206. Die weiße Frau im Rehdanzbruch.
Mündlich.

[219] Zwischen Joachimsthal und dem Köllnischen Theerofen am Werbellinsee befindet sich ein Bruch, welches das Rehdanzbruch heißt; dort sieht man an einer Stelle eine kleine Vertiefung, die mit Wasser gefüllt ist und etwa den Umfang eines Scheffelmaaßes hat. Schon oft hat man versucht, dieselbe mit Sand und Steinen zuzuschütten, aber es hat bis jetzt noch nicht gelingen wollen, wird auch wohl nicht gelingen, da es damit seine eigne Bewandniß hat. Es sitzt nämlich, wie man sagt, eine schöne Jungfer darin, die erlöst sein will, und schon manchem ist sie erschienen. So war auch einmal ein Knecht draußen bei den Kühen, der legte sich nieder und schlief ein; wie er aber erwacht, sieht er eine weibliche Gestalt, die ist ganz weiß angekleidet und lange schwarze Haare hangen ihr vom Haupte hernieder, auf sich zukommen; es war aber Mondenschein, darum konnte er das alles so genau unterscheiden. Als sie nun näher kam, winkte sie ihm dreimal, aber er blieb sitzen, und da kehrte sie um und ging nach jener Stelle im Bruch, wo sie sogleich verschwand. Lange nachher noch hörte er aber von dort her ihr Winseln ertönen.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 219-220.
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