Am Grabe eines Ministers

[117] Du fuhrst im goldnen Glückeswagen

Dahin den raschen Trott,

Von keuchenden Lüsten fortgetragen,

Und dünktest dir ein Gott!


Wie flogen des Pöbels Rabenschwärme

Dir aus dem Weg so bang,[117]

Da sie hörten der Geißel wild Gelärme,

Der Räder Donnerklang!


Ein weinender Bettler, stand am Wege

Das arme Vaterland

Und flehte dich an um milde Pflege

Mit aufgehobner Hand;


Doch wie auch klagte die bittre Klage,

Wie auch die Träne rann:

Du triebst mit gellendem Geißelschlage

Vorüber dein Gespann! –


»Halt!« schlug nun eine grause Stimme

An dein entsetztes Ohr,

Es stürzt', ein Räuber, mit Hohn und Grimme

Der Tod vom Wald hervor


Und hieb die Stränge mit scharfem Schwerte

Vom Wagen, riß mit Macht

Dich fort, trotz Flehen und Angstgebärde,

In seine finstre Nacht.


Das Vaterland mit Lachen und Singen

Hält Wacht an deinem Grab,

Scheucht Tränen und Seufzer und Händeringen

Fort mit dem Bettelstab!

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 117-118.
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