195. Die versunkene Stadt im Paarstein.
Mündlich.

[209] Südlich von Angermünde erstreckt sich von dem Dorfe Herzsprung bis nach Brodewin und Pälitz ein großer See, der überall von mäßigen, aber meist steilen Höhen umgeben ist. In ihm soll eine große Stadt, und zwar durch die eigne Schuld der Bewohner untergegangen sein. Es fehlte denselben nämlich schon lange an gutem Trinkwasser, und sie hatten auch schon viele Brunnen gegraben, aber immer nicht ihren Wunsch erreicht. Da kam einst ein Zauberer und grub ihnen einen schönen tiefen Brunnen, dessen Wasser hell und klar war; aber[209] er fügte zu seinem Geschenk zugleich die Warnung, daß sie den Brunnen jeden Abend sorgfältig verdecken sollten. Das thaten sie denn auch Jahr aus Jahr ein; aber einst, wie es kam, weiß man nicht, wurde es vergessen, da fing die Flut in dem Brunnen plötzlich an emporzuwallen und stieg immer höher und höher und verschlang die Stadt sammt allen Bewohnern; das Wasser trat aber weiter und weiter aus und bildete zuletzt den großen Paarsteinschen See. – Einige erzählen auch, die Stadt hätte sich noch über den jetzigen See hinaus und zwar bei Pälitz vorbei, in die Haide hinein, bis zum sogenannten venedischen Kirchhof erstreckt; auf dem Pälitzer Werder hat das Schloß gestanden, und man kann noch die Spuren des Gemäuers dort sehen; im Wasser erblickt man auch noch zuweilen bei hellem Wetter den Kirchthurm und hört das Läuten der Glocken, die auch hin und wieder ans Tageslicht kommen, wo man sie dann wie die andrer Seen mit einander sprechen hört.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 209-210.
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