An meine Rose

[7] Frohlocke, schöne junge Rose,

Dein Bild wird nicht verschwinden,

Wenn auch die Glut, die dauerlose,

Verweht in Abendwinden.


So süßer Duft, so helle Flamme

Kann nicht für irdisch gelten;

Du prangst am stolzen Rosenstamme,

Verpflanzt aus andern Welten;


Aus Büschen, wo die Götter gerne

Sich in die Schatten senken,

Wenn sie in heilig stiller Ferne

Der Menschen Glück bedenken.


Darum mich ein Hinübersehnen

Stets inniger umschmieget,

Je länger sich in meinen Tränen

Dein holdes Antlitz wieget.


O weilten wir in jenen Lüften,

Wo keine Schranke wehrte,

Daß ich mit deinen Zauberdüften

Die Ewigkeiten nährte! –


Hier nahn die Augenblicke, – schwinden

An dir vorüber immer,

Ein jeder eilt, dich noch zu finden

In deinem Jugendschimmer;


Und ich, wie sie, muß immer eilen

Mit allem meinem Lieben

An dir vorbei, darf nie verweilen,

Von Stürmen fortgetrieben.[7]


Doch hat, du holde Wunderblume,

Mein Herz voll süßen Bebens

Dich mir gemalt zum Eigentume

Ins Tiefste meines Lebens,


Wohin der Tod, der Ruhebringer,

Sich scheuen wird zu greifen,

Wenn endlich seine sanften Finger

Mein Welkes niederstreifen.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 7-8.
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