109. Der Markgrafenstein.
Klöden Beiträge zur mineralogischen und geognostischen Kenntniß der Mark Brandenburg. Stück V. S. 60 ff.
Mündlich.

[111] Unweit des Dorfes Rauen bei Fürstenwalde, lag noch vor nicht langer Zeit ein gewaltiger Granitblock, der an Länge, Breite und Höhe ungefähr fünf und[111] zwanzig Fuß maß, und den Namen des Markgrafensteines führte; woher er aber diesen Namen führte, weiß man nicht. Jetzt hat er seine Stelle verlassen und seine Gestalt in die große Granitschale verändert, die vor dem Museum in dem Lustgarten zu Berlin steht.

Als dieser Stein noch an seiner alten Stelle lag, hörte man oft ein klägliches Winseln in demselben, das rührte von einer Müllertochter, Andere sagen von einer Prinzessin, her, welche der Teufel dort gefangen hielt. Die ist aber auf folgende Weise in die Hände des Bösen gekommen: Am ersten Pfingsttage ist es an vielen Orten der Mark und auch zu Rauen Gebrauch, daß den Kühen derjenigen Magd, welche ihr Vieh am Morgen zuletzt auf die Weide getrieben hat, ein bunter Kranz umgehängt wird, und man sagt dann schlechthin, sie habe die bunte Kuh bekommen, was gewöhnlich für eine große Schande gehalten wird. So hatte denn auch einmal die Tochter eines Müllers aus Rauen die Zeit verschlafen, und als sie ihre Kühe hinaustrieb, waren die der andern schon längst draußen. Das ging ihr so zu Herzen, daß sie bitterlich anfing zu weinen und sich verwünschte, daß ihr solches geschehen sei. Nun hatte aber der Teufel schon von alter Zeit her in dem Markgrafenstein sein Schloß und stand grade, als das Mädchen ihre Verwünschungen ausstieß, oben auf demselben; da flog er schnell hinab, packte sie und führte sie mit sich in den Stein, wo sie bis zum jüngsten Tage sitzt, und man ihr klägliches Gewinsel oft genug gehört hat. Ihr Bräutigam, der ein junger Müllerbursche war, hat[112] sie zwar, als er ihr trauriges Loos erfuhr, zu retten versucht und den Stein mit gewaltigen Hammerschlägen sprengen wollen, jedoch ist es ihm nicht gelungen; rings um den Stein sah man aber noch lange nachher die tiefen Löcher, die er mit seinem Hammer hineingeschlagen.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 111-113.
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