Traumgewalten

[292] Der Traum war so wild, der Traum war so schaurig

So tief erschütternd, unendlich traurig.

Ich möchte gerne mir sagen:

Daß ich ja fest geschlafen hab,

Daß ich ja nicht geträumet hab,

Doch rinnen mir noch die Tränen herab,

Ich höre mein Herz noch schlagen.


Ich bin erwacht in banger Ermattung,

Ich finde mein Tuch durchnäßt am Kissen,

Wie mans heimbringt von einer Bestattung;

Hab ichs im Traume hervorgerissen

Und mir getrocknet das Gesicht?

Ich weiß es nicht.

Doch waren sie da, die schlimmen Gäste,

Sie waren da zum nächtlichen Feste.


Ich schlief, mein Haus war preisgegeben,

Sie führten darin ein wüstes Leben.

Nun sind sie fort, die wilden Naturen;

In diesen Tränen find ich die Spuren,

Wie sie mir alles zusammen gerüttet

Und über den Tisch den Wein geschüttet.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 292.
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