Der tüchtige Bursche, oder gut Kegel- und gut Kartenspiel.

[406] Es war einmal ein alter reicher und großer Herr, der hatte ein einziges Töchterlein, das war wunderschön, und die schönste Jungfrau im ganzen Lande, die wollte er verheirathen, ehe er stürbe, es war aber kein Freier da. Darüber könnte man sich freilich wohl wundern, denn auf die bloße Schönheit allein bekommt ein Mädchen meistens schon einen Freier, und wenn es so übermenschlich reich ist, wie unser Kind, so hat es die ganze Welt zu Freiern. Warum hatte denn nun unser Jungfräulein keinen?

Damit hatte es seine eigene Bewandniß. – Unser alter Herr wollte sein Töchterlein gern Jedem geben, und wär' er auch gemeiner Leute Kind, aber es galt eine Probe der Herzhaftigkeit.

Der alte Herr war einmal in früherer Zeit eine herzhafte Kriegsgurgel gewesen, und hatte sich aus Bomben und Granaten gar nichts gemacht, und ehe ihm nicht das Schnupftuch in der Tasche brannte, wich er keinen Haarbreit von seiner Stelle. Weil er nun[407] selbst so herzhaft gewesen, so dachte er, wer nicht herzhaft sei, sei gar kein rechter Mann, und einen solchen sollte sein Töchterlein nicht haben. – Ich denke, daß er wohl etwas recht hatte.

Die Probe, welche er aufgab, war aber die, drei Nächte in seinem alten Schlosse zu wachen, in welchem zwar keine Seele wohnte, aber alle Nacht wohnte und hauste ein Höllenlärm darin mit Rasseln und Prasseln, als sollte das ganze Schloß untergehen.

Nun fanden sich zwar Freier in Menge, aber da sie hörten, welch eine Probe sie ablegen sollten, so schlichen sich Viele davon und sagten, der alte Kerl sei ein Narr mit seiner Probe, denn was brauche man denn der Herzhaftigkeit? Wenn man nur so viel Gegenwart des Geistes behalte, in der Gefahr hurtig davon zu laufen, so sei das genug und übergenug. – Einige Freier wagten sich des Nachts ins Schloß, aber kein einziger kam wieder heraus, obwohl sie hineingekommen waren. Da geschahe es denn, daß wohl in einem ganzen Jahre kein Freier sich weiter meldete.

Nun war ein junger und hübscher Bursch, der hatte Herz für zehn Mann und noch mehr, und war gar arm. »Willst dich zum Freier melden, sagte er; hast nichts zu verlieren in der Welt, kannst aber viel gewinnen, und – – vielleicht ist Dir es beschieden.«

So stellt er sich denn von dem alten Herrn hin und spricht, er wolle das Töchterlein gern haben und auch drei Nächte im alten Schlosse wachen, denn davor fürchte er sich gar nicht.

Der junge hübsche Bursch, der so keck da stand, gefiel dem Alten und dem Töchterlein gefiel er auch und Beide wünschten, es möcht ihm das schwere Werk gelingen.

»Du darfst dir noch etwas mitnehmen ins Schloß, sagte der alte Herr, aber es müssen leblose Dinge sein.«

Da bat sich der junge Bursch eine Schnitzbank aus, eine Drehbank und Feuer, welches alles ihm auch ins Schloß in einen großen hohen Saal getragen wurde.[408]

Als es nun anfing dunkel zu werden, geht er selbst auch hinein, macht sich sein Feuer an, stellt die Schnitzbank mit dem Schnitzmesser daneben und setzt sich auf die Drehbank.

Anfangs war es ganz stille im alten Schlosse und es rührte sich keine Maus. Als es aber gegen Mitternacht kam, fings an zu rumpeln und zu rauscheln. Erst sachte, ganz sachte, dann stärker und immer noch stärker und zuletzt so arg, daß Alles knallt und knackt, Piff, Paff! He! Holla! Halloh! Krik! Krak! Knarr! Puff! und immer ärger und ärger.

»Wenns weiter nichts ist, sagte der Bursch, so rasaunt nur so viel euch gefällt. – Das kann ich schon leiden!«

Jetzt aber ist es auf einmal ein klein Bißchen stille. Darnach raschelts im Schornstein, und endlich kommt ein Bein aus dem Schornstein und tritt auf und stellt sich gerade vor den Burschen hin.

»Hedah!« ruft der; auf Einem Beine steht man nicht, – noch eins her!

Da kommt noch ein Bein aus dem Schornstein herab und stellt sich auch vor ihm hin.

»Nun sinds zwei, sagt der Bursch, nun ists gerade genug!« Es kam aber noch ein Bein und wieder noch eins und immer so fort, bis ihrer neun waren.

