83. Der Mittelsee bei Schwina.
Mündlich.

[83] Zwischen Lehnin und Schwina liegt der Mittelsee, auf dem sieht man oft Mittags im hellsten Sonnenschein einen Kahn fahren, in dem sitzt ein weißer Bock, und der Kahn fährt ganz von selber; das Wunderbarste[83] aber ist, daß, wenn man recht scharf hinsieht, Kahn und Bock verschwinden und nicht mehr zu sehen sind.

Unten im See, sagt man auch, da wohnen schöne Seejungfern, die bringen den kreißenden Frauen Hülfe in ihrer Noth; aber so gut diese den Menschen thun, so böse meints die Frau mit der weißen Hucke, die sich zwischen dem Mittel- und Gohlitzsee auf dem Lehniner Wege sehen läßt; denn die kommt Abends daher und geht still und rasch ihren Weg, daß einer meint, es sei eine Bäuerin, die sich verspätet; folgt er ihr aber, so gehts auch grade in Wasser und Sumpf hinein, und daraus ist keine Rettung. Einen Bauer hätte sie fast einmal mit Pferd und Wagen auf diese Weise in den See hinabgeführt, wenn er nicht noch zur rechten Zeit den Spuk gemerkt hätte.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 83-84.
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