41. Arendsee.
Grimm deutsche Sagen. I. 168.
Beckmann Beschreib. d.M. Br. Th. V. B. I. Kap. IX. S. 25.

[39] Ib. Th. IV. S. 1075-80.

Ueber die Altmark. II. S. 144.

An der Stelle wo jetzt der See und Ort des Namens Arendsee liegt, stand vor Alters ein großes Schloß.[39] Da sank eines Tages das Erdreich mit gewaltigem Brausen ein und ein See entstand auf der Stelle. Eine Frau aber, so das zuerst bemerkte, sagte zu ihrem Ehemann, der Arend hieß, »Arend seh (oder siehe)«, und als nun nachher die Stadt erbaut wurde, hat man dieser den Namen danach gegeben.

Der See ist aber gewaltig tief, und deshalb ist an seinem Wasser weder Vermehrung noch Verminderung zu spüren; es ist auch die größte Vermessenheit von der Welt, seine Tiefe messen zu wollen, und mancher, der es versuchen wollte, hat schon eine warnende Stimme, die aus dem Grunde herauftönte, gehört, mancher aber auch, der nicht hören wollte, hat es mit dem Tode büßen müssen. Aus vielen Zeichen ist klar, daß er sich weit hin unter der Erde forterstrecken müsse, denn wenn man nach Salzwedel fährt, hört es sich oft an, als wenn es über ein Gewölbe ginge, und der Bernstein, den die Fischer oft daraus hervorbringen, beweist, daß er mit der Ostsee in Verbindung stehe.

Der See spült auch immer noch ganze Stücke Land vom Ufer ab, so daß man die Stadt und namentlich das alte Fräuleinstift, das hart am See liegt, durch Flechtwerk und Dämme zu schützen sucht. Und das ist eine gute Vorsorge, denn es sind etwa anderthalb hundert Jahre, da erhob sich am Katharinentage ein gewaltiger Sturm und Erdbeben, und riß ein großes Stück Land, auf dem 23 Kohlgärten lagen, und danach einen Hügel nach dem andern fort, bis es endlich an eine Windmühle kam; die fing an gewaltig zu wanken[40] und zu prasseln, so daß sich der Müller und eine Magd, welche darin waren, kaum noch retten konnten. Der Müller hat aber erzählt, daß er drei Nächte zuvor, zweimal nacheinander eine Stimme gehört, die gerufen: »Müller heraus, nur bald fort«, und er gleichwohl, als er hinausgekommen, niemand gesehen. Danach hat man denn im Städtlein den Schluß gefaßt, diesen Tag alljährlich mit Fasten und Gebet zu begehen, welches auch eine Zeitlang gewähret, später aber eingegangen.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 39-41.
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