169. Der Wunderkreis auf dem Hausberg bei Neustadt-Eberswalde.
Mündlich.

[175] Auf dem Hausberg bei Neustadt hat ehmals eine alte Burg gestanden, deren Gemäuer noch vor mehreren Jahren sichtbar gewesen, später aber zum Bau der Kirchhofsmauer benutzt worden ist. Hier läßt sich öfter eine weiße Frau mit einem großen Bund Schlüssel sehen, die sich auch zuweilen in einen großen schwarzen Hund verwandelt und so die Gegend durchstreift.

Jetzt ist der Hausberg oben ganz geebnet und nur der sogenannte Wunderkreis befindet sich dort; das ist[175] ein aus vielen Kreisen bestehender, durch Rasenstücke geschaffner Gang, der so in und durch einander läuft, daß, wenn man ihn zu Ende geht, man an derselben Stelle wieder ankommt, wo man hineingegangen ist. Früher wurde er von den Kindern zu Ostern ausgelaufen, das heißt, derjenige Knabe, der ihn am schnellsten durchlief, erhielt eine Belohnung von Ostereiern, aber jetzt wird seiner nicht mehr geachtet, da die alte Sitte nicht mehr beobachtet wird. Diesen Kreis, sagt man, habe ein alter Schäfer gemacht, der sich dadurch vom Tode gerettet, denn man hatte ihm versprochen, ihm das Leben zu schenken, unter der Bedingung, daß er einen solchen Wunderkreis schaffte, was er denn auch glücklich ausgeführt. – Andre sagen, ein Schäfer hätte sollen hingerichtet werden, und habe noch kurz vor seinem Tode gebeten, daß ihm gestattet werde, noch einmal die herrliche Aussicht auf das Thal vom Hausberge aus genießen zu dürfen. Das ward ihm gewährt, und wie er nun so auf dem Berge umherging, schleifte sein Stock hinter ihm im Sande nach und bildete so den Wunderkreis.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 175-176.
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