Sommerfäden

[52] Mädchen, sieh, am Wiesenhange,

Wo wir oft gewandelt sind,

Sommerfäden, leichte, lange,

Gaukeln hin im Abendwind.


Deine Worte, laut und munter,

Flattern in die kühle Luft;

Keines mehr, wie sonst, hinunter

In des Herzens Tiefe ruft.


Winter spinnet los und leise

An der Fäden leichtem Flug,

Webt daran aus Schnee und Eise

Bald den Leichenüberzug.


Künden mir die Sommerfäden,

Daß der Sommer welk und alt,

Merk ich es an deinen Reden,

Mädchen, daß dein Herz wird kalt!

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 52.
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