Weihnachten und Neujahr.

[345] In der Altmark, aber auch in der Prignitz und im Mecklenburgischen, zieht einige Tage vor Weihnachten der Klas oder Klas Bur in scheußlicher Gestalt (gewöhnlich in weißem Laken) mit dem freundlicher gekleideten heiligen Christ umher, examinirt Kinder und Gesinde und läßt sie beten; bestehn sie gut, so theilt der heilige Christ Aepfel und Nüsse aus, im entgegengesetzten Falle verrichtet Klas Bur eine kleine Execution mit dem Aschsacke. Aehnlich ist der Gebrauch zu Müggelsheim[345] bei Köpenick, wo man den Kindern sagt, der heilige Christ komme auf einem Esel geritten, und deshalb Heu als Futter für das Thier vor die Thür wirft.

Ueber die Altmark Th. I. S. 147.

Mündlich.


In der ehemaligen Grafschaft Ruppin versammeln sich Abends in der dem Weihnachtsfest zunächst vorauf gehenden Woche Knechte und Mägde, einer der erstern stellt einen Reiter auf einem Schimmel dar, in der bei den Fastengebräuchen bereits angegebenen Weise, ein andrer, weiß gekleidet und mit Bändern geschmückt, trägt eine große Tasche und heißt der Christmann oder die Christpuppe. Mehrere von den übrigen endlich verkleiden sich als Weiber und schwärzen namentlich ihr Gesicht. Diese heißen die Feien. Sind alle diese Vorbereitungen getroffen, so setzt sich der Zug in Bewegung und geht mit Musik unter Begleitung aller Versammelten und dem Zuströmen und Jauchzen der Kinder von Haus zu Haus. Beim Eintritt in die Stube muß der Reiter über einen vorgesetzten Stuhl springen; ist dies geschehen, so tritt auch die Christpuppe mit der begleitenden Menge ein, und nur die Feien werden nicht zugelassen. – Darauf singen die Mädchen nach einer bestimmten Melodie einen unbestimmten Text, der jedoch hier und da noch ein bestimmter sein mag. Nun wählt der Reiter aus der Schaar der Mädchen eins aus, mit dem er zur Musik tanzt, und zwar so, daß beide einander gegenüber stehen und allerhand willkührliche Wendungen machen. Während dessen geht die Christpuppe[346] bei den Kindern umher und fragt, ob sie beten können. Sagen sie nun einen Bibelspruch oder Gesangbuchsvers her, so werden sie mit einem Pfefferkuchen aus der großen Tasche belohnt, vermögen sie's aber nicht, so werden sie mit dem Aschbeutel geschlagen. Darauf tanzt dann der Reiter sowohl als die Christpuppe mit einigen aus der Menge und dann gehts weiter. Unterdessen haben die Feien unaufhörlich versucht, einzudringen, sind jedoch unter allerhand Scherzen und Neckereien immer wieder zurückgetrieben worden, bis sie nun endlich, nachdem Reiter und Christpuppe fort sind, eindringen, wild und tobend umherspringen, die Kinder schlagen und überhaupt alles in Schrecken zu setzen suchen. In dieser Weise wiederholt sich dann der Zug in jedem Hause, deren eins oder mehrere, je nach der größern oder geringern Anzahl der Höfe eines Dorfes, an einem Abend besucht werden.

Mündlich, (S. meine Abhandlung über Märkische Sagen in ihrem Verhältniß zur deutschen Mythologie S. 115.)


Zwischen Weihnachten und Neujahr, oder auch bis zum Tage der heiligen drei Könige ziehen an vielen Orten der Mark die sogenannten Sterndreher oder Sternkucker umher. Es sind drei mit Papierkronen geschmückte Knaben, die weiße Hemden übergeworfen haben; einer hat sein Gesicht geschwärzt, ein andrer trägt einen in einem großen Reifen angebrachten Stern, der fortwährend gedreht wird. So herrscht der Gebrauch z.B. in Pichelsdorf. Man zieht von Haus zu Haus und singt:
[347]

Alle.


Hier treten wir vor ohne Hohn und Spott,

Einen guten Abend geb euch Gott;

Einen guten Abend, eine fröhliche Zeit,

Die euch Gott der Herr hat bereit't;

Das wünschen wir allzugleiche.

Ich lag in einer Nacht und schlief,

Mir träumte der König David rief

? Von wegen Maria der Rose

? Der Tag der dringet wohl durch den Thron.

