füssen treten,

Wo wird alsdann verbleiben ihre Seel?


9.

Herr Jesus, ich wil gehn mit Petrus zu dem angel,

Das ich im fisch auch deinen stater find![216]

Ich traue fest. Du wirst mir senden,

Was du von mir zu meiner Reis befihlst.

Der du das gröste mir der grösten gröss gegeben,

Wi kontestdu das kleinste nehmen weg?

Du spiltest nur nach deinem Weisheitspile

Mit deinem kind, das bei dem Nabal gräntzt.

Dis mochten nicht di thörichten vermerken!

Ihr gantzes gutt fällt drüber David zu.


10.

Ich seh und sehe schon mich zu der Reis gerüstet,

Und singe gleich im Glauben das Valet.

Ich sehe schon di kron ankommen,

Di mir di Frau zu dem Willkommen beut.

Ich fühle salben mich, und meinen geist verzükket.

Weil Gottesgeist neu meinen geist anzeucht,

Ein neues hertz ist meinem hertz gegeben.

Wi? gläntzet nicht mein leichnam ihrem gleich?

Des alten leids ist alles nun vergessen!

Wi bin ich wi so gantz und gar verjüngt?


11.

Höhr, Kaiser! es ist aus mit solchem thirschem jagen!

Geht, Völker, ein, als Jesu Christi Schaaf!

Tyrannen legt den zepter nider!

Mein Jesus nimmt sich seiner glidmass an.

Höhrt, Printzen! Wer verfolgt, der sol verfolget werden!

Das Leben ist zur Buss euch nur gelehnt.

Di unschuld blüh! Di schuld sei verurtheilet!

Der Fromme wachs und der Gottlose dorr!

Verdrükkte, jauchtzt! Verdrükker, heulet, heulet!

Eur Mordschwerd sei selbst gegen euch gebraucht!


12.

Höhrt, Secten! Es ist aus mit den Religionen!

Der einge Glaub in einer Tauffe steh!

Wir dulden mehr kein Menschenmeinen,

Das wider Gott, Natur, Verstand und Schrifft.

Gehorsam war der grund von allen Gottsgeschöpffen.

Gehorsam ist der heilgen Engel stand.

Gehorsam wird der Gotteskinder loben:

Darinn besteht der heilgen Libe frucht.[217]

Wer Gott anhöhr, der leb nach Gotteswillen:

Wer klüger ist, der weich ja schnell hinweg.


13.

Höhrt, Eltern! Es ist aus mit grausen ärgernissen!

Libt, kinder, ernst, di euch zur Welt gezeugt!

Di warheit grün in Christenschulen!

Blüh, rechte kunst! Du Heidendunst, verschwind!

Was Gotteslob vermehrt, sei auf der Erd getriben:

Di Gottesehr sei aller einger zwekk.

Di weisheit sei der Jugend neu verschwestert,

Mit welcher ward di Schöpffung ausgeführt.

Anfanget hir, was dort ist zuvollenden:

Werdt, Menschen, werdt recht Christi Söhn und Erb.


14.

Höhrt, Alle! Es ist aus, was nicht nach Jesus schmekket!

Nun Jesus ist der einge Weltregent!

Das Jesuswort ist das Gesätze,

Nach deme sich der Rath und Stadt anstellt!

Der beste Bürger ist der best Jesuelitter:

Das Rathhaus steht und geht im Kirchengrund.

Wir wissen nichts von Abgrundsstrikk- und tükken!

Der Sternenwitz ist itz durch Christ tingirt.

Mein irrdsches Reich ist recht ein irrdscher Himmel!

Das Paradeis kommt allgemach an tag!

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 214-218.
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