Rechtsgebräuche.

[369] In Cheine bei Salzwedel mußten früher alle Bauern mit Ausnahme eines einzigen, der zu Hause blieb, in der Heuärnte nach Rothenwohl ziehen und dort Heu mähen. Wenn sie zurückkamen, zogen sie in das Haus des Zurückgebliebenen, und was sie dort an Schinken und Würsten aus dem Giebel erreichen konnten, gehörte ihnen.

Mündlich.


In der Woche vor Ostern müssen die Unterthanen der Vogtei Meßdorf eine Quantität Waizenmehl zusammenbringen, in Meßdorf Semmel (ehedem Osterfladen) davon backen und nach Wolfsburg bringen, am Charfreitag Mittag muß der Semmelwagen auf dem Schloßhofe anlangen, und nun bekömmt ein Jeder, vom regierenden Herrn bis zum geringsten Bedienten, seinen Theil davon.

Ueber die Altmark I. S. 250.


Altes Herkommen ist an vielen Orten, daß, wer beim Bier- oder Weintrinken in einer Gesellschaft die Neige bekömmt, den Anspruch auf das erste Glas aus der neuen Flasche hat; das heißt das Lippehner Recht, und ist in dem lateinischen Verse: »Qui bibit ex negis ex frischibus incipit ille«, ausgesprochen. Die Lippehner sollen nämlich vor Alters einen ihrer Mitbürger, Peter Wadphul, stets gezwungen haben, die Neigen zu trinken, worauf Markgraf Woldemar in einer aus Callies im J. 1479 ausgestellten Urkunde obiges Gesetz festgestellt.

Kehrberg: hist. chron. Abriß der Stadt Königsberg i.d.N.M. S. 275.
[370]

Zu Köpenick wird alle zwei Jahr im Sommer der sogenannte Gränzbezug gefeiert. Der Magistrat und die Stadtverordneten versammeln sich früh morgens und fahren auf einem Fahrzeuge, das die Kiezer Fischer (Nachbarn genannt) stellen müssen, nach der oberhalb des Müggelsees an der Klödenick, einem alten Spreearm, gelegenen Philippshütte. Hier findet sich auch der Schulze des Kiezes ein, und jetzt zieht man in großem Zuge, Musik vorauf, von einem Gränzhügel zum andern; am letzten angekommen, müssen diejenigen, welche seit dem letzten Gränzbezuge Bürger geworden, sich über den Hügel bücken und erhalten von dem Schulzen des Kiezes mit einer Peitsche sechs Schläge, und zwar den ersten für den König, den zweiten für den Magistrat, den dritten für die Stadtverordneten, den vierten für die Bürgerschaft, den fünften für die Nachbarschaft, den sechsten thut der Schulze für sich. Dieser, so wie die Kiezer haben dafür die Verpflichtung, die Anwesenden mit Fischen und einer Tonne Bier zu bewirthen. Nachher wird draußen getanzt, und erst spät Abends heimgekehrt. – Obige Verpflichtung der Kiezer ist bereits durch eine Urkunde vom J. 1451, in welcher die Streitigkeiten der Stadt mit den Kiezern wegen der Fischerei auf der Klödenick beigelegt werden, festgestellt.

Mündlich.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 369-371.
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