Der Steirertanz

[240] Robert


Laß, Freund, uns übernachten

In jenem Jägerhause,

Das uns entgegenklinget

Mit Geigen und Gesängen.

Heut ließ die Sonne sprühen

Die sommerscharfen Pfeile,[240]

Es war ein heißes Wandern

Auf steilen Bergespfaden;

Wir wollen uns erfrischen.

Und sind des Leibes Mühen

Am raschen Wanderstabe

Belohnt mit wackerm Imbiß

Und manchem Becher Weines,

Erquicken wir die Seele

Mit heiteren Gesprächen.


Heinrich


Es war ein herrlich Wandern;

Den Abgrund überspringend,

Die Felswand überkletternd,

Fand ich in seiner hohen

Geheimnisvollen Heimat

Manch schönes Alpenblümlein,

So einsam, bis zur Stunde

Gekannt nur von den Lüften,

Besucht nur von den Wolken,

Erblickt von Sternenaugen.


Robert


Es war ein herrlich Wandern;

Vom Klippenast des Kalkes,

Vom schwarzen Beet des Abgrunds

Hab ich gepflückt Gedanken,

Niewelke Blumen Gottes,

Die werden freudig duften

Mir durch mein ganzes Leben.


(Sie treten ins Haus)


Jäger


Seid schön gegrüßt, Ihr Herren,

Glückselig guten Abend!


[241] Robert


Wollt Ihr zwei müde Wandrer

Herbergen für die Nacht?


Jäger


Willkommen mir von Herzen!

Nur ists in meiner Hütte

Ein wenig toll und voll,

Wir haben heute Hochzeit;

Ihr müßt Euch schon begnügen,

Ein Plätzchen wo zu nehmen,

Das nicht die Lust besetzt hat,

's wird freilich knapp genug sein.


Heinrich


Hier wollen wir uns lagern,

Den Tanz zu überschauen.

Sieh dort den Jägerburschen,

Den schlanken, schönen, flinken;

Auf seinem grünen Hute

Gemsbart und Hahnenfeder;

Aus seinem festen Auge

Blitzt ihm ein Siegesstrahl;

Die Gemse, die sein Blick faßt

In ihrer Felsenheimat,

Wird nicht mehr lange weiden

Die frischen Alpenkräuter;

Die Dirne, die sein Blick faßt,

Wird nicht mehr lange wandeln

Auf ihrer grünen Alpe

Mit leichtem, freien Herzen.


Robert


Das ist der beste Schütze

Im steirischen Gebirge.[242]

Ich wollte, Freund, es schlügen

Entschlüsse mir und Taten

So scharf getreu zusammen,

Wie diesem wackern Jäger

Sein Blick und seine Kugel.


Heinrich


Er ist der beste Schütze

Und ist der feinste Tänzer

Von diesen Burschen allen.

Wie er die schöne Dirne

So leicht und sanft und sicher

Im frohen Kreise tummelt!

Uns läßt das lustge Paar

Hintanzen vor den Augen,

Harmonischer Bewegung,

Ein freundlich Bild des Lebens.

Er reicht dem lieben Mädchen

Hoch über ihrem Haupte

Den Finger, und sie dreht sich

Um seine Faust im Kreise,

Die Anmut um die Stärke.

Er tanzt gerade vorwärts

In edler Manneshaltung

Und läßt das liebe Mädchen

Leicht wechselnd aus der Rechten

In seine Linke gleiten

Und nimmt die Flinkbewegte

Herum in seinem Rücken,

Läßt sich von ihr umtanzen,

Als wollt er sich umzirken

Rings um und um mit Liebe

Und ihr im Tanze sagen:

Du schließest mir den Kreis

Von allen meinen Freuden!


[243] Robert


Nun fassen sich die Frohen

Zugleich an beiden Händen

Und drehen sich geschmeidig,

Sich durch die Arme schlüpfend,

Und blicken sich dabei

Glückselig in die Augen,

Als wollten sie sich sagen:

So wollen wir verbunden,

Uns meinander schmiegend,

Hintanzen leicht und fröhlich

Durchs wechselvolle Leben!


Heinrich


Hörst du den Jäger jauchzen?

Zu enge sind der Seele

Die Ufer ihres Leibes,

Und jubelnd überbrausen

Die Fluten des Entzückens.


Robert


Siehst du die Erd ihn stampfen?

Im Freudenübermute

Gibt er der Erde schallend

Den Fußtritt der Verachtung;

»Du kriegst nur unsre Asche!«

Ruft ihr sein helles Jauchzen,

Und flammend blickt sein Auge

Der Liebsten in das Auge,

Unsterblichkeitsgewiß:

»Wir haben uns auf ewig!« –

Die Blicke dieser beiden

Sind mir gewisse Bürgschaft

Für mein unsterblich Leben.[244]

Was sich geliebt auf Erden,

Muß dort sich wiederfinden.


Heinrich


Das glaub ich nimmermehr,

So gern ich auch, o Freund

Und treuer Berggenosse,

Mit dir durchstreifen möchte

In einem andern Leben

Die himmlischen Gebirge

Und dort sie alle finden,

Die hier mein Herz verloren;

Doch kann ich es nicht glauben.

Wie diese Musikanten

Auf Geig und Zither spielen

Den lustgen Steirertanz,

Den ersten Teil des Walzers

Im zweiten wiederholend,

Nur wechselnd in der Tonart:

Meinst du, der alte Geiger,

Dem die Gestirne tanzen

Zur starken Weltenfiedel,

Wird unser Erdenleben,

Wenns einmal abgespielt ist,

Noch einmal runterspielen,

Nur höher, in der Quinte? –


Robert


Ich meine das mit nichten.

Wohl bin ich nur ein Ton

Im schönen Liede Gottes;

Doch wie das schöne Lied

Wird nimmermehr verklingen,

So wird der Ton im Liede

Auch nimmer gehn verloren,[245]

Nicht brechen sich am Grabe:

Und was im Erdenleben

Mit ihm zusammenklang,

Wird einst mit ihm erklingen

Zu freudigen Akkorden

Im Strom des ewgen Liedes.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 240-246.
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