Da gingen wir von dem Berge herab

Und kamen wohl vor Herodes Haus.

Herodes sprach mit falscher Begier:

»Ihr lieben Gesellen bleibt heut bei mir,

Ich will euch geben Wein und Bier,

Ich will euch geben Stroh und Heu,

Und will euch halten Bezahlung frei!«

Zu Bethlehem in Davids Stadt

Da bleibt der Steren stille stahn.


(Der Stern wird bei diesem Verse nicht gedreht).

Da gingen wir von dem Berge herab

Und kamen hinein in das Haus,

Und fanden Maria und ein liebes Kind,

Dabei ein Esel und ein Rind.

Ein kleines Kind, ein großer Gott,

Der Himmel und Erde geschaffen hat,

Da gingen wir von dem Berge herab:

»Wo ist uns denn der eine so schwarz?«


Der Schwarze

(mit Scepter und Degen):

Schwarz bin ich, die Schuld ist meiner nicht,

Die Schuld ist meiner Kindermagd,[348]

Daß sie mich nicht weiß gewaschen hat.

Den Scepter führ ich in meiner rechten Hand,

Den Degen an meiner Seite. Trumma!


Der Weiße

(an die Mütze fassend).

Was beliebt dem Herrn König?


Der Schwarze.


Trumma, mein getreuer Knecht,

Merk auf meine Rede und versteh mich recht!

Geh in das Gebirg hinein

Und tödte die Kinderlein,

Die zwei- und dreijährig drunter sein.

So du sie wirst verschonen,

So werd ich dich mit dem Schwert belohnen.

So du sie aber nicht wirst verschonen,

So werd ich dich zum Herren machen,

Daß du kannst die ganze Welt auslachen.


Der Weiße.


Soll geschehn wie der Herr König befohlen hat!


Alle

(zum Wirth).

Ihr jungen Gesellen, tretet alle heran,

Ein ehrbarer Herr, wir singen ihn an.

Wir wollen ihn nennen beim Namen so fein.

N.N. soll der Name sein.


(Zur Wirthin).

Ihr jungen Gesellen tretet alle heran,

Eine ehrbare Frau, wir singen sie an.

Wir wollen sie nennen beim Namen so fein,

N.N. soll ihr Name sein.
[349]

Mit diesem Verse werden dann auch Söhne und Töchter des Hauses der Reihe nach angesungen. Sind junge Eheleute oder Fremde im Hause, so singt man:


Was wünschen wir ihnen zum neuen Jahr?

Einen jungen Sohn mit schwarzkrausem Haar!

Das soll dem Paar ihr Neujahr sein,

Gott laß ihn'n lange das Leben dabei!


(Zu den Fremden).

Was wünschen wir den Fremden zum neuen Jahr?

Wir wollen 's ihnen wünschen offenbar!

Wir wünschen ihnen einen vergoldenen Tisch,

Auf alle vier Ecken einen gebratenen Fisch,

Und in der Mitte eine Kanne mit Wein,

Das soll den Herrn ihr Neujahr sein!


Darauf beschenkt man die Sänger mit Gaben an Geld oder Naturalien, und sie singen zum Schluß:


Sie haben und eine Verehrung gegeben,

Der liebe Gott laß sie das Jahr mit Freuden erleben!

Das ganze Jahr wohl ein und aus,

All Unglück fahre zum Giebel heraus!

Wir stehn auf einem breiten Stein,

Der Stern muß heut noch weiter sein;

Wir stehn auf einem Lilienblatt,

Wir wünschen euch alle eine gute Nacht!

Herr Christ zu allen Zeiten!

Der Stern muß heut noch weiter,

Daß euch Gott bewahr',

In diesem neuen Jahr

Und euch kein Unglück widerfahr'!
[350]

Der eben beschriebene Gebrauch herrscht auch in der Grafschaft Ruppin, doch kommt hier noch ein Knabe hinzu, der einen Kasten trägt, an welchem sich eine Klappe befindet. Das Lieb ist etwas abweichend:


Alle.


Hier treten wir vor ohne Hohn und Spott,

Einen guten Abend geb euch Gott!

Drei verwais'te Knaben,

Die weder Vater noch Mutter haben.


Was wünschen wir dem Herrn zum neuen Jahr?

Wir wünschen ihm einen vergoldenen Tisch,

Auf jede Ecke einen gebratenen Fisch,

Und mitten drin eine Kanne voll Wein,

Das soll dem Herrn sein Labsal sein!