»Aha! sagt er, das geht auf Kegelspiel los; das spiele ich gern; – aber schafft auch die Kugeln.«

Da lärmt und tobt es entsetzlich und es fallen zwei Köpfe herab aus dem Schornstein.

»Gut, spricht er, nun können wir spielen, aber die Kugeln sind mir nicht rund genug.« Damit nimmt er die Köpfe und setzt sie in die Drehbank und dreht sie rund. »So seid ihr recht!« sagt er, und stellt die Beine ordentlich wie Kegel auf und bosselt mit den Köpfen darauf hin und ruft: »So geht es gar herrlich!«[409]

Da aber kamen drei große schwarze Kater, mit feurigen Augen, die gingen ums Feuer herum, aber weit davon, und thaten ganz kläglich und schrien: »Huh! wie uns friert! wie uns friert! Au! au! miau! wie uns friert!«

»Narren! so setzt euch ans Feuer und wärmt euch! sagt unser Bursch; Ihr braucht ja gar nicht zu frieren!«

Da setzten sich die Kater hin, und als sie sich gewärmt hatten, sagten sie: »Kamerad! wollen ein wenig in der Karte spielen, die Zeit zu vertreiben.«

»O ja! sprach er, das können wir machen; aber da muß ich euch erst die garstigen langen Nägel verschneiden, sonst häkelt ihr die Karten zu Schande und könnt nicht einmal ordentlich ausspielen.« Damit packt er sie beim Fell ins Genick und hob sie auf die Schnitzbank, wo er ihre Pfoten fest schraubte. Sie fingen erbärmlich an zu schreien, er aber schlug ihnen die Köpfe ein, und trug sie ein in einen kleinen Teich im Schloßhof.

»Da habts, ihr Bestien! sagte er; ihr sollt mir nichts mehr anhaben! Ja freilich! wenn der Teufel eine Maus wäre, da könnte ihn jedes Kater leicht fressen!«

Als er nun mit den Katzen fertig war, und wieder in den Saal zurückgekehrt, setzte er sich zum Feuer, weil es in selbiger Nacht sehr kalt war. Aber da kamen viel schwarze Hunde und Katzen aus allen Winkeln und Ecken und machten ein greuliches Gelärm im Saale, schrien, queilten, heulten und bellten, zerrten ihm seine Feuerbrände auseinander und wollten ihm das Feuer ganz auslöschen. Er warnte sie zwar, die Narrenspossen bleiben zu lassen, aber das half ihm zu gar nichts. Da nahm er sein Schnitzmesser und hieb kräftig ein. Hier gabs eine Kopfwunde, dort ging ein Fuß oder ein Schwanz verloren und Viele blieben todt auf dem Platze, und was nicht todt blieb, das stob oder schlich sich davon. Die Todten trug[410] er abermals in den Teich, und blies hierauf sein Feuer wieder an, und ärmte sich aus.

Darnach war er sehr müde und legte sich in ein großes hübsches Bette, welches in einer Ecke stand. Als er aber eben anfing einzuschlafen, fängt das Bett an zu fahren, wie wenn es eine Kutsche wäre, und fährt im ganzen Schlosse herum, Trepp auf, Trepp ab, auf Boden und Säle, in Küchen und Keller.

»Das geht hübsch! rief er; so habe ichs gern! – Nur noch ein Bißchen geschwinder.«

Jetzt ging es, wie im Sturm, herauf und herunter, gerade und schief, Hopp! Hopp! Ho! Hoh! bis endlich das Bette umschlug, das Oberste zu unterst.

»O nein! sagte er, das Fahren versteht ihr nicht;« stieg aus dem Bette auf und legte sich zu seinem Feuer, und schlief nun ruhig und ungestört, bis in den Tag hinein.

Als nun der alte Herr den andern Tag ins Schloß kam, und ihn so recht fest schlafen sah, meint er, es sei ihm übel gegangen und sagte wehmüthig: »Der hübsche Bursche ist auch todt!« Der aber war nicht todt, sondern lebte noch und erwachte, weil er nun ausgeschlafen hatte.

Deß war der alte Herr gar höchlich erfreut, und der junge Bursche erzählte ihm, wie Alles gegangen sei, und hielt noch zwei Nächte im Schlosse aus, wo Alles fast eben so ging, als in der ersten Nacht.

Da die drei Nächte überstanden waren, bekam der junge Mann das schöne reiche Kind, und war mit ihm gar überglücklich und froh, und es war es mit ihm auch. Am allerglücklichsten aber war der alte Vater.

Daß die Hasenherzen, die nicht ins Schloß gemocht hatten, nun spotteten und kluge Gesichter und mancherlei Auslegung machten, das kümmerte die drei Glücklichen nicht.

Quelle:
Johann Andreas Christian Löhr: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, anmuthig und lehrhaftig [1–]2. Band 1, Leipzig [ca. 1819/20], S. 406-411.
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