243. Der Werwolf.
Mündlich.

[259] Einige Menschen verstehen die Kunst, sich mittelst eines Gürtels, den sie umschnallen, in einen Werwolf zu verwandeln, und so ist namentlich einmal einer in der Mark gewesen, von dem man noch an vielen Orten zu erzählen weiß. Lange Zeit hatte keiner gewußt, daß er ein so gefährlicher Nachbar sei, aber endlich kam es folgendermaßen heraus.


Es lagen mehrere Knechte beisammen in den Koppeln ihre Pferde zu hüten, und machten sich da ein Feuer an, bei dem immer einer wachen mußte. Als nun die Reihe an den Werwolf kam und er meinte, daß die andern alle fest schliefen, warf er schnell seinen Gürtel über und stürzte sich als Wolf auf die Pferde, und verzehrte ein Fohlen mit Haut und Haaren. Das alles sah einer der Knechte, der sich nur schlafend gestellt hatte, mit an, sagte jedoch den andern kein Wort davon: nicht lange danach kehrte der Werwolf zurück, und die andern erwachten. Als sie nun bei dem Feuer lagen, da schauderte es dem Werwolf so und er sagte: »Ich weiß nicht, wie mir heute so schuddrig ist!« »Na, sagte der Knecht, welcher[259] nicht geschlafen hatte, da soll einem wohl nicht schuddrig sein, wenn man ein ganzes Fohlen im Leibe hat!« »Dein Glück, rief jener, daß du mir das nicht vorher gesagt hast!« und mit diesen Worten streifte er seinen Gürtel über, ward sogleich zum Wolf, sprang in den Wald und nie haben ihn seine Gefährten wieder gesehen.


Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 259-260.
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