Was wünschen wir der Frau zum neuen Jahr?

Wir wünschen der Frau eine goldene Kron'

Und übers Jahr einen jungen Sohn!


Was wünschen wir dem Sohn zum neuen Jahr?

Wir wünschen ihm ein gesatteltes Pferd,

Und in die Hand ein blankes Schwert,

Damit er kann streiten fürs Vaterland!


Was wünschen wir der Tochter zum neuen Jahr?

Wir wünschen der Tochter ein goldenes Lamm

Und übers Jahr einen Bräutigam!


Was wünschen wir der Dienstmagd zum neuen Jahr?

Wir wünschen ihr einen hölzernen Tisch,

Auf jede Ecke einen Schauerwisch,

Und in der Mitte eine hölzerne Kann'

Und übers Jahr einen krummbuckligen Mann!
[351]

Der Schwarze.


Ich bin der König aus Mohrenland,

Die Sonne hat mich so schwarz gebrannt;

Hätt mich meine Amme gewaschen mit 'nem Schwamm,

So wär ich so weiß geworden wie ein Lamm;

So hat sie mich gewaschen mit einer Kohl,

Drum bin ich so schwarz geworden wie 'n Mohr!


Der Weiße.


Bist du der König aus Mohrenland,

So reich mir deine rechte Hand!


Der Schwarze.


Meine rechte Hand reich ich dir nicht,

Du bist ein Schuft, ich trau dir nicht!


Der Weiße.


Und giebst du mir deine rechte Hand nicht,

So schlag ich dir ins Angesicht! (giebt ihm eine Ohrfeige).


Nun öffnet der, welcher den Kasten trägt, die Klappe desselben, aus welcher die Figur des Herodes herausschaut,


Alle.


Herodes kuckte zum Fenster hinaus,

»Ihr lieben drei Weisen, wo wollt ihr hin?

Ihr lieben drei Weisen, bleibt heute bei mir,

Ich will euch geben gut Wein und Bier,

Ich will euch geben gut Stroh und Heu,

Und die Verzehrung habt ihr frei?«


Drauf sammeln sie Gaben ein und singen zum Schluß »Hier steh ich auf ein'n Lilienblatt«, wie in Pichelsdorf.[352]

Auf dem Kieze bei Potsdam ziehn die Fischerknechte am Neujahrstage ebenfalls Gaben einsammelnd umher, wobei sie folgendes Lied singen:


Alle.


Wir wünschen ihnen ein fröhliches neues Jahr, Friede,

Gesundheit, langes Leben und die ewige Seligkeit.


Einige.


Was wollen wir singen und heben an?

Das liebe neue Jahr!

So wollen wir singen und heben an

Das liebe neue Jahr!

Wollen sie wissen, wer wir sind?


Alle.


Der Blei und der Raab.


Einige.


? Wir sind den lieben werthsten,

Zwei Peezen ober Wind

Und das Ruder unter Wind.


Alle.


Der Blei und der Raab

Der Hecht und der große Kulebarsch!


Einige.


Der Herr ist unser Herre;

Er schenkt uns eine Gabe

Zu diesem neuen Jahre.

Die Frau ist unsre Fraue,

Sie schenkt uns einen Schierling (?)

Danach wohl einen Vierling (?).

Das Fischergesind

Im Regen und Wind[353]

Sie thun sich ernähren, so lustig sie sind;

Und dennoch wohlauf

Nach altem Gebrauch,

Des Abends spät nieder, des Morgens früh auf!

Ihr jungen Gesellen, tret't alle heran,

Ein' ehrbaren Herrn wir singen ihn an;

Wir wollen ihn nennen beim Namen so fein,

N.N. soll der Name sein.

Was wünschen wir ihm zum neuen Jahr?

Eine reiche Braut mit hunderttausend Thaler,

Ooer einen goldenen Stuhl mit silbernen Spitzen,

Darauf soll er im Himmel sitzen!

Und dazu eine Kanne mit Wein,

Das soll dem Herrn sein Geschenke sein.


Der Schluß lautet dann wie in dem Pichelsdorfer Liede: »Sie haben uns u.s.w.«, doch fehlen die sechs Verse von »Wir stehn« bis »noch weiter«. Zwischen den einzelnen Versen fällt hin und wieder der Chor mit obigem Refrain ein.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 345-354.
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