189. Der Bötticher bei den Unterirdischen.
Mündlich.

[203] Oefters hat es schon des Nachts Leute in der Nähe des Klosters Chorin gerufen, daß sie dahin kommen sollen, aber nicht alle haben dieser Stimme geachtet und sind darum auch nicht so glücklich gewesen, wie der Bötticher, der vor mehreren Jahren in einem der Tagelöhnerhäuser bei Chorin wohnte. Der hörte auch einmal in der Nacht die Stimme, die rief ganz laut seinen Namen, als wenn jemand in der Stube wäre und gab ihm einen Ort im Kloster an, wo er sich einfinden solle, aber er that, als höre ers nicht und drehte sich um. Da rief es zum zweiten und endlich zum dritten Mal; nun stand er auf, nahm all sein Handwerkszeug, Messer, Beil, Hammer und Reifen, wie es ihm die Stimme geheißen hatte, mit sich und ging nach dem bestimmten Orte. Hier fand er ein kleines Männchen stehen, das grüßte ihn und war sehr freundlich, sagte ihm aber, er müsse sich die Augen verbinden lassen, denn anders könne er nicht mit ihm gehen, fügte auch hinzu, daß ihm kein Leides geschehen sollte. Da ließ es denn der Bötticher geschehen, und das Männlein führte ihn nun eine ganze Strecke, bis es ihm endlich die Binde abnahm und er sich in einem geräumigen Keller sah, wo er noch eine große Menge eben solcher Männlein, wie sein Begleiter war, erblickte, die mit verschiedenen Dingen beschäftigt waren, aber kein Wort sprachen. Jetzt hieß das graue[204] Männchen den Bötticher um 12 große Fässer, welche dort standen, neue Bände legen; er führte diese Arbeit zur Zufriedenheit aus und erhielt nun die Erlaubniß von jedem der zwölf großen Goldhaufen, die bei den Fässern lagen, einen Theil für sich als Bezahlung zu nehmen. Darauf ward ihm die Binde wieder vor die Augen gelegt, dasselbe graue Männlein führte ihn zurück und er fand sich bald mit seinem Schatze allein an dem Orte, wohin ihn die Stimme zuerst gerufen hatte.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 203-205.
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