Waldestrost

[132] Im Walde schleicht ein alter Mann,

Allein mit seinem Leid,

Er ist so ärmlich angetan

Mit einem Lodenkleid.


Er blickt so traurig um sich her,

An seinen Stab gelehnt;

Dem Manne ists im Herzen schwer,

Wonach er wohl sich sehnt?


Den Bäumen nimmt der Herbst das Laub,

Der Tod im Walde tost,

Der Alte starret in den Staub,

Als sucht' er dort sich Trost.


Vom Dickicht rauscht vor ihn ein Reh

Und hält und will nicht fliehn,

Als wärs gerührt von seinem Weh,

Als wollt es trösten ihn.[132]


Schau tief dem Reh, du armer Mann,

In seinen Kindesblick,

Vielleicht der Blick dir lindern kann

Dein trauriges Geschick!

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 132-133.
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